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Am Sonntag wird gewählt, und auch persönlich steht für Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier eine Menge auf dem Spiel. Ein Blick auf die Job-Optionen.

Berlin - Am Sonntag wird gewählt, und auch persönlich steht für Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier eine Menge auf dem Spiel. Ein Blick auf die Job-Optionen von Kanzlerin und Vizekanzler.

Wenn ein Hürdenläufer auf den letzten Metern anfängt, über seine Schrittfolge nachzugrübeln, hat er verloren. Wahlkämpfer sind Hürdenläufer. Die müssen den Tunnelblick haben. Alles auf Sieg. Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) machen da keine Ausnahme. Nur nicht an eine mögliche Niederlage denken. Und doch. Einer von ihnen wird sich am Sonntag damit befassen müssen. Ihr Wahlkampf ist auch ein Tanz über dem Abgrund.

Es ist das zweite Mal, dass Angela Merkel versucht, ein bürgerliches Bündnis mit den Liberalen zu schmieden. Und beide Male waren die Vorbedingungen großartig. Aber 2005 vergeigte die Union mit einer ungeschickten Strategie den sicher scheinenden schwarz-gelben Erfolg. Und auch diesmal scheint alles gerichtet: Das Wahlvolk müsste genug haben von der sich zäh mühenden Großen Koalition. Aber erneut schmilzt der Vorsprung für Schwarz-Gelb.

Um die Kanzlerschaft muss Merkel wohl nicht bangen. Das nicht. Aber es würde schlagartig ungemütlich für die bislang unangefochten regierende Merkel, reichte es erneut nicht für ein christlich-liberales Bündnis. Darüber macht sie sich auch keine Illusionen. So weit reicht die christdemokratische Solidarität sicher nicht. Die Schuld an der Pleite würde ihr angelastet - ihr allein.

Nicht zu Unrecht. Der geradezu überirdisch unkonkrete und ganz auf ihre Person zugeschnittene Wahlkampf ist ihre Erfindung. Aus der CDU-Führung gab es immer wieder Stimmen, die ein härteres Anpacken des politischen Gegners forderten. Die CSU hat gerade mit ihrem Sofortprogramm gezeigt, wie sie sich Wahlkampf denkt. Und das Programm ist ein herrliches Alibi: An uns hat es nicht gelegen. Auch andere machen ihrem Unmut Luft. Roland Koch donnerte gestern, man könne nicht "von der Zuschauertribüne aus gewinnen", um dann hintergründig anzufügen: Das gelte "für die CDU-Führung wie für jeden CDU-Anhänger". Aber eigentlich gilt es nur Merkel.

Es ist klar: Scheitert das schwarz-gelbe Projekt, wird sich Merkel nicht mehr lange der Stimmen erwehren können, die gezielt ein Argument streuen werden: Die Union brauche neben der in die Zwänge einer neuerlichen Großen Koalition eingebundenen Kanzlerin eine authentische Stimme der Partei, die "CDU pur" vertreten könnte.

Merkel hat das erkannt. Und weil sie Gefahr läuft, so den CDU-Vorsitz zu verlieren, will sie dem Gegrummel auf andere Art die Spitze brechen. Offenbar soll ein Generalsekretär installiert werden, der ein deutlich konservativeres Profil hat als der Amtsinhaber Ronald Pofalla. Im Gespräch ist neben dem Noch-Verteidigungsminister Franz Josef Jung der smarte niedersächsische CDU-Fraktionschef David McAllister. Für Merkel wäre das bitter. Ihre Version von einer gesellschaftspolitisch reformierten Union könnte sie mit beiden Kandidaten vergessen. Käme es ganz schlimm, steht auch der Partei-Vorsitz zur Disposition.

Auch in einer zweiten Großen Koalition wäre Merkel permanent vom Wohlwollen Frank-Walter Steinmeiers abhängig. Für den ist die Große Koalition inzwischen eine Machtoption, mit der er weiterleben kann. Käme eine Neuauflage dieses Bündnisses zustande - wenngleich mit Merkel an der Spitze -, hätte Steinmeier sein erklärtes Wahlziel erreicht: eine Union-FDP-Regierung verhindern. Das ist das Wahlkampf-Mantra einer SPD, die auch dagegen ankämpft, eins ihrer schlechtesten Wahlergebnisse einzufahren. Gelänge es ihm, Merkel/Westerwelle außen vor zu halten, wäre das reine Wahlergebnis für die SPD fast zweitrangig. Siegen durch Verhindern.

Mit Steinmeier siegen? Die Strategen im Willy-Brandt-Haus halten das TV-Duell Steinmeier gegen Merkel für den Durchbruch ihres Kandidaten. Am 13. September hatte er einen Auftritt, der besser war als erwartet, während die Kanzlerin blasser blieb als befürchtet. Auf satte 18 Prozent Zuspruch stieß Steinmeier an jenem Abend in der wichtigen Zielgruppe der bis dahin unentschlossenen Wahlberechtigten.

Könnte Steinmeier die SPD also in der Großen Koalition halten, blieben ihm die Jobs Vizekanzler und Außenminister erhalten. Allerdings ist er auch als Fraktionsvorsitzender im Gespräch. Eine Herkulesaufgabe: Amtsinhaber Peter Struck geht in Rente, die Fraktion wird so links wie lange nicht mehr, und Steinmeier fehlt es an dem in der SPD erklärtermaßen wichtigen Stallgeruch. Den würde er auf dem Posten des Strippenziehers und Koordinators sicher annehmen. Zudem bekäme er einen tieferen Einblick ins Gemüt der Sozialdemokratie, woran sich auch seine Reputation in der Bundestagsfraktion entschiede.

Einen fetten Strich durch die Rechnung kann Steinmeier nur ein derart schlechtes Wahlergebnis machen, das die SPD nicht nur aus allen denkbaren Machtkonstellationen heraushält, sondern auch ins Bodenlose stürzt. Im November schon steht der Parteitag in Dresden an, wo sich das Schicksal Steinmeiers und des Vorsitzenden Franz Müntefering entscheiden würde. Spätestens dann würden die Parteilinken einen inhaltliche wie personellen Neuanfang einfordern. Ohne Steinmeier läuft dagegen gar nichts mehr, wenn er wider alle Erwartungen eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen hinbekäme - mit ihm als Kanzler.