Irans Botschaft in Washington steht seit 1979 leer – immerhin kümmert sich der US-Staat um sie. Foto: AP

Manche Staaten lassen ihre diplomatischen Vertretungen in der US-Hauptstadt leer stehen und verkommen.

Washington - Das große Gebäude an der Ecke 22nd und R Street sticht hässlich aus dieser sonst so gehobenen Washingtoner Gegend hervor. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt, Schlafsäcke und leere Flaschen liegen vor den Eingängen, und aus dem Asphalt auf dem leeren umzäunten Parkplatz sprießt das Unkraut. Schon seit zehn Jahren haben sich Nachbarn und örtliche Politiker bitter über den Zustand des Hauses beklagt, das früher einmal das pakistanische Konsulat war. Aber die Stadt konnte nichts tun, so lange das Gebäude vom US-Außenministerium als diplomatisches Eigentum eingestuft war. Diese Klassifizierung ist jetzt aufgehoben worden, aber das Haus steht immer noch verwahrlost da – eines der extremsten Beispiele für die Auswüchse eines starren diplomatischen Protokolls, wie es – so sagen manche – nur in der US-Bundeshauptstadt Washington möglich ist.

Ratsmitglied Mary Cheh kann ein Lied davon singen. Sie vertritt Ward 3, einen Stadtteil mit gleich mehreren solcher problematischen Anwesen, unter anderem im Besitz der Regierungen von Serbien, Sri Lanka, Kamerun und Argentinien. Und viele dieser Gebäude liegen in den mondänsten Gegenden, zum Beispiel in Sheridan-Kalorama, wo Ex-Präsident Barack Obama sowie Präsidententochter Ivanka Trump leben. Jüngst ist auch Außenminister Rex Tillerson zugezogen, und Amazon-Eigentümer Jeff Bezos hat sich hier ein Riesenhaus gekauft.

Der Stadtrat ist machtlos

Angesichts dieser illustren Einwohnerliste erscheinen die verwahrlosten Gebäude als um so größere Schandflecke – und trotzdem ist der Stadtrat machtlos, kann nicht die vielen Instrumente einsetzen, die er sonst im Umgang mit einem Hausbesitzer hat, der sich nicht um sein Eigentum kümmert. Dazu gehört etwa ein mehrstufiges Besteuerungssystem: 65 Cents pro 100 Dollar des geschätzten Wertes für normale, fünf Dollar pro 100 Dollar für leerstehende und zehn Dollar für vernachlässigte oder gar verwahrloste Anwesen. Aber diplomatisches Eigentum ist davon ausgenommen. „Wenn sich das Außenministerium nicht dahinter klemmt, können diese Länder (denen die Gebäude gehören) uns wirklich hinhalten“, beklagt Cheh.

Stadtrat Jack Evans pflichtet bei. Normalerweise könne er die Polizei anrufen, wenn ein leeres Haus zu einem Problem werde, sagt er. Dann könne das Gebäude aufgeräumt, eingezäunt und, wenn nötig, im Fall unbezahlter Steuern beschlagnahmt werden. „Ich habe eine Menge Werkzeuge in meinem Werkzeugkasten. Aber ich habe diese Werkzeuge nicht zur Verfügung, wenn es sich um ein diplomatisches Eigentum handelt.“

Auch das Außenministerium hat nicht viele Optionen. Es sei weitgehend an Bestimmungen in der Wiener Konvention von 1961 über diplomatische Beziehungen gebunden, erläutert Cliff Seagroves, geschäftsführender Leiter der für Auslandsvertretungen zuständigen Abteilung in der Behörde. Einem Anwesen den diplomatischen Status zu entziehen sei ein extremer Schritt, der eine diplomatische Krise und Vergeltungsmaßnahmen gegen amerikanisches Eigentum im Ausland hervorrufen könne. Man müsse die Besorgnisse der örtlichen Bevölkerung gegen diese Risiken abwägen.

Der Schamfaktor ist ein wichtiges Druckmittel

Und weil das so ist, freut man sich im State Department oft, wenn es negative Schlagzeilen in den Medien über diese vernachlässigten Gebäude gibt, wie Seagroves eingesteht. „Oft ist der Schamfaktor unser wirkungsvollstes Werkzeug, um diese Probleme zu lösen.“

Im Fall des pakistanischen Konsulats an der R Street zeichnet sich nun zwar ein Erfolg ab, aber er ist auch ein Beispiel dafür, wie schlimm die Dinge werden müssen, bis sich das Außenministerium zum Handeln durchringt. Seagroves zufolge baute Pakistan in Washington eine neue Botschaft, und der gesamte diplomatische Mitarbeiterstab zog dort ein. Das alte Gebäude blieb leer zurück.

Über Jahre hinweg gab es Beschwerden, zumal das Gebäude auch zum Magnet von Hausbesetzern wurde. Schließlich setzte das Außenministerium Pakistan eine Frist, sich um das Eigentum zu kümmern. Als diese abgelaufen und nichts geschehen war, entzog die Behörde dem Anwesen im Februar 2016 den Status als diplomatisches Eigentum und ließ die Stadtverwaltung das Gebäude so behandeln wie jedes andere in Washington. Bis Juni 2017 häufte Pakistan Steuerschulden von 70 000 Dollar an und erhielt wiederum eine Frist, diese zu begleichen.

Pakistan will sein Gebäude renovieren, so lautet der Plan

Wie die pakistanische Regierung der Nachrichtenagentur AP sagte, wird jetzt an einem Plan zur Renovierung des Gebäudes gearbeitet. Pakistan bemühe sich um eine „freundschaftliche Lösung der Angelegenheit“. Zugleich wurde jedoch auch betont, dass diplomatischer Besitz von der Steuer ausgenommen sei – was anscheinend die Tatsache ignoriert, dass der entsprechende schützende Status in diesem Fall entzogen wurde.

Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum die betreffenden Gebäude nicht mehr bewohnt werden. So steht etwa die ehemalige Teheraner Botschaft leer, seit die USA und der Iran 1979 ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben. Das Gebäude wird jetzt von der US-Regierung instandgehalten. In einem anderen Fall, so Seagroves, gab ein Außenministerium an, dass „die Kosten für die Renovierung eines bestimmten Eigentums in Washington so hoch sind wie das gesamte Jahresbudget für die Instandhaltung seiner diplomatischen Vertretungen in aller Welt“.