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Es grenzt an ein Wunder: Ein vierjähriger Junge, dem die Waschmaschine einen Arm abriss, überlebte ohne medizinische Soforthilfe. Ein Arzt hat dafür eine plausible Erklärung.

Ulm - Es grenzt an ein Wunder: Ein vierjähriger Junge, dem die Waschmaschine einen Arm abriss, überlebte ohne medizinische Soforthilfe. Ein Arzt hat dafür jedoch eine plausible Erklärung: Bei einem Kind ziehen sich die Gefäße sehr schnell zu. Ein älterer Patient mit verkalkten Gefäßen wäre wahrscheinlich verblutet.

Dabei handelt es sich um keine schöne Geschichte. Ein Junge, vier Jahre alt, spielt -warum auch immer - mit der Waschmaschine. Die Maschine ist defekt, die Tür ausgebaut. Der Junge greift hinein, da setzt sich die Trommel in Bewegung und reißt ihm den linken Arm ab. Der elfjährige Bruder bekommt das Drama mit - und legt den abgerissenen Arm ins Gefrierfach. Seinen kleinen Bruder bringt er ins Bett, die Mutter lässt er schlafen. Es ist schon spät.

Als sie am nächsten Morgen ihre Jungs wecken will, trifft sie fast der Schlag. Neun Stunden sind inzwischen vergangen - zu viel für die Ärzte der Notaufnahme, die umgehend aufgesucht wird. Sie können das Amputat nicht wieder annähen. Aber immerhin können sie das Leben des Jungen retten, was nach Ansicht vieler an ein Wunder grenzt. Nicht so für den operierenden Chirurgen: "Bei einem Vierjährigen sind die Gefäße noch weich und elastisch, sie ziehen sich sehr schnell zu", erklärt Martin Mentzel. Wie mit einem Pfropfen wird die Wunde verschlossen. Ein älterer Patient mit verkalkten Gefäßen wäre wahrscheinlich verblutet. Hinzu kommt: Im Oberarm befindet sich nur eine Arterie. Ein abgerissener Arm ist insofern besser als ein abgerissenes Bein. Dort gibt es mehr Gefäße.

Der Einfall mit dem Gefrierfach war indes keine gute Idee, meint Mentzel (was der Elfjährige sich dabei gedacht haben mag, seinen Bruder ins Bett zu stecken und die Mutter schlafen zu lassen, bleibt wohl sein Geheimnis). "Ein abgerissenes Glied gehört in ein Taschentuch oder in ein Handtuch gewickelt", erläutert Mentzel. Um dieses stülpt man dann eine wasserdichte Plastiktüte, die man in einen Beutel mit Eiswasser steckt, empfiehlt er. "Entscheidend ist, den direkten Kontakt mit Kühlmitteln zu vermeiden." Sonst entsteht das, was man bei Lebensmitteln Gefrierbrand nennt. Eiskristalle zerstören das Gewebe.

Doch auch eine fachmännische Aufbewahrung hätte dem Jungen seinen Arm nicht wieder zurückgebracht. Zwischen Abtrennen und Wiederannähen dürfen maximal vier Stunden vergehen. Bei kleineren Gliedern wie Fingern auch sechs bis acht Stunden. Auf die Frage, wie der Armlose die Nacht überstehen konnte, hatten die Ulmer Mediziner am Donnerstag noch keine eindeutige Erklärung parat. Vermutlich half ihm aber auch hier sein junges Alter. "Ein kindliches Gehirn kann schreckliche Ereignisse viel leichter ausblenden", sagt Kliniksprecher Portius.

Ermittlungen gegen die Mutter wegen einer möglichen Verletzung der Aufsichtspflicht werde es nicht geben, teilte die Polizei mit. Die Frau habe ihre Kinder am Abend ordnungsgemäß ins Bett gebracht und habe sich anschließend selbst schlafen gelegt. Gegen Mitternacht machten sich die Jungs wieder auf die Beine. Die Polizei spricht von einer "normalen, unauffälligen Familie".

Sie interessiert sich vielmehr für die Frage, wie die Waschmaschine anspringen konnte, obwohl die Klappe für die Reparatur abmontiert war. Ein Gutachter ist beauftragt. Experten schütteln den Kopf: "Nein", sagen sie, "das dürfte eigentlich auch bei einem defekten Gerät nicht gehen, da gibt es bei den meisten Modellen eine Sicherung." Auch nach Einschätzung der baden-württembergischen Verbraucherzentrale darf sich eine Waschtrommel im Normalfall nicht in Bewegung setzen, solange die Tür geöffnet ist. Bei einer ausgebauten Türe könne aber unter Umständen die Sicherung unterbrochen sein. Details zur Ulmer Maschine wurden aber nicht bekannt. Bislang deutet alles auf einen technischen Fehler hin. Bis zu einem Ergebnis der Sachverständigen können Wochen vergehen.