Foto: Piechowski

Die Tochter meiner Freundin ist zweieinhalb, und immer wenn man sie fragt, was sie gerade macht, kommt die Antwort "Leute kucken".

Die Tochter meiner Freundin ist zweieinhalb, und immer wenn man sie fragt, was sie gerade macht, kommt die Antwort "Leute kucken". Ich bin schon etwas älter als zweieinhalb, aber auch ich verbringe Stunden mit Leutekucken.

Mein Hobby, ich nenne es Glotzen, betreibe ich überall. Am liebsten allerdings auf der Freitreppe gegenüber dem Neuen Schloss - auch jetzt noch, nachdem sie umgebaut wurde. Nirgendwo laufen in kürzester Zeit so viele Menschen vorbei, die man ungeniert beobachten kann. Ich hole mir ein Eis, wahlweise auch ein Bier und glotze. Stundenlang. Manchmal allein, manchmal in Gesellschaft, was zugegebenermaßen noch spannender ist, weil man sich über die Beobachtungen austauschen kann. Außerdem ist man bei so viel Durchgangsverkehr froh über jedes weitere Augenpaar. Zu hoch ist die Gefahr, die voluminöse Mittfünfzigerin in Leopardenleggins und pinken Lackschuhen zu verpassen.

Die Passanten hingegen bemerken gar nicht, dass sie angegafft werden. Sie sind entweder damit beschäftigt, Einkaufstüten zu schleppen, sich mit ihrem Partner zu streiten oder ihre Kleidung zurechtzuziehen. Manche tun das auch alles gleichzeitig.

Der Dauerbrenner meiner voyeuristischen Sucht aber ist ein Inlineskater in orangefarbener Radlerhose und Kopftuch. Fast täglich schlängelt er sich um Kinder, Demonstranten, Straßenkünstler und andere Glotzer. Manchmal so knapp, dass er den Kindern das Eis aus der Hand ins Gesicht skatet. Zusammen mit den durchschnittlich 50 anderen Glotzern versuche ich dann mein Lachen zu unterdrücken.

So viele Hobbyvoyeuristen sind allerdings nicht immer da, obwohl die Zahl der Glotzer stetig steigt. Einige setzen sich dazu in Straßencafés, deren Stühle alle in Richtung Straße gedreht werden. Glotzamateure! Richtig Spaß macht Glotzen doch nur, wenn der Beglotzte nicht bemerkt, dass er beglotzt wird, und das geht nirgendwo besser als auf der Freitreppe.