Mario Gomez (Mitte) ist seit Freitag zurück im Training beim VfB Stuttgart– zu der missratenen WM und den Folgen will er sich bislang nicht äußern.Foto:Baumann Foto:  

Weil die Probleme rund um die Fußball-WM nicht aufgearbeitet sind, belasten sie auch Bundesligavereine wie den VfB Stuttgart.

Stuttgart/Grassau - Unter der Dominanz des Fußballs leiden zahlreiche andere Sportarten. Zu allem Überfluss kommt hinzu: Schwierige Debatten und Themen haben dennoch Auswirkungen auf andere. So sagt zum Beispiel Franz Reindl, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, über die Folgen der Erdogan-Fotos von Mesut Özil und Ilkay Gündogan: Auch die Eishockey-Nationalspieler müssten bei ihren Reisen mittlerweile „sensibler“ mit Einladungen umgehen. „Bis jetzt war es etwa ganz normal, sich für eine Einladung beim Gastgeber zu bedanken und vielleicht ein kleines Gastgeschenk mitzubringen“, ergänzt der 63-Jährige, „mittlerweile musst du aufpassen, denn es wird eingeordnet, beim wem du dich bedankst.“ Die Debatte rund um die Fußball-Nationalmannschaft zieht also Kreise – vor allem natürlich innerhalb der kickenden Gemeinschaft.

Zu beobachten ist das derzeit auch beim VfB Stuttgart im bayerischen Grassau. Wie nahezu alle anderen Fußball-Bundesligisten bereitet sich der Club im Trainingslager auf die neue Saison vor. Es wird geschuftet, geschwitzt, getestet und nach vorne geblickt. Die WM scheint dabei ganz weit weg – und ist doch noch gegenwärtig.

Die Themen kommen bei den Vereinen an

Da ist zum Beispiel Mario Gomez. Der Nationalspieler ist einer derer, die mit dem Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) historisch gescheitert sind. Das Aus in der Vorrunde war aber nur das eine, dazu kamen die Özil-Debatte, der eine Rassismus-Diskussion folgte, und die nach wie vor nicht abgeschlossene Analyse des sportlichen Scheiterns. Themen also, die im Grunde wenig mit den Vereinen zu tun haben, aber nun auch von ihnen abgearbeitet werden müssen.

Mario Gomez ist seit Freitag aus seinem Urlaub zurück. Seitdem schiebt er Sonderschichten, schießt Ball um Ball aufs Tor und hat mit Tücken wie einem platten Reifen bei einer Tour mit dem Fahrrad zu kämpfen. Was er bislang nicht macht: sich öffentlich äußern. Dabei gäbe es viele Fragen. Zu den genannten Themen natürlich. Weil diese vom DFB aber völlig misslungen oder eben noch gar nicht aufgearbeitet und noch keine Lösungen präsentiert wurden, liegt der Berg der Probleme nun vor den Vereinsheimen der Bundesligisten und direkt bei den Nationalspielern.

Persönliche Entscheidungen

Nach und nach sind die Auswahlkicker zurückgekehrt zu den Clubs. In dieser Woche stoßen die Nationalspieler des FC Bayern als letzte zu ihrem Team. Spieler und Vereine müssen nun immer wieder entscheiden: Wird etwas gesagt? Was wird gesagt? Zu welchen Themen wird etwas gesagt? Die Antwort fiel bisher eindeutig aus: Schweigen ist Gold. Im Falle von Mario Gomez sagt Oliver Schraft, der Mediendirektor des VfB: „Das ist seine persönliche Sache. Er war ein Teil davon und hat sicher eine Meinung. Da aber noch einige entscheidende Statements ausstehen, ist es gut, wenn man noch ein bisschen abwartet.“ Clubchef Wolfgang Dietrich fügt hinzu: „Es haben Hunderte von Leuten dazu etwas gesagt. Solche, die dafür zuständig sind, und solche, die eigentlich anderes zu tun haben. Ich glaube nicht, dass die Menschheit darauf wartet, dass der Präsident des VfB noch seinen Senf dazugibt. Ich fühle mich dafür nicht zuständig.“

Einer der wenigen WM-Fahrer, die sich bisher der Öffentlichkeit gestellt haben, ist Matthias Ginter von Borussia Mönchengladbach. „Die Analyse läuft ja noch“, sagte er im „Kicker“ zu den sportlichen Folgen des Scheiterns, „warten wir einfach mal ab.“ Und zum Fall Özil meinte der 24-Jährige ganz allgemein: „Für mich verbindet der Fußball verschiedene Spieler, Länder, Religionen. Es ist wichtig, dass das so bleibt.“

Man kann zwischen den Zeilen lesen, wie undankbar die Aufgabe wohl war. Für den Spieler. Und für den Verein – der ja ganz andere Sorgen hat. In dreieinhalb Wochen beginnt die neue Saison, und gerade die Nationalspieler sollen dann befreit von der Last des Scheiterns wieder sorgenfrei und erfolgreich dem Ball nachjagen. Je früher Klarheit herrscht – auch zur sportlichen Zukunft Einzelner –, desto besser.

Alle warten auf Löws Analyse

Nicht nur Fredi Bobic sieht daher Joachim Löw in der Pflicht. „Sein Wort hat Gewicht, er ist gefordert, Stellung zu beziehen“, fordert der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt. Doch der Bundestrainer ist angeblich noch nicht so weit mit seiner Analyse und hält die Unruhe damit am Leben. Dass für die Veröffentlichung seiner Schlussfolgerungen einmal der 24. August im Gespräch war, konnte ebenfalls ganz und gar nicht im Interesse der Liga sein – genau an diesem Tag findet am Abend das Saisoneröffnungsspiel zwischen dem FC Bayern und 1899 Hoffenheim statt. Nun soll es der 29. August sein.

Die DFB-Themen bleiben den Clubs der Fußball-Bundesliga also noch eine Weile erhalten – und die Frage ist, ob sich dies weiter auf die tägliche Arbeit auswirkt. Beim VfB Stuttgart ist die Antwort darauf ein eindeutiges Nein. „Wir werden unseren Weg gehen“, sagt Präsident Wolfgang Dietrich, „so oder so.“