Über die Staumauer der Talsperre Leibis/Lichte (Thüringen) fließt ein künstlicher Wasserfall Foto: dapd

Im Schwarzwald geht ein Riss durch die Bevölkerung. Zwei neue Stauseen sollen gebaut werden.

Waldshut - Im Südschwarzwald geht ein tiefer Riss durch die Bevölkerung, weil ein Stromunternehmen zwei neue Stauseen bauen will. Grüne, SPD und Schwarzwaldverein lehnen das ab - dabei dient das Milliardenprojekt der Energiewende. Doch dagegen stehen örtliche Umweltinteressen: Ökologie contra Ökologie.

Die Planungen sind keine Gedankenspiele, sondern weit fortgeschritten. Bereits seit April läuft ein Raumordnungsverfahren, in dem alle ökonomischen, ökologischen, kulturellen und sozialen Aspekte zur Sprache kommen - und natürlich die Bedenken der Bevölkerung: Im Freiburger Regierungspräsidium stapeln sich die Einwendungen.

Derweil gehen auf Bürgerversammlungen die Wogen hoch. Kein Projekt wühlt die Menschen zwischen Basel, Waldshut und Titisee derzeit mehr auf - sieht man von der Hochrheinautobahn 98 einmal ab. Das ist auch kein Wunder, denn das Vorhaben der Schluchseewerk AG, zwei Staudämme auf unterschiedlichem Niveau zu bauen und diese mit einem Stollen zu verbinden, verändert die Landschaft tiefgreifend.

Stromunternehmen verspricht  die derzeit flexibelste Speichertechnologie

Pumpspeicherkraftwerk nennt sich diese Technologie, die nicht nur der Gewinnung, sondern auch der Speicherung von Energie dient. Denn nachts wird das Wasser vom Unter- ins Oberbecken gepumpt, um bei Bedarf blitzschnell zur Verfügung zu stehen.

Dieser Mechanismus ist umso wichtiger, je mehr Wind- und Sonnenkraftwerke es im Land gibt. Denn wenn diese beiden Energiequellen witterungsbedingt ausfallen, ist schneller und sicherer Ersatz notwendig. Solche Schattenkraftwerke dienen der Reserve, sie sollen Schwankungen im Stromverbrauch ausgleichen. Grundsätzlich kommen dafür auch Gaskraftweke infrage, Pumpspeicherkraftwerke sind jedoch ökonomisch und ökologisch überlegen.

Sie seien "die derzeit flexibelste Speichertechnologie zur Bereitstellung von Regelenergie", heißt es in einem Gutachten, das die Schluchseewerk AG, eine Tochter von RWE und EnBW, bei der Deutschen Energieagentur in Auftrag gegeben haben.

"Der Bauherr hat eine Bringschuld"

Die Wissenschaftler kommen darin zum Schluss, dass das Pumpspeicherkraftwerk Atdorf - so sein offizieller Name - einen "nachweislichen energiewirtschaftlichen Nutzen" hat. Dazu mache es den Strom billiger und trage zur Einsparung von Kohlendioxid bei. Auch das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik vergibt das Prädikat "empfehlenswert".

Energiepolitisch liegen die Bauherren damit exakt auf der Linie der Grünen. "Wir brauchen bessere Stromnetze, aber auch mehr Ausgleichsleistung", sagt der Fraktionsvize im Landtag, Franz Untersteller. Wenn der Anteil an regenerativer Energie wachse, und an dieser Tendenz gebe es keinen Zweifel, steige auch der Bedarf an Speicherkapazität.

Eine ganz andere Frage ist es für den Abgeordneten, ob ein solcher Speicher ausgerechnet beim Weiler Atdorf gebaut werden muss. "Ob das der richtige Standort ist, kann ich nicht von Stuttgart aus entscheiden", sagt der Grünen-Politiker, der in den vergangenen Wochen mehrere Gespräche mit seinen Parteifreunden im Südschwarzwald geführt hat. Die nämlich lehnen das Projekt kategorisch ab. Sie fürchten nicht nur um die Thermalquellen in Bad Säckingen, sondern monieren vor allem die Veränderung des Landschaftsbilds.

"Ein intakter, alter, hochwertiger Waldbestand soll einem Becken weichen", heißt es in der Einwendung ans Regierungspräsidium. Die Bad Säckinger Grünen weisen auch auf den Widerspruch hin, dass für Windräder in der Region aus touristischen Gründen ein Baustopp besteht, für Staudämme jedoch nicht - dabei benötigt jedes der beiden Becken 60 Hektar Fläche.

"Der Bauherr hat eine Bringschuld"

Auch die Waldshuter SPD spricht sich nach einem "sehr schwierigen und langen Abwägungsprozess" gegen das Pumpspeicherkraftwerk aus. Das Hauptargument lautet, die Konzerne versuchten, ihre überschüssige Energie zwischenzulagern. "Atomstrom wird durch das Pumpspeicherkraftwerk zu grünem Strom gewaschen", sagt die Ex-Abgeordnete und Chefin der Kreistagsfraktion, Karin Rehbock-Zureich.

Dabei hatte die SPD das Projekt anfangs gelobt. Ein Widerspruch, auf den der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Dörflinger genüsslich hinweist. Doch der Frontverlauf ist diffus und geht quer durch Familien und Vereine. Während sich etwa der örtliche Spitzengastronom Winfried Zumkeller touristisch viel von Atdorf verspricht, sagt der einflussreiche Schwarzwaldverein Nein. Begründung: Die Gesamtbelastung für die Region sei zu hoch.

Die Schluchseewerk AG beschwichtigt nach Kräften und verweist auf die umweltschonende, weil unterirdische Bauweise der Speicherbecken und die geplanten Renaturierungsmaßnahmen. Außerdem sei vom Landratsamt Waldshut eine ökologische Begleitgruppe eingerichtet, in der auch Umweltschützer vertreten seien.

Auch die 350 Arbeitsplätze dienen als Argument - und nicht zuletzt die Ziele der Energiewende. "Wenn man von weiter her auf das Projekt schaut, ist es absolut notwendig", sagt Julia Liebich von der Schluchsee AG. Auch die Landesregierung begrüßt Atdorf "ausdrücklich".

Landschafts- und Klimaschutz: Kann man beide Interessen noch in Einklang bringen? "Der Bauherr hat eine Bringschuld", meint der Grünen-Politiker Untersteller. Die Schluchseewerk AG müsse begründen, warum es ausgerechnet dieser Standort sein müsse. Er spielt damit auch auf die Planungen für die Trasse der A98 an, die durch dasselbe Tal verläuft. Stausee und Straße, das ist für die Grünen einfach zu viel.