Öffentliche Anerkennung hatten Philipp Kovacs und Florian Pentzlin zur Genüge: Unter ihrer Ägide galt das Fellbacher Restaurant Goldberg als das beste in der Region Stuttgart. Nun zaubern sie wieder Menüs – allerdings im nicht-öffentlichen Restaurant von Dekra.
Es gibt eine gute Nachricht für Gourmets: Philipp Kovacs und sein Stellvertreter Florian Pentzlin stehen wieder in der Küche. Zwei Sterne haben sie für das Fellbacher Restaurant Goldberg erkocht, es galt bis zu seiner Schließung vor zwei Jahren als das beste in der Region Stuttgart. Auf einen Bürojob zogen sie sich beim Cateringunternehmen Rauschenberger daraufhin zurück. Die geregelten Arbeitszeiten passten den beiden Köchen gut, sie waren Väter geworden. Seit 8. Juli tischen sie nun wieder ihre Menüs auf, Abenteuer und Zukunft heißen sie wie im Goldberg. Allerdings kommen nicht mehr alle Gourmets in den Genuss ihrer Kochkunst, das ist die schlechte Nachricht, sondern nur die Mitglieder des Dekra-Club-Restaurants.
Für Regionalität und Saisonalität den zweiten Stern
Im Möhringer Industriegebiet knüpft Philipp Kovacs an alte Erfolge an. Für sein Konzept „Im Hier und Jetzt“ bekam er 2021 den zweiten Stern. Auf pragmatische Regionalität, ohne dogmatisch zu werden, Produkte der Saison und „eine weltoffene Aromatik“ setzt er auch an seiner neuen Wirkungsstätte. Die Kombination von Saibling mit geräuchertem Joghurt, Apfel und Dill aus dem Abenteuer-Menü wird Goldberg-Besuchern ebenso bekannt vorkommen, wie das Gericht aus Kohlrabi, Schwarzwald-Miso, Soja und Sesamblatt aus dem vegetarischen Menü namens Zukunft. Das Dessert mit Passionsfrucht, Tonkabohne, Karamell-Schokolade und Gurke stand in Fellbach ebenfalls auf der Speisekarte. Viele Club-Mitglieder waren schon im Goldberg zu Gast. Dass seine moderne Küche bei Dekra so gut angenommen wird, hat den 42-Jährigen trotzdem überrascht. Bei Markus Bischoff ging es klassischer zu – mit Gänseleber, Jakobsmuscheln mit Trüffeln, Steinbuttfilet oder rosa gebratenem Lamm.
Mit der Verpflichtung von Philipp Kovacs, der seine rechte Hand Florian Pentzlin gleich „doppelte Kompetenz“ mitbrachte, ist dem Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein (Dekra) also erneut ein guter Fang gelungen. Anders als sein Vorgänger muss er sich sicher nicht anhören, in „große Fußstapfen“ zu treten. Dabei hatte Markus Bischoff zwölf Jahre lang am Tegernsee einen Michelin-Stern gehalten, bevor er 2008 den Betrieb von Siegfried Keck übernahm. Aber damals galt Kecks Club Restaurant vielen Stuttgartern als beste Gastronomieadresse der Stadt – wegen des Essens und des exzellenten Services. Der weit herumgekommene Koch, der zuletzt als Küchenchef im Schlossgarten Hotel tätig war, etablierte die Haute Cuisine hinter verschlossenen Türen mit der Eröffnung des Lokals im Jahr 1990, als die Sterne noch nicht so üppig über Stuttgart leuchteten. Wie sein Vorgänger bewährte sich dann auch Markus Bischoff in dem Business Club als geselliger Patron mit einem feinen Gespür für die Wünsche seiner Gäste aus den Chefetagen der Unternehmen, der Politik und Stuttgarts Halbhöhenlage.
Nur in ausgezeichneten Restaurants gearbeitet
Philipp Kovacs begann seine Karriere im Adler in Asperg und kochte nur in mit Sternen ausgezeichneten Lokalen in der Schweiz, München und Portugal. Bei Rauschenberger wurde der gebürtige Heilbronner 2012 Küchenchef im Goldberg, drei Jahre später erhielt er seinen eigenen Stern. Florian Pentzlin stand ihm dort fast von Anfang an zur Seite. Dass das Dekra-Konzept die Prüfer von Michelin als Gäste ausschließt, ist für die beiden offenbar kein Problem. Ihre Sporen haben sie sich schließlich verdient, die öffentliche Anerkennung erhalten. Als der Caterer den Pachtvertrag für das Restaurant in der Schwabenlandhalle nicht verlängerte, fühlte es sich für sie an, als wäre eine Aufgabe, die ein Koch in seiner Laufbahn leisten muss, abgehakt.
Für die Aufgabe bei Dekra sind die beiden Spitzköche nun bestens qualifiziert. Neben dem Gourmetlokal sind sie nämlich für die Betriebskantine zuständig, in der 500 bis 800 Mitarbeiter der Prüfgesellschaft verköstigt werden, sowie für Konferenzen des Unternehmens. In der Schwabenlandhalle teilten sie sich mit der Catering-Brigade die Küche, stemmten zusammen Großveranstaltungen wie den Automobilsalon. Um Konzepte und Ausschreibungen kümmerten sie sich für Rauschenberger seit der Goldberg-Schließung. „Das direkte Gästefeedback vermisst man schon“, sagt er allerdings über seine Abstinenz vom Herd, die nur durch gelegentliche Pop-up-Events unterbrochen wurde.
Bei Dekra bekommt Philipp Kovacs wieder eine Bühne, auf der er seine Kreativität ausleben kann. „Wir brennen für das Projekt und machen es mit Leidenschaft“, sagt er. Ein großer Pluspunkt für den Wechsel sei außerdem das Team vom Markus Bischoff, das seine Arbeit mit Liebe mache. Dass das Restaurant zum Mittagessen geöffnet hat und abends nur für Feiern oder Veranstaltungen, kommt den Vätern sehr entgegen. Anders als Siegfried Keck und Markus Bischoff übernimmt Philipp Kovacs den Betrieb als Angestellter, weil er für die Selbstständigkeit nicht der Typ sei. Seine Herausforderung ist, ein jüngeres Publikum für das Club-Restaurant zu gewinnen, während sich für die 850 alt eingesessenen Gäste nichts ändern sollte. Beim letzten Wechsel vor 17 Jahren war noch von 1300 Mitgliedern die Rede.