Beim Neujahrsempfang erklärte Brenner am Sonntag völlig überraschend seinen Rücktritt zum Jahresende Foto: factum/Weise

Der Rathauschef scheidet am Ende des Jahres aus dem Amt aus. Darüber hat er die Bürger beim Neujahrsempfang informiert. Der parteilose Verwaltungswirt steht seit 1999 an der Spitze der Stadt.

Gerlingen - Nichts bleibe, wie es ist: Darauf verweist Georg Brenner gerne, wenn es um Stadtentwicklung geht. Beim Neujahrsempfang am Sonntag in der Gerlinger Stadthalle bezog der Bürgermeister diese Worte, die er am Ende seines Manuskripts notiert hatte, auf sich. Er kündigte an, am Jahresende den Chefsessel im Gerlinger Rathaus zu räumen. „Ich will selbstbestimmt den Zeitpunkt festlegen, um das Amt gesund zu übergeben“, sagt er am Tag danach. Brenners Amtszeit endet regulär im Jahr 2022. „Ich habe ein erfülltes Berufsleben gehabt“, fügt der 64-Jährige an.

Seinen Entschluss hatte er bis kurz vor dem Neujahrsempfang nicht öffentlich gemacht. Die Stadträte informierte er am Freitagnachmittag per E-Mail. Viele hatten nicht damit gerechnet, äußern ihr Bedauern, aber auch Verständnis für die Entscheidung. Brenner selbst beteuert, konkrete Anlässe für seine Entscheidung habe es nicht gegeben. Aber er verhehlt auch nicht, dass ihm der Gedanke gefällt, von nächstem Jahr an sein Privatleben selbstbestimmt gestalten zu können. Dabei ist es gerade sein Selbstverständnis, stets präsent zu sein. Bei offiziellen Pflichtterminen, um die Stadt zu repräsentieren, aber eben auch volksnah bei den Bürgern. Dafür seilte er sich dann schon auch mal vom Turm der Petruskirche ab.

Ein überzeugter Europäer

In Brenners Amtszeit wandelte sich die Stadt deutlich; das Römer-Areal wurde bebaut, die Wohngebiete Blätschenäcker und Bruhweg entstanden, derzeit verändert sich zudem das Herz der Stadt, das Träuble-Areal. Er stehe nach wie vor zu der Bebauung, sagt Brenner, die doch manchen Gerlingern zu massiv ist. Es war ein Kompromiss, schließlich sind Verwaltung und Gemeinderat gleichermaßen dem Schutz der Streuobstwiesen verpflichtet.

So einmütig das Miteinander von Gemeinderat und Verwaltung letztlich ist – dem Streit um die Sache geht Brenner, der Parteilose, nicht aus dem Weg. Nicht mit dem Gemeinderat, nicht mit den Ditzingern, deren Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos) erklärt, es seien unter Brenner „gute Jahre für Gerlingen“ gewesen – aber auch nicht mit der ungarischen Partnerstadt Tata: Mit der Ablehnung des ungarischen Verdienstordens vor bald sechs Jahren signalisierte er am deutlichsten, dass er überzeugter Europäer ist. Er erhob immer wieder das Wort gegen extremistische Tendenzen.

Die Freien Wähler reagieren sprachlos. „Ich muss das erst einmal verdauen“, sagt die Fraktionsvorsitzende Petra Bischoff, die Nachricht sei völlig überraschend gekommen. „Wir haben Brenner viel zu verdanken, er hat viel bewegt, zum Beispiel beim Thema Bebauung.“ Sie erlebe den Rathauschef als „offenen Menschen“, der immer darauf achte, Neues und Innovatives in der Stadt umzusetzen. Gleichwohl hätte sie sich beim Streitthema zweiter Autobahnanschluss einen „offenen Dialog“ gewünscht. Den anstehenden Wechsel im Rathaus sieht Petra Bischoff mit gemischten Gefühlen. „Ein Wechsel ist immer eine Chance, denn ein frischer Blick schadet nie.“ Andererseits könne ein Wechsel eine Gefahr sein, etwa dann, wenn der Nachfolger Bewährtes umkrempele.

Die SPD-Fraktion sieht die Entscheidung gelassen

Rolf Schneider blickt gerade deshalb skeptisch in die Zukunft. „Ich finde es toll, wenn ein politischer Beamter das Datum seines Ausstiegs selbst bestimmt“, sagt der Grünen-Politiker. „Im Übrigen bedauere ich diesen Schritt – im Interesse der Stadt.“ Denn die Zukunft werde schwierig: „Wir wählen binnen weniger Monate einen Gemeinderat und einen Bürgermeister neu.“

Das nimmt die Chefin der SPD-Fraktion gelassen. „Jeder muss einmal aufhören. Wir haben jetzt lange genug Zeit, einen Nachfolger zu finden“, sagt Brigitte Fink. Die Sozialdemokratin hält Georg Brenners Entscheidung sogar für klug. „Es ist gut, wenn man in einer Zeit geht, in der die Menschen dies bedauern.“ Brenner bringe sich stets mit viel Herzblut ein. Für die Bürger habe er immer ein offenes Ohr. „Er ist ihnen bislang nie aus dem Weg gegangen, sondern hat sich ihnen immer gestellt.“

Auch im Gemeinderat sei Brenner der Konsens wichtig. Bei Entscheidungen achte er darauf, sie im Einklang mit einer großen Mehrheit zu fällen. „Seiner Vorstellung nach lassen sich mit einem größeren Zusammenhalt bessere Entscheidungen treffen. Erneut darüber zu reden, anstatt eine Sache zu erzwingen, nutze der Stadt mehr, als dass sich einzelne Stadträte profilierten, gibt Fink Brenners Devise wider.

Er war „immer sehr sensibel“

Der FDP-Stadtrat Peter Zydel sagt zu Brenners Ankündigung: „Ich hab’s geahnt.“ In den vorigen Monaten habe sich sein Eindruck verfestigt, dass der Rathauschef „sich schwer tut“. Es sei ein schleichender Prozess, da das Anspruchsdenken an Verwaltung und Räte immer größer werde, „Kleinigkeiten werden zum Politikum“. Brenner sei „schon immer sehr sensibel“ – aber auch sehr unterhaltsam, wie Nino Niechziol von den Jungen Gerlingern sagt. Georg Brenner sei auch nach den Sitzungen stets für viele Themen offen: Dazu gehören Familie ebenso wie Fußball oder neue Funktionen von Mobiltelefonen.

Christian Haag beschreibt die Zusammenarbeit mit Brenner als „sehr gut und sehr vertrauensvoll“. Der Chef der CDU-Fraktion geht davon aus, dass ein Nachfolger nicht schwer zu finden ist. „Gerlingen geht es sehr gut. Darum gehen wir davon aus, dass es mehrere Interessenten für das Amt geben wird“, sagt Haag. Mit der Wahl im Herbst werde man sich aber erst nach der Kommunalwahl befassen.