Die vollmundige Ankündigung des Stuttgarter Oberbürgermeisters hat bislang nur in einzelnen Bürgerbüros spürbare Folgen. Wo läuft es am besten, wo kommt man am ehesten dran?
Im Bürgerbüro Bad Cannstatt gibt es wieder Wartemarken, und zwar sogar nach 8.30 Uhr. Das ist die gute Nachricht zum Service der Stuttgarter Stadtverwaltung im Herbst 2023. Im Oktober konnten Bürgerinnen und Bürger im Schnitt sogar anderthalb Stunden nach Öffnung des Bürgerbüros am Marktplatz eine Wartemarke ziehen und damit sicher sein, dass sie noch am selben Tag bedient werden. Im August betrug das Zeitfenster an einem normalen Tag bloß eine halbe Stunde.
Eine Datenanalyse unserer Redaktion zeigt, wie sich die Situation in den Stuttgarter Bürgerbüros in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt hat. Die Grundlage ist die von der Stadtverwaltung angebotene „Echtzeit-Ampel“. Der Stuttgarter Softwareentwickler Marc Höfling schneidet sie regelmäßig mit und stellt uns den Datensatz zur Verfügung – aktuell für Auswertungen bis Ende Oktober.
Die Lage in allen Bürgerbüros
Das Schaubild zeigt, dass sich die Situation seit Sommer insgesamt verbessert hat. Jede Kurve zeigt die Werte für ein Bürgerbüro: Je höher der Wert, desto länger die Zeitspanne, in der Wartemarken verfügbar waren. Am besten war die Lage zuletzt in Obertürkheim, am schlechtesten in Bad Cannstatt – trotz der deutlichen Verbesserung.
Im September hatte die Stadtverwaltung versprochen, dass sich die Lage in den Bürgerbüros verbessern werde. Weil deutlich mehr Mitarbeiter hinzukämen als weggingen, seien absehbar mehr Wartemarken verfügbar. Zudem seien die Anliegen im Sommer besonders komplex, weshalb weniger Bürger bedient werden könnten. Oberbürgermeister Frank Nopper legte Mitte Oktober auf Instagram nach: es seien „deutlich spürbare Verbesserungen in Sicht“, die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden derzeit in einem neu gegründeten Einarbeitungsbüro auf den Job vorbereitet.
Wo es besser geworden ist – im Schnitt
Die Datenanalyse zeigt, ob Nopper sein Versprechen halten kann. Im Schnitt gab es im Oktober nach Öffnung der Bürgerbüros etwas länger Wartemarken als noch im September, in Bad Cannstatt, Mitte und West sogar deutlich länger. In Vaihingen und Möhringen, Hedelfingen und Münster waren die Wartemarken im Oktober dagegen im Schnitt schneller vergriffen als im September. In Zuffenhausen war im Schnitt eine knappe Stunde früher Schluss als noch im Vormonat.
Dass weiterhin viel Luft nach oben ist, zeigt exemplarisch der via X (vormals Twitter) geäußerte Frust der Stuttgarter Psychotherapeutin Ariadne Sartorius. Sie veröffentlichte Mitte Oktober ein Foto des Schilds mit der Aufschrift „Alle Wartemarken bereits vergeben“, das offenbar vor dem Bad Cannstatter Bürgerbüro aufgestellt worden war – „15 Minuten nach Öffnung“, wie Sartorius schrieb, „halben Tag Praxis geschlossen und keine Patienten versorgt und dann das. Termine online nur kurzfristig und vereinzelt.“
Onlinetermine helfen nur bedingt
Die Stadtverwaltung antwortete: „Wir verstehen Ihren Unmut, leider ist der Service in einigen Bürgerbüros aufgrund personeller Engpässe momentan eingeschränkt.“ Im öffentlichen Austausch wurde klar, dass viele Verwaltungsleistungen nicht digital erbracht werden können – wie in diesem Fall ein neuer Adressaufkleber auf dem Personalausweis. Die Warteampel helfe ihr nur bedingt weiter, ärgerte sich Ariadne Sartorius: „Und dann radele ich quer durch Stuttgart von einem Büro ins nächste? Und wenn ich da ankomme, ist es auch voll. Die Zustände sind überall ähnlich.“
Die Stadtverwaltung verweist auf die Möglichkeit, Onlinetermine zu buchen, und zwar bis zu vier Wochen im Voraus. Die Stichprobe am Freitagmorgen (5. November) zeigt, dass innerhalb dieser Frist in keinem einzigen Bürgerbüro bis Jahresende noch Termine für die An-, Ab- oder Ummeldung des Wohnsitzes frei waren. Somit bleibt nur der Gang ins Bürgerbüro – und die Hoffnung, eine Wartemarke zu erhalten. Wie lange es im Anschluss dauert, bedient zu werden, schätzt die städtische „Echtzeit-Ampel“ ebenfalls ab – in Möhringen und Vaihingen waren es am Freitagmorgen (10 Uhr) jeweils mehr als zwei Stunden. Alle anderen Bürgerbüros waren entweder geschlossen oder „alle Wartemarken bereits vergeben“.
In diesen Büros kommt man am ehesten dran
Deshalb ist die Information so wichtig, in welchen Bürgerbüros man auch so wie es noch vor einem Jahr üblich war typischerweise auch spontan bedient wird. Obertürkheim, Mühlhausen, Sillenbuch, Wangen und Ost können ausweislich unserer Datenanalyse als „Geheimtipp“ gelten – auch drei Stunden nach der Öffnung erhielt man an einem normalen Oktobertag hier noch Wartemarken. In den anderen Bürgerbüros musste man früher vor Ort sein.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob und wie schnell sich Verbesserungen einstellen. Mehrere Bürgerbüros sind derzeit geschlossen (Süd, Degerloch, Plieningen, Untertürkheim). Erst im Frühjahr sollen sie dank des zusätzlich eingestellten Personals wieder öffnen. Auch deshalb sind die Wartemarken in den geöffneten Bürgerbüros schneller vergriffen, und die Werte sind weiterhin deutlich schlechter als im vergangenen Winter.
Wie viele Wartemarken an einem Tag ausgegeben werden, zeigt die Echtzeit-Ampel nicht. Die Stadtverwaltung macht dazu auf Nachfrage auch keine detaillierten Angaben. Grundsätzlich hänge die Zahl der ausgegebenen Marken von der aktuellen Personalstärke, den gebuchten Online-Terminen und der Aufwendigkeit der Anliegen ab. „Die jeweiligen Leitungen der Bürgerbüros beobachten das Arbeitsaufkommen und steuern in Kommunikation mit den vor Ort Sicherheitsdiensten gegebenenfalls im Laufe des Vormittags die weitere Ausgabe von Wartemarken nach“, so der Stadtsprecher Oliver Hillinger.