Das Wasser rauscht durch Rohre in zwei Vorratsbecken. Von dort aus befördert die Schwerkraft es bis in die Häuser. Foto: factum/Bach

Die Gemeinde ist eine der wenigen, die sich selbst mit Wasser versorgt. Weil im Sommer die Vorräte schwanden, wird an Alternativen getüftelt.

Hildrizhausen - Der Betonwürfel im Wald ist strikt alarmgesichert. Sollte jemand seine Stahltüren aufbrechen, würde das Handy von Jörg Schütz rappeln. Wer den 3650 Hildrizhausenern Böses wollte, dem wäre der Bau, kaum größer als eine Grillhütte, die erste Anlaufstelle. Im Untergrund hinter ihm breiten sich die Wasserspeicher der Gemeinde aus. Hildrizhausen ist eine der raren Kommunen, die sich vollständig selbst versorgen. Schütz ist ihr Wassermeister. Bisher hatten nur Kollegen vergessen, die Anlage zu entschärfen, wenn sein Telefon Alarm schlug. Schütz fährt gerade Proben ins Labor. Sechsmal jährlich wird das Wasser auf seine Reinheit untersucht.

Die eigene Wasserversorgung „hat in Hildrizhausen Tradition“, sagt der Kämmerer Ralf Braun, „darauf sind wir auch ein bisschen stolz“. Sie hat auch einen schlichten Vorteil. 2,61 Euro zahlen die Stuttgarter für 1000 Liter Trinkwasser, 2,40 Euro die Böblinger, 1,85 Euro die Bundesbürger im Schnitt. In Hildrizhausen stehen 1,55 Euro auf der Abrechnung. „Es mag verwundern, aber in unserem Fall ist die kleinere Einheit die günstigere“, sagt der Kämmerer.

Im Inneren des Betonwürfels rauscht das Wasser aus Rohren

Im Inneren des Betonwürfels rauscht das Wasser aus Rohren. Es wird aus einem Zwischenbehälter nach oben auf den Rötelberg gepumpt. Von hier aus befördert die Schwerkraft es bis in die Häuser. Aufkleber informieren, dass die linke Wasserkammer zuletzt am 6. Februar gereinigt wurde, die rechte am 17. Februar. Von der Decke perlen Tropfen des Kondenswassers. In den Becken steht das Wasser 3,62 Meter hoch. 5,7 Liter pro Sekunde laufen gerade ins Tal. All dies ist auf einem Monitor zu lesen.

Allein schon, weil das Freibad befüllt werden will, fließt im Sommer weit mehr ins Tal. Weshalb ein Ende der Selbstversorgung droht, jedenfalls der vollständigen. Nach der Hitzewelle im Juni mit Temperaturen von 30 Grad war der Pegel bedrohlich gesunken. Der Bürgermeister Matthias Schöck erließ ein Verbot, Gärten zu wässern, Autos zu waschen und bestellte Notreserven in Tanks.

„Das oberste Ziel bleibt die Autonomie“, sagt Braun. Hildrizhausen will sich nicht ans Netz der Bodensee-Wasserversorgung anschließen lassen, des Marktführers in der Region, oder an das der Ammertal-Schönbuchgruppe, die Gemeinden in den Kreisen Böblingen und Tübingen versorgt. Der Gemeinderat hat zwei Probebohrungen in Auftrag gegeben, um neue Brunnen zu erschließen, was aber Tücken haben kann. 15 Jahre hatte es gedauert, bis der Brunnen im Betteltal ans Netz durfte, der bislang letzte von vier. Das Geologische Landesamt erhob Einspruch: Womöglich habe die Probebohrung einen begrenzten Vorrat angezapft, keinen sich erneuernden. Erst Jahre der Untersuchungen überzeugten die Experten. Auch hinter dem Ergebnis künftiger Bohrungen stehen Fragezeichen. Wegen Verwerfungen im Untergrund „erklären uns die Geologen, dass fünf Meter rechts oder links ein anderes Ergebnis haben können“, sagt Braun.

Der Kern des Problems ist der Klimawandel, vor allem im Winter

Hildrizhausen will wachsen. Ein neues Wohngebiet ist geplant, außerdem der Ausbau eines Gewerbegebietes. Der Wasserbedarf wird mitwachsen, aber dies ist nicht der Kern des Problems, sondern der Klimawandel, vor allem im Winter. „So wie im Moment ist es ideal“, sagt Braun. Wenn abwechselnd Schnee fällt und langsam abtaut, gelangt der Regen tatsächlich ins Grundwasser. Wolkenbrüche, auch noch so ergiebige, ergänzen die Vorräte nur mäßig, und wenn die Natur in Blüte steht, saugen die Pflanzen den Niederschlag ein.

1,3 Millionen Euro hat die Gemeinde über die Jahre in die Sanierung ihres Netzes investiert. Seit 2013 schien es, dass auf absehbare Zeit nur noch Routinearbeiten zu erledigen wären. Dazu zählt harte Handarbeit. Alle Schachtdeckel des 25 Kilometer langen Netzes müssen jeden Herbst gefettet werden, damit sie nicht zufrieren. Dann hätte die Feuerwehr keinen Zugang aufs womöglich lebensrettende Reservoir.

Immerhin besteht die Hoffnung, dass die Versorgungssicherheit billig wiederherzustellen ist. Womöglich reicht es schon, alte Brunnenschächte zu sanieren. Gewiss ist, dass die Hildrizhausener nur in letzter Not ihre Eigenständigkeit aufgeben werden, und wenn, nur in Teilen. Die letzte Lösung wäre, dass ein zusätzliches Rohr zum Becken unter dem Betonwürfel verlegt wird, durch das dann zusätzliches Wasser aus einem Versorgernetz fließt.