Mit wem wird Kanzlerin Merkel regieren? SPD-Chef Schulz will wohl gern Minister werden, Außenminister Gabriel will das bleiben. Aber so einfach ist das nicht. Foto: dpa

SPD-Chef Schulz will wohl Minister werden, Sigmar Gabriel Minister bleiben. Beide hüllen sich aber besser in Schweigen. Denn Schulz hat das Gegenteil versprochen. Und Gabriel kann in der SPD kaum noch einer leiden. Über die Karrierepläne zweier Männer, die mal Freunde waren.

Berlin - Der beliebteste Minister der SPD ist viel beschäftigt. Soll keiner sagen können, Sigmar Gabriel sei als geschäftsführender Chefdiplomat der Republik auch nur eine Sekunde nachlässig gewesen in Ausübung seiner Pflicht. Am Dienstag leitete der Außenminister bei den Koalitionsverhandlungen aufseiten der SPD die Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik, am Mittwoch steht, mal eben so zwischendurch, ein kurzer Israel-Trip an. Abends zurück in Berlin, am Freitag ab 9 Uhr wieder Koalitionsverhandlungen, weitere Reisen sind in Planung. Es scheint, als wolle Gabriel allen beweisen, dass er unverzichtbar im Kabinett ist, sollte sich die SPD dazu durchringen, abermals in eine Koalition mit der Union einzutreten.

Das Dumme ist nur: Die SPD hat ihn satt. Seine treuen Fans in der Partei könnte man getrost unter Artenschutz stellen. Er weiß das, kennt den Laden besser als die meisten Genossen. Auf dem Bundesparteitag, der mit hauchzarter Mehrheit die Tür zu Koalitionsverhandlungen öffnete, half Gabriel den Groko-Befürwortern deshalb mit ungewöhnlicher Zurückhaltung: Er schwieg. Jedes Wort aus seinem Munde wäre für die Parteispitze eine Bedrohung gewesen. Man hatte zuvor auf einem Landesparteitag in Sachsen-Anhalt ja gesehen, was ein Gabriel-Auftritt anrichten kann. Gabriel warb für die Groko, der Parteitag stimmte knapp dagegen. In der Parteispitze sind sie davon überzeugt, dass es anders ausgegangen wäre, hätte Gabriel sich diesen Auftritt verkniffen.

Gabriel wollte mit seiner Schweigsamkeit auf dem Bundesparteitag vermutlich weniger der Parteispitze einen Gefallen tun wollte als vielmehr sich selbst. Denn Gabriel hat nur dann eine minimale Chance, als große Nummer der Bundespolitik im Spiel zu bleiben, wenn es der ebenfalls schwer angeschlagene Parteichef Martin Schulz schafft, die SPD in eine große Koalition zu schleppen. Und selbst dann ist die große Frage, ob Schulz seinem einstigen Kumpel den Steigbügel für ein Ministeramt hält.

Das Verhältnis zwischen den beiden ist extrem abgekühlt. Schulz ist nicht entgangen, dass Gabriel noch während des Wahlkampfs in internen Runden über dessen Kampagne lästerte. Schulz revanchierte sich, indem er seinem Vorgänger vorwarf, dass dieser ihm vor gut einem Jahr ein völlig desillusioniertes und unvorbereitetes Team im Willy-Brandt-Haus vor die Füße geworfen habe.

Auch Schulz ist geschwächt

Aber auch Schulz kann nicht schalten und walten, wie er will. An Gabriels Fähigkeiten haben selbst seine größten Kritiker nichts auszusetzen. Im Außenamt setzte der Niedersachse, der zuvor schon Umwelt- und Wirtschaftsmister war, bemerkenswerte Akzente, auch wenn er zuletzt wegen deutscher Panzerlieferungen an die Türkei schwer unter Beschuss geriet, weil das Kriegsgerät offenbar gegen Kurden eingesetzt wurde. Gabriel genießt außerdem das Vertrauen von Kanzlerin Angela Merkel.

Schulz ist außerdem nicht in der Position, sich selbst als überlegene Alternative zu präsentieren. Ihn lähmt vor allem sein einst gegebenes Versprechen, unter keinen Umständen in eine große Koalition und schon gar nicht in ein Kabinett unter Führung von Kanzlerin Merkel einzutreten. Trotzdem ist seit Tagen immer wieder zu hören, dass Schulz gar nicht daran denke, auf einen Ministerposten zu verzichten, obwohl ihn Mitglieder der engeren Parteiführung dem Vernehmen nach dazu drängten. Aber für ihn kann es wegen der angespannten Stimmung in der Partei nur eine Marschroute geben: bloß nicht öffentlich über Posten, schon gar nicht über die eigenen Karrierepläne reden. Nicht, bevor die Mitglieder abschließend über den Koalitionsvertrag abgestimmt haben.

Als sicher gilt, dass die SPD das Finanzministerium beansprucht, das nach dem Kanzleramt in europapolitischen Fragen die größte Gestaltungsmacht hat. Das Ressort wäre wie gemalt für den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Schulz, der sich als großer Europäer in Szene setzen könnte. Manche spekulieren in der Partei, ob nicht Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz die bessere Wahl wäre – für den Fall, dass Schulz doch noch verzichtet. Das Umfeld des Hamburgers ist allerdings bemüht, dessen Ambitionen auf das Finanzressort kleinzureden. Dass neben dem Finanzministerium auch noch das Außenministerium an die SPD geht, ist wenig wahrscheinlich. Und wenn Schulz bei der Postenvergabe nicht auch noch sein Versprechen brechen will, das Kabinett jünger und weiblicher zu machen, ist für Gabriel kaum noch Platz. Der kann dann als Abgeordneter von der Seitenlinie aus das Treiben der Ministerriege kommentieren. Für Schulz auch keine angenehme Aussicht.