Die künftigen Fünf-und Sechstklässler haben neun Jahre Zeit bis zum Abitur. Foto: dpa

Trotz der Wiedereinführung von G 9 könnte es weiterhin die Möglichkeit geben, das Abitur nach acht Jahren abzulegen. Doch die meisten Gymnasien im Kreis Esslingen wollen wohl keinen zusätzlichen G 8-Zug beantragen. Die Gründe sind vielfältig.

Künftig haben Schülerinnen und Schüler mehr Zeit bis zum Abitur, wenn das neunjährige Gymnasium zur Regelform wird. Eingeführt wird G 9 ab dem kommenden Schuljahr aufwachsend für die Klassen fünf und sechs. Reine G 8-Gymnasien wird es dem Kultusministerium zufolge dann nicht mehr geben. Sehr wohl möglich wären G 8-Züge. Dieser zusätzliche Zug muss beim Regierungspräsidium beantragt werden und setzt die Zustimmung der Schulkonferenz und der Gesamtlehrerkonferenz voraus. „Der Entscheidungsprozess der Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart ist noch nicht abgeschlossen“, teilt eine Sprecherin des Regierungspräsidiums mit. Bis Anfang März sei Zeit, um einen entsprechenden Antrag zu stellen. Konkrete Zahlen gibt es also noch nicht. Das liegt auch an dem knappen Zeitplan, denn die Bildungsreform wurde erst Ende Januar vom Landtag verabschiedet. Das Interesse im Kreis Esslingen an G 8 sieht aber wohl mau aus.

 

„Doppelstrukturen vermeiden“

Am Gymnasium Plochingen ist ein Schnellläufer-Zug jedenfalls kein Thema. „Wir haben in den letzten Jahren kaum noch eine Nachfrage nach G 8 gehabt, und letztendlich möchten wir auch unnötige Doppelstrukturen vermeiden, obwohl wir das einige Jahre mit viel Aufwand gemacht haben“, begründet das Schulleiter Heiko Schweigert. Seit dem Schuljahr 2012/13 ist das Gymnasium Plochingen eine von landesweit 44 Modellschulen, an dem im Rahmen eines Schulversuchs der neunjährige Weg zum Abitur auch bislang möglich war. Das zweitgrößte allgemeinbildende Gymnasium im Land hat zwar viel Erfahrung mit G 9. Trotzdem bringt das neue Schuljahr auch in Plochingen Änderungen mit sich. „Die Umstellung ist bei uns auch nicht viel anders als bei den anderen Gymnasien“, sagt der Rektor. „Das vom Land gesetzte Konzept ist eben nicht unseres, und damit müssen auch wir viele Dinge ändern.“

Auch die vier Esslinger Gymnasien wollen ausschließlich auf G 9 umstellen, wie Jörg Leihenseder, Rektor des Schelztor-Gymnasiums und geschäftsführender Schulleiter, mitteilt. Die beiden Kirchheimer Gymnasien planen dem geschäftsführenden Schulleiter Thorsten Bröckel zufolge ebenfalls keinen G 8-Zug. Nicht anders sieht es in Nürtingen aus. In Esslingen hätte man aber durchaus Erfahrungen mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten zum Abitur. Denn bis 2003 gab es am Theodor-Heuss-Gymnasium parallel zum damals regulären G 9 auch einen achtjährigen Turbozug.

Viele organisatorische Hürden

Für die Umsetzung eines parallelen G 8-Zuges gebe es viele organisatorische Hürden, so Leihenseder. Nicht zuletzt fehlt es den Esslinger Gymnasien auch an Raumkapazitäten. Das Schelztor etwa platzt schon jetzt aus allen Nähten, weshalb ab dem kommenden Schuljahr ein Interimsbau aufgestellt werden soll. Auch die unterschiedlichen Profile und Wahlmöglichkeiten bei einer parallelen Struktur zu organisieren, sei diffizil. Etwa bei klassenübergreifenden Fächern wie Religion, NWT oder in den Fremdsprachen könne es kompliziert werden. Zudem sei eine Anmeldezahl von mindestens 27 Schülern erforderlich, um in dem jeweiligen Jahrgang einen G 8-Zug anbieten zu können.

Alle Zeichen stehen auf G 9. Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Ansturm auf das gedrosselte Gymnasium

„Es ist allein schon eine Herausforderung, das neue G 9 zu organisieren, das muss sich erst einmal gut etablieren“, sagt Mario Lietzau, Rektor des Otto-Hahn-Gymnasiums in Ostfildern. Seine Schule wird keinen Antrag für einen G 8-Zug stellen, für die Zukunft will er sich dieser Option aber auch nicht ganz verschließen. Viele Randbedingungen seien derzeit noch zu unklar. „Man weiß beispielsweise nicht, wie sich die Übergangszahlen entwickeln werden“, so Lietzau. Seit diesem Schuljahr gibt es für den Wechsel auf das Gymnasium wieder eine verbindliche Grundschulempfehlung. Damit will die Landesregierung einen Ansturm auf das gedrosselte Gymnasium verhindern.

Verwunderlich sei das geringe Interesse nicht, heißt es aus dem Kultusministerium. „Auch der Elternwille geht ja eindeutig in Richtung zusätzliches Schuljahr“, sagt ein Sprecher. Dennoch soll G 8 weiter möglich sein. In Stuttgart schöpft das bislang nur das humanistische Karls-Gymnasium aus. Dort gibt es ab kommendem Schuljahr einen G 9- und einen G 8-Zug zum vorhandenen Hochbegabtenzug mit G 8.

Bildungsreform

G 9
Den Bildungsreformen hat der Landtag von Baden-Württemberg erst Ende Januar mit den Stimmen der grün-schwarzen Regierungskoalition zugestimmt. Dazu gehören neben der Rückkehr zu G 9 auch mehr Sprachförderung in Kitas und Grundschulen und eine verbindlichere Grundschulempfehlung.

Grundschulempfehlung
Um eine Empfehlung für das Gymnasium zu bekommen, müssen die Kinder entweder den Kompass-4-Test bestehen oder die Klassenkonferenz muss sich dafür ausgesprochen haben. Voraussetzung ist ein Notendurchschnitt von Mathe und Deutsch von mindestens 2,5. Kein Fach darf schlechter als 3 sein. Wer das nicht schafft, hat als letzte Chance den freiwilligen Potenzialtest. Die landesweite Prüfung wurde am 19. Februar geschrieben.