Biontech-Gründer Ugur Sahin hat bisher auf die schnelle Anpassung seines Corona-Impfstoffs vertraut. Das wird nun schwieriger. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der Impfstoffhersteller Biontech hat seit Jahresbeginn Kursverluste erlitten. Unter anderem die Omikron-Variante des Coronavirus hat die mittelfristigen Aussichten für die mRNA-Impfstofftechnologie drastisch verändert.

Bisher hat der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech an der Börse kein gutes Jahr gehabt. Im Vergleich zum Kurs am Jahresanfang hat die Aktie aktuell etwa ein Drittel ihres Wertes verloren und bewegt sich nach einer zwischenzeitlichen leichten Erholung wieder in Richtung ihres bisherigen Jahrestiefs von Ende Januar. Damals lag das Minus binnen vier Wochen sogar bei 40 Prozent. Warum fallen die Biontech-Aktien, obwohl das Unternehmen zusammen mit seinem US-Partner Pfizer auf massive Lieferverträge seines Corona-Impfstoffes etwa mit der EU bauen kann?

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Auf gewisse Weise hat dies mit der neuen Omikronvariante des Coronavirus zu tun. Denn diese Ende November aus dem Nichts aufgetauchte Variante hat einen gewichtigen Teil des Geschäftsmodell für die kommenden Jahre massiv infrage gestellt.

Im vergangenen Jahr noch zeigte sich Biontech-Gründer Ugur Sahin beim Aufkommen neuer Coronavarianten immer sehr gelassen. Erstens funktionierte der auf Basis des Corona-Ursprungstyps entwickelte Impfstoff bis zur sogenannten Delta-Variante noch recht gut. Und zweitens hatte das Unternehmen seine Entwicklungsprozesse so sehr beschleunigt, dass man im besten Fall binnen 100 Tagen einen variantenangepassten Impfstoff entwickeln konnte.

Tempo der Impfstoffanpassung reicht nicht

Doch Omikron hat sich so schnell verbreitet, dass die meisten Menschen, auch die mit dem bisherigen Impfstoff geimpften, sich wohl infizieren werden, bevor die erste Spritze des Impfstoffes verabreicht ist. Schlimmer noch: Es gibt bisher auch keine wissenschaftliche Methode, halbwegs zuverlässig vorherzusagen, wie sich Corona weiterentwickeln wird, um sich gegebenenfalls prophylaktisch auf die nächste Variante vorbereiten zu können. Biontech hat zwar die Genom-Überwachung verbessert, so dass man ganz frühzeitig auf neue Varianten aufmerksam werden kann, aber auch das dürfte nicht reichen.

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Noch etwas kommt hinzu: Immer mehr Impfstoffe auch mit anderen Technologien kommen auf den Markt – wie etwa der proteinbasierte Impfstoff des US-Unternehmens Novavax, der in den kommenden Tagen zum ersten Mal in Deutschland verimpft wird. Diese Technologien sind teilweise vom Grundsatz etwas variantenresistenter als die sehr spezifisch auf bestimmte Eigenschaften setzende, sogenannte mRNA-Technologie von Biontech und seinem US-Konkurrenten Moderna.

Helfen andere Impfstoffe mehr gegen Varianten?

Während noch vor wenigen Monaten Biontech als der ungefährdete Weltmarktführer gelten konnte, ist die generelle, mittelfristige Impfstrategie gegen Corona nun wieder ziemlich unklar. Es gibt inzwischen weltweit Forschungsprojekte, die zum Ziel haben, Impfstoffe mit einer sehr breiten Wirksamkeit gegen Varianten zu entwickeln. Auch Biontech und Moderna haben begonnen, an Impfstoffen zu forschen, die von vorneherein einen breiteren Ansatz gegen unterschiedliche Versionen des Virus erlauben. Aber inwieweit die mRNA-Technologie dies erlaubt, ist noch offen.

mRNA-Technologie muss sich in Zukunft beweisen

Als die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus entwickelt wurden, war diese Technologie noch unerprobt und hat sich, etwa was ihre Sicherheit angeht, inzwischen abermilliardenfach bewährt. Mittlerweile ist klar, dass zwar der Schutz vor schwerer Erkrankung sehr stabil ist, aber dass der Schutz gegen eine Infektion binnen weniger Monate nachlässt. Liegt das an der spezifischen Technologie? Können auch an diesem Punkt andere Impfstoffe mehr Stabilität bringen? Das sind alles offene Fragen, welche die Börsianer bei der Wette auf die Zukunft von Biontech inzwischen etwas vorsichtiger gemacht haben.