Fast ein Vierteljahrhundert war Jürgen Köhler das Gesicht von Mövenpick im Raum Stuttgart. Nun ist er ein wenig vorzeitig in den Ruhestand gegangen. Sein Direktorenbüro übernimmt ein neuer Mann, mit Erfahrungen unter anderem aus München.
Stuttgart - Beim Hotel-Platzhirsch Mövenpick am Flughafen und am Messegelände gibt es einen Wechsel. Nach ungewöhnlich langer Dienstzeit dort ist der Direktor Jürgen Köhler nun in den Ruhestand getreten und wird vom Unternehmen durch Thomas Fischer ersetzt. Der scheidende Chef hatte an dem Standort nicht weniger als 24 Jahre und drei Monate als Hoteldirektor gearbeitet. Der Neue, noch keine 50 Jahre alt, war zuvor Berater für Hotelprojekte, davor General Manager des Steigenberger-Hotels München und noch früher in Hotels in London, Budapest und Moskau.
Warum es Köhler hier so lang ausgehalten hat? Das hatte, sagt er, nicht nur mit der Verwandtschaft in der Gegend und mit dem passenden Wohnumfeld für die Familie zu tun. Es sei eben spannend gewesen, es habe immer wieder neue Herausforderungen gegeben und es sei immer etwas passiert – „sonst wäre ich sicherlich weitergezogen“, sagt Köhler, der am 6. Mai seinen 64. Geburtstag feiern wird. Die Pandemie mit der Flaute im Gastgewerbe machte es ihm am Ende noch etwas leichter, in den Ruhestand zu treten. Doch angepeilt war die etwas vorgezogene Rente schon deutlich länger. Köhler hatte stets im Blick behalten, wann die 46 Jahre Berufszeit und Beitragszahlung in die Rentenkasse erfüllt sein würden.
Begonnen hatte seine Karriere – nach einem Realschulabschluss – mit einer Kochlehre in Sindelfingen. Sie endete als Direktor der beiden Mövenpick-Hotels Flughafen und Messe in Stuttgart mit einem angestrebten Umsatzvolumen vor Corona von 28 Millionen Euro im Jahr. Nach der Kochlehre folgten einige Stationen in Deutschland und insgesamt zehn Jahre in Hilton-Hotels in Montreal, Toronto und Edmonton (Kanada). 1991 zog es Köhler und seine Familie zurück, näher zur Verwandtschaft und zu seinen Wurzeln. Er ging zu Mövenpick und wurde Hoteldirektor in Bielefeld – ehe er 1997 ins damalige Messehotel von Mövenpick am Stuttgarter Flughafen mit 229 Zimmern in einem Altbau und mit 100 Mitarbeitern wechselte. Vier Jahre später stieg Köhler zum Regionaldirektor Süd-West auf und bekam auch die Verantwortung für zwei Hotels in Neu-Ulm und Frankfurt-Oberursel. 2007 übernahm er die operative Verantwortung für alle Mövenpick-Hotels in Deutschland und damit für 2700 Hotelzimmer und ein Umsatzvolumen von 110 Millionen Euro.
Vom Koch-Lehrling zum mehrfachen Hotelchef
Im Oktober 2007 nahm Köhler den Neubau des Mövenpick-Hotels Flughafen als Vier-Sterne-plus-Hotel in Betrieb. Das alte Messehotel von Mövenpick ging bald an einen anderen Betreiber – doch Köhler strebte ein neues Messehotel anstelle des alten Flughafen-Verwaltungsgebäudes an. Auch da wurde Mövenpick wieder Betreiber in einem Gebäude des Stuttgarter Unternehmens Stinag. Als es Anfang 2020 endlich fertig wurde, stand allerdings die Pandemie vor der Tür.
Die Erholung nach der Pandemie lässt auf sich warten
Seither haben die Mövenpick-Hotels wie andere Hotels Geschäftsreisende beherbergt, aber „sehr überschaubar“, sagt Köhler. Im September/Oktober herrschte zwar eine „kleine Euphorie“, dass der Betrieb in den beiden Häusern mit 588 Zimmern und großen Banketträumen sowie Konferenzräumen hochgefahren werden könnte – doch wenig später stellte sich mit dem zweiten Lockdown des öffentlichen Lebens wieder Depression ein. Die Erholung, sagt Köhler, hänge ab von der Erholung vor allem des Messewesens, aber auch der Luftfahrtbranche. „Sie wird kommen, aber es wird noch etwas dauern.“ Für die beiden Hotels seines ehemals ganz schweizerischen Arbeitgebers, die nun zur Hospitality German Proco GmbH gehören, ist er zuversichtlich. Aber das eine oder andere Mitbewerberhotel im Umfeld überlebe wohl nicht.
Die Pandemie hat auch die persönliche Bilanz von Köhler für seine Zeit in der Hotelbranche ein wenig getrübt, denn sie betreffe eben viele langjährige Mitarbeiter und Nachwuchskräfte. Allein am Flughafen Stuttgart hat Köhler im Lauf der Jahre 230 Azubis eingestellt. Wirklich bereut habe er seine Berufswahl aber nie, beteuert er. Sehr geprägt hätten ihn seine Jahre in Kanada. Das liegt nicht nur an der großartigen Landschaft, sondern vor allem auch an den offenen und freundlichen Menschen. Von ihnen könnten typische Schwaben mit strengem Blick auf die Nachbarn schon ein bisschen was lernen.
Zu tun werde er noch genug haben, sagt Köhler, der in Holzgerlingen wohnt. Er ist weiterhin ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Stuttgart. Und er will mit den früheren Azubis Kontakt halten und ihre Berufswege verfolgen, den Hund ausführen und natürlich wie eh und je mit dem VfB Stuttgart mitfiebern. Das hat er seit seiner Jugend intus. Seit sein Vater im Neckarstadion einen Wurststand betrieb.