Die von Renate Wikarski (links) und Henriette Pansold auf der CMT angebotenen Früchte sehen aus wie Orangen. In Wahrheit sind es Minneolas, die vom sonnigen Israel aus den Weg über die raue Alb in die Stuttgarter Messehallen gefunden haben. Foto: Horst Rudel

Das Angebot erfreut sich großer Beliebtheit am Israel-Stand auf der CMT. Doch wer glaubt, im Korb glänzen Orangen zu greifen, der irrt. Es sind Minneolas, die über den Umweg über die Schwäbische Alb nach Stuttgart gekommen sind.

Lenningen/Stuttgart - Wer sich am Stand des Staatlichen Israelischen Verkehrsbüros auf der CMT aus dem Korb mit den dort angebotenen Südfrüchten bedient, wird Opfer eines süßen Etikettenschwindels. Es sind keine Orangen die dem Besucher da orangefarben entgegenlachen. Es sind Minneolas.

Raimund Dieterich aus Lenningen muss es wissen. Schließlich haben die Südfrüchte aus dem Heiligen Land ihren Weg auf die Fildern über den Albweiler Hochwang gefunden. Von dem Lenninger Teilort aus beliefert Dieterich nicht nur die jüdischen Gemeinden in der Region mit koscheren Waren aus Israel, sondern seit rund einem Jahrzehnt auch den Israel-Stand des Staatlichen Verkehrsbüros auf der Stuttgarter Caravan- und Touristikmesse CMT.

„Unsere Orangen sind sehr begehrt. Wir haben Stammgäste, die kommen seit Jahren nur ihretwegen zu uns“, sagt Renate Wikarski, die den Israel-Stand in Halle 4 gemeinsam mit ihrer für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Kollegin Henriette Pansold betreut. Minneolas oder Orangen – das nehmen die beiden nicht so genau. Die Kunden offensichtlich auch nicht. Für sie zählt nur der kleine Jaffa-Aufkleber, der für Qualität bürgt.

Kreuzung aus Grapefruit und Mandarine

„Minneolas sind eine Kreuzung aus Grapefruit und Mandarine. Sie zeichnet sich durch ein besonders saftiges Fruchtfleisch aus“, erklärt Dieterich. Äußerlich sind die schmackhaften Südfrüchte, die seit mehr als 80 Jahren auf dem Markt sind, durch den charakteristischen Knubbel am Stielansatz leicht von einer Orange zu unterscheiden. Ihre wahre Stärke spielen die Früchte erst in gepresstem Zustand aus. Minneolas safthaltiger als Orangen und zeichnen sich durch eine Süße aus, die von einer angenehm herben Note begleitet wird.

Während Renate Wikarski am 16 Quadratmeter großen CMT-Stand mangels Budget zu ihrem Bedauern nur zwei bis drei Kisten am Tag ordern kann, kann sich Raimund Dieterich schon jetzt auf die Internationale Tourismusbörse in Berlin vorbereiten. Auf der im März stattfindenden Leitbörse der Branche buhlen die Israeli auf dann 900 Quadratmetern um die Aufmerksamkeit der Tourismus-Fachleute aus aller Welt – auch mit Minneolas aus Hochwang.

Dem Kaufmann aus Lenningen kann es recht sein. Der vor allem im Internet florierende Handel mit Waren aus Israel sichert dem 1959 gegründete „Hochwanger Lädle“ inzwischen das Überleben. Mit dem klassischen Tante-Emma-Angebot allein kann Dieterich in dem knapp rund 700 Einwohner zählenden Ort auf der Schwäbischen Alb nicht überleben – mit dem florierenden Israel-Geschäft wohl. „Wir haben einen Durchlauf von zwei bis drei Tonnen Früchte pro Woche“, sagt Dieterich.

Stetig wachsender Kundenstamm

Der Kundenstamm wächst langsam, aber stetig. „Wir haben pro Woche rund 50 neue Kunden“, sagt der 53-Jährige, der die ehemalige Bäckerei Mitte der 1980er-Jahre von seinen Eltern übernommen hat. Vor allem in der Zeit vor Weihnachten hat der Familienbetrieb an der Belastungsgrenze gearbeitet. Die israelischen Unternehmen, die in Deutschland ihre Kontakte pflegen wollen, geben dann in Hochwang individuell zusammengestellte Geschenkpakete mit Waren aus dem Gelobten Land in Auftrag. Jenseits der Wintermonate profitiert der Hochwanger Israel-Spezialitäten-Shop von der steigenden Nachfrage nach Datteln. Die süßen Früchte haben in den vergangenen Jahren eine steile Karriere als Power-Food hingelegt. Im Windschatten dieses Erfolgs segelt auch der Spezialitäten-Versand aus Hochwang mit, der allein vier unterschiedliche Sorten von getrockneten Datteln feil bietet.

In rund zwei Wochen erwartet Raimund Dieterich die erste Fuhre „richtiger“ Jaffa-Orangen, die vom sonnenverwöhnten Israel über den Seeweg und einen niederländischen Importeur auf die raue Alb kommen. Dann heißt es wieder im Akkord die Kisten umpacken, portionieren und verschicken. Den Versand kann der Kaufmann gleich selbst in die Hand nehmen. Das Lädle in der Weilerstraße beherbergt praktischerweise eine Postagentur – und das schon seit dem Jahr 1993. „Wir waren damals die zweite Postagentur, die in Baden-Württemberg eingerichtet wurde, und die erste im Landkreis Esslingen“, sagt Raimund Dieterich.