Der Kampf für die Chancengleichheit geht weiter: Edeltraud Herrmann (rechts) und ihre Nachfolgerin Susanne Omran. Foto: Otto-H. Häusser

Edeltraud Herrmann ist nach 26 Jahren als Frauenreferentin und Gleichstellungsbeauftragte in den Ruhestand gegangen. Ihre Nachfolgerin wurde Susanne Omran, die bisher bei der Stadt Tübingen im selben Bereich tätig war.

Filderstadt - Die Stelle scheint heiß begehrt zu sein. Im Interview stellt Edeltraud Herrmann fest, dass außer Susanne Omran rund 200 weitere Kandidaten Beauftragte für Chancengleichheit in Filderstadt werden wollten.
Frau Herrmann, Sie sind nun seit Juni im Ruhestand. Haben Sie sich schon daran gewöhnt?
Herrmann: Wissen Sie, an was ich mich noch nicht gewöhnt habe? Dass ich für Nicht-Arbeit Geld bekomme. Das ist irgendwie komisch für mich. Natürlich habe ich mich an den Ruhestand gewöhnt und ich werde mich Monat für Monat mehr daran gewöhnen.
Also, Sie vermissen die Aufgaben nicht, die Sie hatten?
Herrmann: Nein, es war für mich klar, dass ich da einen totalen Schnitt mache.
Und Sie, Frau Omran, haben Sie sich schon ein wenig eingearbeitet?
Omran: Ja, ich habe ja die Stelle zum 1. Juni angetreten. Die Einarbeitung läuft und sie ist auch intensiv. Ich bin viel unterwegs und in Kontakt mit Leuten, nehme auf, wie das Aufgabengebiet aussieht und was die Bedürfnisse und Bedarfe von anderen sind.
Frau Herrmann, Sie sind ja im Jahr 1988 als eine der ersten Frauenbeauftragten in Baden-Württemberg angetreten. Die Einstellung der Leute war damals bestimmt noch ganz anders als heute. Wie war Ihr Beginn?
Herrmann: Das war damals eine wahnsinnig konservative Zeit. Es war wirklich schlimm. Ich war zuvor zehn Jahre lang bei der Volkshochschule Leinfelden-Echterdingen, die ich auch mit aufgebaut habe. Ich wollte nicht nur Weiterbildung oder Bildung im weitesten Sinne machen, ich wollte auch politisch etwas verändern. Ich bin nach meiner Wahl im Gemeinderat zu Oberbürgermeister Bümlein und habe klipp und klar gesagt, was ich alles will, Computer und und und … Er guckte mich groß an und Hauptamtsleiter Kratschmann sagte: „In der Stadt gibt es einen Computer und jetzt will die Frau Herrmann auch noch einen.“ Aber es war dann einer da, als ich angefangen habe. Sie wussten nicht genau, was ich tun sollte und dachten, ich wäre eine etwas besser bezahlte Sozialarbeiterin.
Es ging also weniger um Gleichberechtigung.
Herrmann: Das konnte man sich damals noch nicht vorstellen. Sie wissen ja, Hannelore Löhr war damals die einzige Frau im Gemeinderat – also 31 Männer und eine Frau. Die CDU hatte die Stelle zusammen mit den Grünen beantragt.
Das ist aber auch eine seltene Allianz, oder?
Herrmann: Ja, damals gab’s das schon in Filderstadt. Und die meisten Männer haben gesagt: „Hannelore, Du willst bloß nicht allein im Gemeinderat sitzen, deswegen willst Du die Frauenbeauftragte.“ So haben die Männer gewitzelt und sind über sie hergezogen.
Und später hat man versucht, Sie wieder wegzukriegen.
Herrmann: Ja, man hat ja auch Anträge in diese Richtung gestellt, die Stelle wieder abzuschaffen. Ohne Oberbürgermeister Bümlein wäre die Stelle sehr schnell wieder weg gewesen. Die gleiche Geschichte wie mit dem Frauenbeirat. Beantragt von der CDU wollten sie ihn, nachdem es gut lief, wieder abschaffen.
Dann hat also Frau Löhr damals einen richtigen Coup gelandet?
Herrmann: Ja, das kann man so sagen.
Später wollte man die Stelle ja sogar ganz abschaffen, oder?
Herrmann: Das war ja damals die Zeit, in der es um den § 218 ging. Da habe ich ja im Amtsblatt immer wieder meine Meinung kundgetan. Da kam dann in der Presse auch die Forderung auf, dass ich zurücktreten solle. Es hieß, ich sei untragbar.
Vor wenigen Jahren kam dann der Beschluss des Gemeinderats, dass Ihre Nachfolgerin nur eine Halbtagsstelle haben soll.
Herrmann: Das war ja im Rahmen der Zukunftssicherung. Ich habe mich ja nie an eine Hierarchie gehalten, habe aber immer die totale Rückendeckung von OB Bümlein gehabt. Also ich konnte wirklich arbeiten wie ich wollte. Aber der Etat ist Anfang der 90er Jahre trotzdem massiv gekürzt worden. Der Gemeinderat hat schließlich beschlossen, dass die Kürzung der Stelle erst dann erfolgt, wenn ich gehe. Die haben wahrscheinlich nicht gedacht, dass ich so lange bleibe. (Sie lacht.) Daraufhin habe ich eine Vorlage gemacht, dass die Stelle eine Vollzeitstelle bleibt. Das habe ich ein Jahr vor meinem Ausscheiden strategisch so vorbereitet.
Hatten Sie da schon vorgefühlt, ob Sie eine Mehrheit im Gemeinderat dafür haben?
Herrmann: Ja, man muss ja immer den richtigen Zeitpunkt abwarten. Ich habe erst einen Beschluss im Frauenbeirat herbeigeführt. Oberbürgermeisterin Dönig-Poppensieker war auch voll dafür und dann habe ich die Vorlage geschrieben.
Inzwischen heißt die Stelle nicht mehr Frauenbeauftragte sondern Beauftragte für Chancengleichheit. Haben sich die Aufgaben deswegen gewandelt?
Herrmann: Also 1988 war das noch reine Frauenarbeit, man sollte für die „armen Frauen“ was tun. Dann hat sich die Arbeit schon etwas gewandelt. Fünf Jahre später hieß es, es reicht nicht nur, in eine Richtung zu schauen, sondern man müsse beide Geschlechter mit einbeziehen.
Omran: Die Veränderung der Gleichstellungspolitik begann auch damit, dass man neue Arbeitszeitmodelle diskutiert hat. Damit hängt ja auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammen. Die betrifft auch die Verwaltung, sei es durch Teilzeit- oder Telearbeitsmodelle oder durch Jahreszeitkonten. Insofern hat sich die Gleichstellungsarbeit schon gewandelt.
Herrmann: Zur Entwicklung gehört auch, dass man inzwischen im Bereich häuslicher Gewalt aufseiten der Männer helfend tätig wird. Es werden auch Seminare für Männer angeboten. Themen wie Zwangsheirat waren damals noch gar nicht in unseren Köpfen. Auch die Lücke zwischen den Löhnen von Männern und Frauen ist verstärkt in Thema.
Omran: Die Entlohnungsfalle besteht nach wie vor. Der Unterschied liegt etwa bei 23 Prozent. Da gibt es auch nach wie vor Handlungsbedarf. Es gibt einfach Punkte, wo eine ungleiche Situation zwischen Männern und Frauen herrscht. Das ist dann häufig ein Problem, wenn die Familienplanung ansteht. Dann kommt es dazu, dass eher die Frauen zu Hause bleiben.
Frau Omran, Sie waren ja bisher in Tübingen die Beauftragte für Chancengleichheit. Weshalb sind Sie dann in die kleinere Stadt Filderstadt gegangen? War Herr Palmer nicht so nett zu Ihnen?
Omran: Nein, ich habe die Stelle ausgeschrieben gesehen und mich sehr gefreut, dass eine Stadt die Gleichstellungsstelle ausschreibt und zwar zu 100 Prozent. Und ich wusste, dass Edeltraud Herrmann in Filderstadt sehr gute Strukturen geschaffen hat. Darauf konnte ich gut aufbauen und hab’ mich darauf gefreut.
Sind Sie ein bisschen Fan von Frau Herrmann?
(Gelächter)
Herrmann: Eher umgekehrt. Zum Hintergrund: wir hatten ja knapp 200 Bewerbungen auf diese Stelle. Sogar aus New York hat sich jemand beworben. Dort gibt es einige Organisationen, in denen deutsche Beamtinnen arbeiten. Ich habe die Ausschreibung ja breit gestreut. Und ein Viertel der Bewerbungen waren Männer. Sie sehen, wie begehrt dieser Job hier ist.
Sie sagten ja vorher „eher umgekehrt“, also sind Sie ein Fan von Frau Omran?
Herrmann: Ich habe sie immer toll gefunden.
Sie kannten sich schon vorher?
Herrmann: Ja, ich habe auch die Vorgängerin von Frau Omran schon gekannt.
Omran: Die Gleichstellungbeauftragten sind vernetzt durch den Städtetag. Da trifft man sich eigentlich regelmäßig und dadurch kennt man sich.
Welche Aufgaben müssen denn jetzt in Filderstadt dringend angepackt werden?
Omran: Ich bin noch dabei, mich zu vernetzen, die Ämter und die Vereine kennen zu lernen. Ich möchte noch nicht mit einem Projekt an die Öffentlichkeit, bevor ich kein Konzept habe. Spannend ist, dass der Gemeinderat einen Beschluss zum Gender-Mainstreaming-Konzept gefasst hat. Nun möchte ich diesen Gender-Gedanken noch einmal aufgreifen und neu thematisieren. Wir hatten ja vorher überlegt, was sich verändert hat in der Gleichstellungspolitik. Früher gab es mehr Frauen- und Mädchenförderung. Dann ging es eher darum, gleiche Chancen zu entwickeln. Inzwischen geht es zwischen Männern und Frauen partnerschaftlicher zu als früher. Gleichzeitig bestehen aber nicht für beide die gleichen Chancen. Mit dem Gender-Mainstreaming-Konzept wird die Lebensorientierung von Männern und Frauen, von Alt und Jung, sowie von Migranten analysiert und daraus entwickle ich dann Maßnahmen. Ein anderes Thema wird auf jeden Fall „Frauen in Führungspositionen“ sein. Die Amtsleitungen und die Stellvertretungen sind in Filderstadt nach wie vor männlich dominiert. Schön wäre es auch, wenn man mit den Parteien ein Projekt vor den nächsten Gemeinderatswahlen aufgreift, dass auch mehr Frauen auf den Listen stehen können. Der Frauenbeirat besteht ja aus Stadträtinnen und Mitgliedern verschiedener Vereine. Dort habe ich ’mal abgefragt, welche Themen erörtert werden sollen.
Frau Herrmann, können Sie denn bei all diesen Aufgaben beratend zur Seite stehen?
Herrmann: Ich bin jetzt von der SPD für den Frauenbeirat benannt worden. So werde ich noch ein bisschen in diesem Bereich arbeiten. Meine Nachfolgerin will ich aber nicht beraten. Stellen Sie sich mal vor, was die Verwaltung sagen würde. Ich würde Hausverbot bekommen.
Sie wollten ja ursprünglich mehr als nur im Frauenbeirat sitzen und haben deshalb für den Gemeinderat kandidiert. Gilt man in so einem Fall in der Verwaltung nicht als Verräterin?
Herrmann. Ja, das ist klar. Bei den Bürgermeistern sagt man, sie sollten ein Jahr warten, bis sie für den Gemeinderat kandidieren. Ich habe mich mit dem Rechtsreferat beraten. Die haben gesagt, dass das gehen würde.
Einige aus der Verwaltung sagen, Pensionäre kennen zu viele Interna. Deshalb sollten sie uns nicht als Stadträte kontrollieren..
Herrmann: Ja, da gibt es schon eine gewisse Loyalitätspflicht. Ich hätte keine Interna preisgegeben. Aber ich weiß natürlich, wie der Hase hier läuft – und auch die Häsin. Das wissen auch viele und deshalb sind manche bestimmt froh, dass es nicht geklappt hat.