Beate Luz, die Leiterin des Instituts für Transfusionsmedizin, vor dem Vollautomaten für die Corona-Tests. Foto: Lichtgut/ Leif Piechowski

Es werden in Stuttgart mehr Abstriche auf das Coronavirus getestet. Besonders die Krankenhäuser brauchen mehr Testkapazität für ihr Personal und für Patienten, die ins Pflegeheim sollen.

Stuttgart - Peter Müller ist im Corona-Stress. Nicht wegen seiner eigenen Lage, aber wegen der seines Sohnes und seiner Ehefrau. Sein 21 Jahre alter Sprössling hatte im Betrieb Kontakt zu einem Kollegen, der inzwischen positiv auf das Coronavirus getestet worden ist. „Er zeigt deutliche Symptome, aber ohne Fieber“, sagt Müller über seinen Sohn, der mit einer Krankschreibung zu Hause ist. Auch der 64-Jährige hat „ein bisschen Husten und ein Kratzen im Hals“.

Aber auch das wäre halb so schlimm, wenn nur nicht Peter Müllers Frau in einer Altenpflegeeinrichtung in Stuttgart arbeiten würde. Nicht erst seit in einer Pflegeeinrichtung in Würzburg neun alte Menschen an dem Coronavirus starben, ist man sich der Gefahr für die oft hochbetagten und sehr kranken Menschen bewusst. Weil aber der Arbeitgeber der 61 Jahre alten Pflegekraft, die auch einen leichten Husten hat, darauf bestand, dass sie zur Arbeit kommt, hat sich die Familie an eine Rechtsanwältin gewandt. Als der Arbeitgeber unterschreiben sollte, dass er über die Situation seiner Mitarbeiterin informiert sei, hat er eingelenkt.

Auf der Suche nach Klarheit

Jetzt ist Peter Müllers Ehefrau wenigsten für eine Woche von ihrem Arzt krankgeschrieben worden. „Man stelle sich vor, sie würde arbeiten und darauf sterben Leute – sie würde doch ihres Lebens nicht mehr froh werden“, sagt ihr Mann. Um Klarheit zu bekommen, ging die Familie in die Fieberambulanz im alten Reitstadion, um Sohn und Mutter testen zu lassen. So hatten es der Hausarzt und das Gesundheitsamt wenigstens für den Sohn geraten. Nach langem Warten dicht an dicht in einem Container, zogen die Müllers aber unverrichteter Dinge von dannen. Die Familie passte offenbar nicht in das derzeit geltende Testraster.

Die Stadtverwaltung betonte am Montag auf Nachfrage: „Es wird in Stuttgart viel getestet“, so Sprecher Sven Matis. Er unterstrich: „Tests sollen Klarheit schaffen. Klarheit ist nötig, wo ein gesundheitliches Risiko besteht.“ Deswegen liege das Hauptaugenmerk bei Tests auf Menschen mit schwereren Krankheitsverläufen, auf Risikogruppen und auf Menschen, die direkten Kontakt zu einem Erkrankten hatten und auch Symptome aufweisen, sowie auf Menschen, die in der kritischen Infrastruktur tätig seien. Bei manchen Menschen mache ein Test auch wenig Sinn, so Matis, weil er keine Konsequenz hätte, da diese einfach zu Hause bleiben und die Krankheit auskurieren müssten.

Testkapazität weiter erhöht

Es ist nicht anzunehmen, dass Familie Müller damit zufrieden ist. „Wenn wir wenigstens wüssten, dass mein Sohn kein Corona hat, wären wir beruhigt“, sagt Peter Müller. „Es geht doch um die Sicherheit für andere“, betont er. „Aber überall wird man abgeblockt. Wir sind mit den Nerven am Ende.“

Dabei setzt die Stadt darauf, „künftig noch mehr zu testen“, sagt Sven Matis. Deswegen würden die Kapazitäten fortlaufend ausgebaut. Erst am Montag ist in der Blutzentrale des städtischen Klinikums ein vollautomatisches Gerät zur molekularen Diagnostik von Corona-Abstrichen in Betrieb gegangen. Der Automat wird sonst zur Untersuchung von Blutspenden auf HIV, Hepatitis B, C und E verwendet, wurde jetzt aber umgerüstet. Die Maschine soll pro Tag etwa 100 Abstriche auswerten, bei ausreichendem Personal und genug Reagenzien könnten daraus sogar 500 Proben täglich werden.

Klinikmitarbeiter müssen getestet werden

Die kämen dann zu den etwa 500 Tests hinzu, die gegenwärtig in den Laboren des städtischen Klinikums, des Marienhospitals, im Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) und in Privatlaboren erreicht werden. „Wir haben in Stuttgart noch Kapazitäten“, sagt Mark Dominik Alscher, der medizinische Geschäftsführer des RBK. Aber die benötige man auch angesichts des wachsenden Bedarfs an Corona-Tests, erklärt er.

Da sind zum einen die Klinikmitarbeiter, die regelmäßig getestet werden müssen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. So sind in jedem der Häuser stets 20 bis 30 Kräfte in Quarantäne, etwa eine Handvoll von diesen ist jeweils positiv getestet. In der Regel haben sie sich in ihrem privaten Umfeld angesteckt. In allen Stuttgarter Krankenhäusern wird nur noch mit Mundschutz gearbeitet.

Mehr Erkrankte in den Kliniken

Und natürlich müssen heute alle Patienten, die in den Krankenhäusern aufgenommen werden, auf das Virus getestet werden. Dazu kommt jetzt noch, dass nach einem Erlass des Sozialministeriums Pflegeheime verlangen, dass Patienten, bevor sie dorthin gebracht werden können, zwei negative Corona-Tests vorweisen müssen. „Auch dafür brauchen wir mehr Testkapazität“, sagt Mark Dominik Alscher. Es erweise sich für die Krankenhäuser, die ja wegen der Corona-Krise Betten freihalten sollen, als wachsendes Problem, Patienten in Altenheime oder in Reha-Einrichtungen zu überstellen.

Derweil nimmt die Zahl der Corona-Infizierten in den Stuttgarter Krankenhäusern weiter zu, auch die der schweren Fälle. Inzwischen liegen im Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) elf Personen, die positiv getestet wurden, dazu 16 Verdachtsfälle. Zwei der Erkrankten sind auf einer Überwachungsstation, zwei sogar auf Intensiv. „Die Zahlen nehmen zu“, sagt Alscher.

Mehrere Beatmungspatienten

In den anderen Krankenhäusern in der Stadt sind die Zuwächse ähnlich deutlich. Im Marienhospital etwa seien inzwischen 16 bestätigte Infektionsfälle stationär aufgenommen worden, dazu zwölf Verdachtsfälle, zwei Patienten werden auf der Intensivstation betreut. „Die Zahlen steigen langsam, aber stetig“, sagt Rainer Kruse, der Pressesprecher des Marienhospitals.

Im Klinikum der Stadt habe man derzeit „eine niedrige zweistellige Zahl an Corona-Patienten stationär aufgenommen“, sagt Pressesprecher Hartmut Kistenfeger. Davon würden „vier intensivmedizinisch versorgt, zwei davon sind kritisch erkrankt“.

Im Diakonie-Klinikum liegen von sechs Patienten, die mit dem Coronavirus infiziert sind, vier auf der Intensivstation, zwei werden beatmet, sagt Frank Weberheinz, der Pressesprecher des Diakonie-Klinikums. „Die Lage hat sich leicht verschärft.“