Die ICE-Strecke zwischen Stuttgart und Mannheim wird von April bis Oktober 2020 saniert – das wirkt sich auch auf die Fahrzeiten aus. Foto: dpa

Die Bahn erneuert von 2019 an die zentrale Hauptstrecke von Hannover bis Stuttgart. Für Reisende im Fernverkehr bedeutet das Umleitungen, Zugausfälle und längere Fahrzeiten.

Berlin - Nach fast 30 Jahren Dauerbetrieb startet die DB Netz AG nächstes Jahr die Generalsanierung der ICE-Pisten Hannover–Würzburg und Mannheim–Stuttgart. Bis 2023 fließen 825 Millionen Euro in die Erneuerung der ältesten deutschen Hochgeschwindigkeitsstrecken, die 1991 eröffnet wurden. Es wird deshalb fast bundesweit erhebliche Einschränkungen für Fahrgäste geben, vor allem längere Fahrzeiten und volle Züge.

DB-Netz-Chef Frank Sennhenn spricht von einem „Kraftakt“, mit dem die zwei Paradestrecken fit für die nächsten Jahrzehnte gemacht werden sollen. Erneuert werden in fünf Etappen Gleise, Weichen und Signaltechnik. Streckenabschnitte werden dazu komplett gesperrt. Die Kunden sollen möglichst früh über die Maßnahmen, Umleitungen, Zugausfälle und längere Fahrzeiten informiert und Zeitkarteninhaber teils auch entschädigt werden. Details stehen noch nicht fest.

Baumarathon startet im Juni 2019

Der Bau-Marathon startet am 11. Juni 2019 mit der Totalsperrung zwischen Hannover und Göttingen. Die Züge werden durch das Leine-Tal über Northeim und Elze umgeleitet, laut Bahn bis zu 45 Minuten länger unterwegs sein und teils auch ganz ausfallen. Am 14. Dezember 2019 soll diese erste Bauetappe abgeschlossen werden.

Danach geht es vom 10. April bis 31. Oktober 2020 zwischen Stuttgart und Mannheim weiter. Auch hier gibt es eine Totalsperrung, damit 190 Kilometer Gleise und Weichen, 315 000 Schwellen und 200 000 Tonnen Schotter ausgetauscht werden können. Allein für diesen Abschnitt sind 185 Millionen Euro Kosten veranschlagt.

Längere Fahrzeiten wird es wegen dieser Sanierungen im Süden unter anderem zwischen Stuttgart und Frankfurt, Köln sowie Berlin geben. Konkrete Umleitungs- und Fahrplankonzepte seien noch in Arbeit, teilte die Bahn mit.

Züge werden länger unterwegs sein

Im Jahr darauf soll die Strecke Göttingen–Kassel folgen (23. April bis 15. Juli 2021), dann Fulda–Würzburg (2022) und zuletzt Kassel–Fulda (2023). Zwischen Hannover und Würzburg erneuert die Bahn während der vier Bauetappen insgesamt 532 Kilometer Gleise, 224 Weichen, 800 000 Schwellen und 500 000 Tonnen Schotter. Diese Maßnahmen kosten rund 640 Millionen Euro.

Nach Bahnangaben werden wegen des Bau-Marathons im Norden die Fernzüge unter anderem zwischen Hamburg und Frankfurt, Berlin und Frankfurt sowie Hamburg und München je 30 bis 45 Minuten länger unterwegs sein. Von Frankfurt/Main nach Hamburg sowie Berlin werde es zudem „Kapazitätseinschränkungen“ geben, also weniger Züge und zu Stoßzeiten noch mehr Gedränge.

Die ICE-Piste von Hannover bis Würzburg ist mit jährlich mehr als 15 Millionen Fahrgästen die Hauptmagistrale des Schienenfernverkehrs in Deutschland. Seit der Eröffnung 1991 waren laut DB 420 Millionen Reisende auf dieser Strecke unterwegs, die 327 Kilometer lang ist, 63 Tunnel durchquert und über 49 Brücken führt.

Im deutschen Schienennetz wurde lange zu wenig investiert. Es gibt deshalb einen großen Sanierungsstau, viele Engpässe, veraltete Technik, baufällige Brücken und Tunnel sowie noch nicht elektrifizierte oder gar eingleisige Strecken. Deutschland liegt im internationalen Vergleich weit hinter Ländern wie der Schweiz. Die Alpenrepublik steckt pro Einwohner ein Vielfaches der hiesigen Investitionen in das Bahnnetz.

Lange wurde wenig investiert

Inzwischen hat die DB Netz AG, die für den Staat die Infrastruktur verwaltet und dafür jedes Jahr viele Milliarden Euro Steuergeld erhält, eine große Modernisierungsoffensive gestartet. Zuvor hatte unter anderem der Bundesrechnungshof mehrfach kritisiert, dass das Bahnnetz auf Verschleiß gefahren und bei Instandhaltung und Sanierung zu sehr gespart werde.

Auch Eisenbahnbundesamt hatte interveniert

Auch das Eisenbahn-Bundesamt hatte hinter den Kulissen interveniert und im Frühjahr 2016 sogar per Verfahren die sehr kurzfristige Teilsanierung und Sperrung der ICE-Strecke Hannover–Kassel wegen massiver Abnutzungsprobleme durchgesetzt, was bundesweit zu Verspätungen im Schienenverkehr führte und viele Reisende verärgerte. Die DB behauptete damals, man habe erst kurzfristig durch Gutachten vom Sanierungsbedarf und bröselndem Schotteruntergrund erfahren.

Tatsächlich kannte der Konzern die Probleme schon mindestens sieben Jahren, wie interne Unterlagen belegten. Trotzdem wurde die Grundsanierung immer wieder verschoben. Ein Bahn-Sprecher betont nun auf Anfrage, es sei damals um Probleme auf bestimmten Abschnitten mit schwierigem Untergrund gegangen. Für die jetzt angekündigten Grundsanierungen gebe es keine Anordnungen der Bahnaufsicht.