Michael Fassbender in der Rolle des Assassinen Aguilar, der gegen die Templer kämpft. Foto: Verleih

Enttäuschung für Spielefans: „Assassin’s Creed“ mit Michael Fassbender und Marion Cotillard setzt die lange Reihe der misslungenen Verfilmungen von Videospielen fort.

Stuttgart - Wer ein bisschen in der Schule aufgepasst hat, merkt natürlich sofort, dass die Überschrift dieses Artikels bei einer Komödie William Shakespeares geklaut ist, und fragt sich wahrscheinlich, was um Himmels willen die Verfilmung eines Videospiels, bei dem es vor allem darum geht, durch alte Gemäuer zu klettern, über Abgründe zu hüpfen, herumzuschleichen und jede Menge Gegner zu meucheln, mit den Werken des großen englischen Dramatikers zu tun hat. Darauf gibt es mehrere Antworten. Eine lautet: Kurz bevor der Australier Justin Kurzel „Assassin’s Creed“ verhunzt hat, scheiterte er bereits großartig mit einer Verfilmung von Shakespeares „Macbeth“ (auch hier spielten Michael Fassbender und Marion Cotillard die Hauptrollen). Eine andere: Alles dramatische Erzählen hat heute doch irgendwie mit Shakespeare zu tun.

Eine Zeitreise, die ins Spanien des 15. Jahrhundert führt

„Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Fraun und Männer bloße Spieler“, lässt Shakespeare zum Beispiel den Melancholiker Jacques in „Wie es euch gefällt“ sagen. Zwar wusste der Mann aus Stratford-upon-Avon um 1600 noch nichts von Open-World-Szenarien, von interaktiven Plots und Franchise-Unternehmen, die mal Comics, mal Trivialromane, mal Kinofilme, mal Videospiele zur Bühne ihrer Helden machen. Dennoch beschreibt dieser Satz präzise die Möglichkeiten des Erzählens im Zeitalter der Interaktion und der Mehrfachverwertung von Erfolgsstoffen – und damit gleich auf mehreren Ebenen den Film „Assassin’s Creed“, der an diesem Dienstag in Deutschland ins Kino kommt.

Oberflächlich betrachtet ist „Assassin’s Creed“ ein Zeitreisethriller: Cal Lynch (Michael Fassbender) erkundet mithilfe des monströsen Animus-Computers für zwei Wissenschaftler (Marion Cotillard und Jeremy Irons) sein genetisches Gedächtnis, durchlebt die Erinnerungen seines Vorfahren Aguilar, der im 15. Jahrhundert in Spanien gelebt hat. Aguilar war ein Assassine, dessen Aufgabe es war, das Geheimnis des freien Willens vor dem mächtigen Templerorden zu verstecken. Mit Cals Hilfe wollen die Templer jetzt endlich das Rätsel lösen. Wenn sich Cal den Körper seines Vorfahren in Form eines Avatars aneignet, wird er somit selbst zur Figur eines Spiels, dessen Regeln er nicht versteht.

Das Spiel „Assassin’s Creed“ hat Maßstäbe gesetzt

Das erste „Assassin’s Creed“-Spiel kam 2007 auf den Markt und setzte Maßstäbe für das Action-Adventure-Genre – auch durch die selbstreflexive Grundstruktur: Der Spieler steuert eine Figur (im Original ein Barkeeper namens Desmond Miles), die in ihren Erinnerungsreisen wiederum selbst eine Figur durch das Heilige Land des 12. Jahrhunderts steuert. Die Missionen, die sich aneinanderreihen, bestimmen die Dramaturgie des Spiels. Justin Kurzel macht nun den Fehler, diese serielle Erzählform, die in einem interaktiven Medium Sinn ergibt, für seinen Film zu übernehmen.

Wie fast sämtliche Videospiele-Verfilmungen zuvor (von „Far Cry“ über „Doom“ bis „Warcraft“) misslingt „Assassin’s Creed“, weil es dem Drehbuch nicht gelingt, sich von der Vorlage zu emanzipieren. Man wird stattdessen von einer Mission zur nächsten gezerrt, zwar ändern sich Zeiten und Schauplätze, das Muster ist aber stets dasselbe, und eine Mission erst dann abgeschlossen, wenn – wie im Spiel – ein Endgegner besiegt ist. Wie schon in „Macbeth“ kann Justin Kurzel auch diesmal mit seinem Stoff nicht wirklich etwas anfangen.

Charakterdarsteller der Lächerlichkeit preisgegeben

In seinem Shakespeare-Film genügte es ihm, den Text schroff-schön zu bebildern. In „Assassin’s Creed“ scheint es ihm nur darum zu gehen, die Spielästhetik filmisch mit spektakulären Kameraschwenks, -fahrten und -flügen sowie grandiosen Perspektivwechseln nachzuahmen. Das Ergebnis ist ein ironiefreier Film, der dem Spiel nicht gerecht wird; ein Film, der zwar Schauwerte, aber keine Geschichte hat, der Charakterdarsteller wie Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons, Brendan Gleeson und Charlotte Rampling mit seinen Dialogen der Lächerlichkeit preisgibt. Der Rest ist Schweigen.