Die Fahrgäste sind gewarnt: Busse und Stadtbahnen fahren nicht Foto: Leif Piechowski

Statt am Steuer eines Busses oder einer Stadtbahn treffen sich die Fahrer am Mittwoch zur Streikversammlung. Auch die Erzieherinnen, das Verwaltungspersonal und die Klinikums-Mitarbeiter sind im Arbeitskampf.

Stuttgart - Der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei den SSB ist hoch. „Wenn überhaupt jemand arbeitet, dann werden es nur einzelne Mitarbeiter sein“, sagt Pressesprecherin Susanne Schupp. Klaus Felsmann, der Betriebsratsvorsitzende, wird vorm Werkstor des SSB-Zentrums in Möhringen seine Ansprache also nicht ins Leere richten. „Wir haben im Vergleich zur IG-Metall großen Nachholbedarf beim Gehalt.“ Beunruhigend sei auch die Ausgliederungswelle von Betrieben aus der Struktur des öffentlichen Dienstes, wie es sie bereits in anderen Bundesländern gegeben habe. Unsichere Arbeitsplätze aber seien nicht attraktiv für junge Berufseinsteiger, fürchtet er.

Weil auch die Kundenzentren geschlossen sind und der telefonische SSB-Kundenservice nicht besetzt ist, verweisen die SSB auf die Fahrplanauskunft im Internet unter www.ssb-ag.de, der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) informiert unter www.vvs.de. Auf den Portalen stehen Infos über alternative Fahrmöglichkeiten. Außerdem sind die Mitarbeiter des VVS-Callcenters unter der Telefonnummer 07 11/194 49 von 8 bis 17.30 Uhr erreichbar.

Vom Streik unberührt bleiben die S-Bahnen, die Regionalbusse, die Busunternehmen, die im Auftrag der SSB fahren sowie die Busse zu Behinderteneinrichtungen, sofern diese nicht bestreikt werden.

Anders als bei der Tarifauseinandersetzung im Jahr 2012 wird es diesmal keine Buszubringer für Abiturienten geben. Am heutigen Mittwoch stehen an den allgemeinbildenden Gymnasien Lateinprüfungen an, die Schüler der beruflichen Gymnasien haben Abi-Prüfungen in ihren Wahlpflichtfächern. Vor zwei Jahren hatten nur zwei Schüler das Angebot wahrgenommen, in diesem Jahr sollen sich vorab lediglich vier Schüler bei der Gewerkschaft Verdi nach einem Buszubringer erkundigt haben.

SSB-Vorstandssprecher Reinhold Bauer rechnet die Tarifforderungen der Gewerkschaft, bestehend aus Sockelbeträgen, Tariferhöhung und Nahverkehrszulage, auf eine jährliche Belastung von rund zwölf Millionen Euro hoch. „Bereits heute ist die Finanzierbarkeit des Nahverkehrs und insbesondere seiner Infrastruktur ein ungelöstes Problem“, sagt er. Die neue Forderung gefährde Qualität und Angebot.

Mit großer Beteiligung ist auch bei den Erzieherinnen der städtischen Kindertagesstätten zu rechnen. Sie sind sowohl von Verdi als auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Nach Einschätzung der Stadtverwaltung bleiben 151 Kitas geschlossen, 27 haben geöffnet. Neun Einrichtungen sind teilweise geöffnet, eine wird von den Eltern betrieben. Das Jugendamt informiert unter der Telefonnummer 07 11/216-5 55 55, welche Kitas betroffen sind. Die Nummer ist von 7 Uhr an erreichbar.

„Seit Jahren kämpfen wir um ein gesichertes, besseres Einkommen in Form von Höhergruppierungen“, sagt Martin Agster, Personalratsvorsitzender beim Jugendamt. Als Antwort habe man von der Stadt aber nur die auf drei Jahre befristete Erhöhung des Sockelbetrags um 100 Euro erhalten. „Das heißt, wenn in ein paar Jahren das Personalproblem gelöst ist, ist es auch mit der besseren Bezahlung für die Erzieherinnen vorbei. Das ist Schweigegeld!“ Die Erzieherinnen empfinden das wohl auch so. „Bei uns wird nicht gefragt, ob wir streiken, sondern wann wir streiken“, sagt Martin Agster. Weil man Eltern Stress ersparen wollte, waren sie seit einer Woche gewarnt. Der Großteil der Eltern hat für diesen einen Tag Alternativen organisiert.

Maria Schmitt, die stellvertretende Personalratsvorsitzende des Klinikum Stuttgart, vertritt rund 5500 Mitarbeiter. „Wir haben eine Gehaltserhöhung und den geforderten Sockelbetrag dringend nötig“, sagt sie. Eine Krankenschwester müsse als Berufseinsteigerin mit circa 2200 Euro brutto auskommen. „Warum ist die Arbeit in der Pflege der Gesellschaft so viel weniger wert als die im Autobau“, fragt sie. Die Schere, die zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehe, sei ein wesentlicher Grund für die Unzufriedenheit der Belegschaft.