Zum Glück nur Spiel: Der Schwertkampf der Ritter der Gruppe Excalibur aus Berlin. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Die Faszination für das Mittelalter erreicht nun auch Stuttgart. Das zeigt aktuell das erste Staufer-Spektakel im Reitstadion. Dabei werben die Mittelalter-Fans auch darum, dass man ihr Hobby ernst nimmt. Sie wollen nicht als Spinner abgetan werden.

Stuttgart - Der Tag beginnt mit einer Katzenwäsche. Zumindest im Lagerbereich des ersten Staufer-Mittelalterspektakels im Reitstadion am Cannstatter Wasen, das am Donnerstag eröffnete und noch bis Sonntag geht. Denn hier, im Lagerbereich, meinen es die Mittelalter-Fans ernst damit, für ein paar Tage aus dem Alltag ins Mittelalter abzutauchen. Sie verkleiden sich, wobei dieser Begriff unter dem Mittelaltervolk verpönt ist. „Gewanden heißt das hier“, weiß Veranstalter Karl Göbel, der auch für das Staufer-Mittelalterspektakel in seinem Heimatort Göppingen verantwortlich ist, das dort seit zwölf Jahren stattfindet.

Göbel hofft, dass auch das Fest in Stuttgart zu einer festen Größe wird. „Das Reitstadion ist mit seinem Sandboden ideal als Kulisse geeignet“, sagt er, „wir hoffen, dass sich die Veranstaltung hier zwischen Volks- und Frühlingsfest etabliert.“ Der Eintritt kostet Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren zwölf Euro. Eigentlich hätte Göbel am liebsten schon 2016 in Stuttgart Premiere gefeiert. Aber da machten ihm Flüchtlingszelte einen Strich durch die Rechnung.

Rund 600 Fans sind gekommen

Das Mittelaltervolk wohnt freiwillig in Zelten. Rund 600 Mittelalter-Fans sind permanent vor Ort. Etwa 80 davon sind Händler oder Aussteller, die meisten aber Rollenspieler, häufig sehr geschichtsinteressiert, die sich als Ritter, Soldaten oder Kaufleute geben. Wie viele Schaulustige während der Tage kommen werden, darüber kann Karl Göbel nur spekulieren: „Tausende, nehme ich an.“ Fakt ist: Das Mittelalter-Flair wird ein wenig durch Smartphones gestört, mit denen die Besucher ihre Eindrücke in Bilder bannen. Und auch die Selfies mit Männern in Ritterrüstung, feinen Burgfräulein oder lustigen Gauklergesellen feiern Hochkonjunktur.

Obwohl das Michael Braig schmeichelt, herrscht im Lager der Freyen Rittersleut zu Randingen, wie es in korrektem Mittelalter-Deutsch heißt, Handyverbot. „Es geht vor allem um Entschleunigung, die Einfachheit des mittelalterlichen Lebens. Ohne all die elektronischen Helferlein“, sagt Braig, der Vorstandsmitglied des Vereins Freye Rittersleut zu Randingen ist. Und es gehe um die Gemeinschaft und die Brauchtumspflege.

Keine Nachwuchsprobleme

Simplizissimus trifft offenbar den Zeitgeist. „Unsere Mitgliederzahlen sind stabil, Probleme, wie sie viele andere Vereine haben, kennen wir nicht“, die Jugendabteilung boome, sagt Michael Braig. Knapp 50 Mitglieder, die vor allem im Raum Renningen leben, zähle der Verein.

Aus erster Hand weiß da Jan König zu berichten. Der 18-Jährige interessiert sich für Geschichte und fühlt sich gut aufgehoben im Ritterzelt: „Es ist schön, mit richtigem Feuer zu kochen.“ Seine Klassenkameraden wissen größtenteils von seinem außergewöhnlichen Hobby – und finden es spannend. Hausieren geht er mit seinem Mittelalter-Faible trotzdem nicht. Dafür werben Karl Braigs Töchter für den mittelalterlichen Lebensstil. Anschaulich wird er für Außenstehende abermals vor allem dank Smartphones und sozialen Netzwerken. „Dort teilen sie, wie es bei uns zugeht.“ Wie Camping, nur eben ein bisschen anders.

Turniere als Höhepunkt

Die Beobachtung, dass die Mittelalter-Fans von der breiten Masse weniger belächelt werden als einst, macht auch Veranstalter Karl Göbel. Auch wenn er sich mit seinem Leinenpullover ins Bild einfügt, sieht er die Sache als Geschäftsmann etwas nüchterner. Da will natürlich auch ein Rahmenprogramm auf die Beine gestellt sein, das möglichst viel Publikum auch außerhalb der Szene anlockt.

Höhepunkte sind die täglichen Ritterturniere, bei denen sich die Gruppe Excalibur aus Berlin Schaukämpfe liefert und sich in anderen Ritter-Disziplinen misst. Auf zwei Bühnen spielen Bands mittelalterliche Folk-Musik, und Artistengruppen wie die Flugträumer bieten Feuershows.

Bei all dieser Lebensfreude dürfe aber eins nicht vergessen werden, sagt Michael Braig von den Rittersleut zu Randingen. „Das Mittelalter war ein dunkles Zeitalter. Unser Spiel hat damit wirklich nicht viel zu tun.“