Rund zwei Drittel aller Männer leiden im Alter unter erblich bedingtem Haarausfall. Viele Mittel versprechen Abhilfe – doch ihre Wirkung ist kaum belegt. Foto: obs/Dr. Wolff-Forschung/Shutterstock

Vermeintliche Wundermittel gegen Haarausfall gibt es viele. Doch kaum eines gilt wissenschaftlich betrachtet als wirksam. Nun wecken Forscher neue Hoffnungen: Mit dem Aroma von Sandelholz.

Manchester - Haarausfall ist eigentlich etwas ganz Normales. Jeder Mensch verliert täglich etwa hundert Haare. Denn ein Haar hat im Durchschnitt eine Lebensdauer von zwei bis sechs Jahren. Danach fällt es aus, ein neues wächst nach – oder auch nicht. Gründe für diesen Haarverlust gibt es genug: Krankheiten, Hormone oder eine Veranlagung. Mit etwa fünfzig Jahren hat etwa die Hälfte der Männer und Frauen schon Haarausfall erlebt: Bei Männern sind es Geheimratsecken und ein kahler werdender Hinterkopf, bei Frauen ist es eher lichter werdendes Haar ganz allgemein. Und vielen Menschen macht der Haarverlust sogar psychisch stark zu schaffen, zeigen Umfragen.

Mittel und Lotions, die diesen Haarverlust aufhalten und ihn sogar ins Gegenteil verkehren sollen, gibt es ebenfalls reichlich. Doch deren Wirkung gilt als umstritten. Aloe vera gilt als beliebtes Hilfsmittel, Koffeinshampoo, Ginseng, Kieselerde oder Keratin, beispielsweise in Shampoos. Doch bei all diesen Mitteln ist die Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen, urteilt zum Beispiel auch die Stiftung Warentest.

Menschliche Haarwurzelzellen haben Gesuchsrezeptoren

Nun hat ein internationales Forscherteam einen Ansatz gefunden, mit dem tatsächlich Haare zum Wachsen angeregt werden könnten: So stimuliert ein synthetischer Sandelholz-Duftstoff im Labor das Wachstum menschlicher Haarfollikel. Wie das Forscherteam um Ralf Paus von der University of Manchester und Jérémy Chéret vom Monasterium Laboratory in Münster schreibt, haben menschliche Haarwurzelzellen Geruchsrezeptoren, die von den synthetischen Sandelholz-Duftstoffen Sandalore und Brahmanol aktiviert werden. Die sogenannten Haarfollikel können also quasi riechen.

Bekannt ist schon seit längerem, dass Geruchsrezeptoren in bestimmten Zellen der menschlichen Haut die Wundheilung beeinflussen. Die Forscher wollten nun herausfinden, ob dieser Rezeptor möglicherweise auch beim Haarwachstum eine Rolle spielt. Um diese Frage zu klären, isolierten die Forscher aus menschlichen Kopfhautproben die Haarfollikel und kultivierten sie im Labor. Die Haarfollikel sind Einstülpungen in der Oberhaut, in denen die Haare heranwachsen. Die Forscher stimulierten die Rezeptoren mit dem synthetischen Sandelholzduft und untersuchten die darauffolgenden Reaktionen in den Haarfollikeln. Ihre Analysen zeigten, dass der Sandelholz-Duftstoff die Wachstumsphase des Haares verlängerte, indem es das Absterben der Keratinozyten-Zellen im Haarfollikel reduzierte und die Produktion eines Wachstumsfaktores in der äußeren Schicht des Haarfollikels ankurbelte.

Synthetische Sandelholz-Duftstoffe könnten für die Behandlung helfen

Der Rezeptor stelle einen möglichen Ansatzpunkt für die Entwicklung eines Mittels gegen Haarausfall dar, schreiben die Forscher aus Münster. Das Ergebnis einer ersten klinischen Studie deutet darauf hin, dass Sandalore gegen Haarausfall wirkt, jedoch sei die Aussagekraft aufgrund der geringen Teilnehmerzahl bislang beschränkt. Im Monasterium Laboratory in Münster läuft derzeit noch eine größere Studie, die dieses Ergebnis verifizieren soll. Ergebnisse werden zum Jahresende erwartet. Für die Behandlung von Haarausfall sei es denkbar, einen Botenstoff, der dem synthetischen Sandelholz-Duftstoff ähnele und an den entsprechenden Rezeptor binde, auf die Kopfhaut aufzubringen. Tatsächlich würde aber nur diese synthetische Variante von Sandelholzöl funktionieren – nicht das Sandelholzöl, das man in Parfümerien oder Drogerien bekäme.

Schon 2014 fanden Forscher der Ruhr-Universität Bochum heraus, dass Hautzellen einen Riechrezeptor für Sandelholzduft besitzen. Geruchsrezeptoren gehören zu einem evolutionär sehr alten chemischen Signalsystem. Sie entstanden lange bevor die Geruchswahrnehmung selbst entstand und finden sich auch in Geweben außerhalb der Nase, berichten die Forscher. Docken passende Botenstoffe an die Rezeptoren an, löst das eine chemische Signalkette in den dazugehörigen Zellen aus. Das kann zur Wahrnehmung eines Geruchs führen – oder auch zu ganz anderen Reaktionen. Bekannt ist etwa, dass der OR2AT4-Geruchsrezeptor in bestimmten Zellen der menschlichen Haut die Wundheilung beeinflusst.

Ursache von Haarausfall klären – nur wenige Wirkstoffe helfen tatsächlich

Grundsätzlich sei es empfehlenswert, die Ursache von Haarausfall abzuklären, raten Dermatologen – denn Auslöser können nicht nur Veranlagung sein, sondern auch Krankheiten, Mangelernährung, Medikamente, Hormonschwankungen oder Stress. Von Haarausfall spricht man dann, wenn einem mehr als 100 Haare pro Tag ausfallen. Hält dieser Zustand wochenlang unvermindert an, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen. Kreisrunder Haarausfall sollte immer ärztlich abgeklärt werden. Kommt es im Rahmen von Vernarbungen der Kopfhaut zu Haarausfall, ohne dass eine Verletzung der Kopfhaut zugrunde liegt, sollte ebenfalls ein Arzt aufgesucht werden. Hierfür können Autoimmunreaktionen verantwortlich sein.

Nach einem Urteil der Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest können zwei Wirkstoffe tatsächlich helfen beziehungsweise den Haarausfall bremsen: das rezeptpflichtige Finasterid in Tablettenform und das rezeptfreie Minoxidil. Allerdings seien Langzeitfolgen einer Daueranwendung von Finasterid umstritten und die Langzeitverträglichkeit – insbesondere bei jungen und gesunden Männern – sei nicht abschließend geklärt. Das Präparat ist daher nur mit Einschränkung geeignet. Das Präparat ist daher laut Stiftung Warentest nur mit Einschränkung geeignet, ebenso wie Minoxidil. Die Wirksamkeit von Kombinationspräparaten aus Glukokortikoid und anderen Stoffen seien bei Haarausfall bei Frauen nicht ausreichend nachgewiesen und somit wenig geeignet. Und auch für die Wirksamkeit teurer Spezialshampoos, etwa mit Koffein oder Keratin, gebe es demnach keine hinreichenden wissenschaftlichen Nachweise. Zwar hat Koffein Haare in Laborversuchen durchaus schon zum Wachsen angeregt, doch inwieweit das tatsächlich auch am menschlichen Körper wirke, zumal bei sehr kurzer Einwirkzeit von Shampoos, sei nicht ausreichend belegt.

Doch auch wenn es bislang noch kein Wundermittel geben Haarausfall zu geben scheint: Ein Team Ralf Paus von der University of Manchester hatte Anfang des Jahres https://journals.plos.org/plosbiology/article/comments?id=10.1371/journal.pbio.2003705" target="_blank">in der Fachzeitschrift „PLOS Biology“ bereits einen anderen Wirkstoff vorgestellt, der als Mittel gegen Haarausfall eingesetzt werden könnte. Dabei handelte es sich um ein Mittel, das eigentlich zur Behandlung von Osteoporose (Knochenschwund) eingesetzt wird. Die Forschung macht also Hoffnungen.