Ein gewohntes Bild in Bietigheim-Bissingen. Viele Kitas in der Stadt werden drei Tage lange bestreikt. Foto: Werner Kuhnle

In einigen Kommunen im Kreis Ludwigsburg werden Kitas diese Woche an drei Tagen bestreikt. Das ärgert viele Eltern. Warum Verdi trotzdem an der Taktik festhält.

„Der Bogen ist überspannt“, sagt Sascha Bulling vom Gesamtelternbeirat der städtischen Kitas in Bietigheim-Bissingen. Er hat selbst zwei kleine Kinder in Einrichtungen der Stadt und ärgert sich darüber, dass in Bietigheim-Bissingen die Kitas, Kindergärten und Kinderhäuser der Stadt von Mittwoch bis Freitag bestreikt werden.

 

Bietigheim-Bissingen gehört zu den Kommunen im Landkreis Ludwigsburg, deren öffentlicher Dienst bereits am Mittwoch zum Warnstreik aufgerufen wurden. Daneben betroffen sind laut Verdi Tamm, Markgröningen, Sachsenheim und Vaihingen an der Enz. In Sachsenheim ist an diesem Mittwoch ab 9.30 Uhr sogar eine Kundgebung auf dem Vorplatz des Rathauses geplant.

„Wir Eltern unterstützen die Forderung von Verdi nach einer besseren Bezahlung für Erzieherinnen“, sagt Bulling. Deshalb hätten Eltern in der Vergangenheit auch viel Verständnis für einzelne Warnstreiktage gezeigt. „Einen Tag in der Woche kriegt man die Kinderbetreuung meist anderweitig gestemmt, aber drei Tage am Stück sind einfach zu viel“, so der Familienvater aus Bietigheim-Bissingen.

Elternvertreter Sascha Bulling kritisiert den Warnstreik in den Kitas. Foto: privat

Eltern in Not: Verzweiflung und Angst vor Jobverlust

Viele hätten eben keine Großeltern oder andere Verwandte, die in der Not einspringen könnten und so herrsche teilweise schon Verzweiflung bei Eltern. Martin Hillgärtner vom Gesamtelternbeirat der städtischen Kitas in Ludwigsburg weiß auch warum: „Mittlerweile kommt bei einigen auch die Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes dazu.“ Ständig freinehmen zu müssen oder kurzfristig ins Homeoffice zu wechseln, werde nicht von allen Arbeitgebern gern gesehen.

Bulling kritisiert, dass die Streiktaktik nun vor allem Eltern treffe, wo doch eigentlich die Arbeitgeber Gegner im Arbeitskampf sein sollten. Für eine Kommune könne das fast eine „Win-win-Situation“ sein, meint Hillgärtner. Die spare sich nämlich das Gehalt am jeweiligen Streiktag und erhalte trotzdem den Elternbeitrag. „Erst ab sechs aufeinanderfolgenden Streiktagen können Eltern einen Teil ihrer monatlichen Beiträge zurückverlangen“, sagt Hillgärtner.

Auch Miriam Rieck vom Kreiselternbeirat berichtet von zunehmendem Unverständnis bei den Eltern. Ein weiteres Problem sei, dass im März in vielen Einrichtungen durch pädagogische Tage weitere Schließtage anstünden. „Wir sind darum bemüht, eine neutrale Position einzunehmen, aber klar ist, dass der Unmut und teilweise die Wut der Eltern wächst“, sagt die Ingersheimerin.

So bröckelt laut Bulling nicht nur wegen der nun gehäuften Streiktage das Verständnis bei den Eltern auch Forderungen von Verdi, wie mehr Urlaubstage und mehr Personal seien realitätsfern. „Was sollen die Kommunen denn machen?“, fragt der Bietigheim-Bissinger. Der Fachkräftemangel sei allgegenwärtig in den Kitas, es liege nicht am Willen der Städte oder der Bereitschaft, mehr Personal einzustellen, dass Erzieherinnen fehlen. Und mehr Urlaub bedeute, dass das Problem noch verschärft werde.

Streiktaktik sorgt für Unmut unter Eltern

Für Kritik sorgt bei den Elternvertretern auch, dass einige Städte schon ab Mittwoch bestreikt werden. Für Sidar Carman, Geschäftsführerin des Bezirks Stuttgart bei Verdi, ist der Ärger der Eltern verständlich. Das ändere aber nichts am Plan der Gewerkschaft. Es sei eine Taktik der Nadelstiche, meint sie. Mit dem zusätzlichen Tag in einzelnen Kommunen flankiere man den flächendeckenden Warnstreik am Donnerstag und Freitag. Ziel sei es nämlich, in der anstehenden dritten Verhandlungsrunde zu einem Ergebnis zu kommen, sagt Carman.

 

Neben dem Rückhalt bei der Elternschaft setzte die Gewerkschaft mit ihrer Taktik aber auch etwas ganz anderes aufs Spiel, meint Bulling. Die Kinder in den Kitas würden nämlich immer wieder aus ihrem gewohnten Tagesablauf geworfen und das sei gerade angesichts der vergangenen Monate fatal. „Immer wieder gab es in den letzten Monaten krankheitsbedingte Ausfälle. Kaum eine Familie wurde von viralen Infekten verschont“, sagt Elternbeirat Bulling. Gerade wo nun einmal so etwas wie ein regulärer Betrieb möglich wäre, machten die Streiks viel kaputt.

Angst und Bange sei vielen Eltern auch vor der Aussicht, was passiere, wenn eine Einigung zwischen kommunalem Arbeitgeberverband und Verdi nicht gelinge. Unbefristete Streiks wären das „absolute Horrorszenario“, sind sich die Elternvertreter einig. Hillgärtner hofft in dem Fall darauf, dass Verdi andere Berufsgruppen für den Arbeitskampf stärker in den Fokus stelle, damit „nicht immer Eltern die Leidtragenden sind“.

Hier wird auch gestreikt

Donnerstag, 13. März:
Regionaler Streiktag in Stuttgart mit der Stadt

Freitag, 14. März:
Unter anderem Warnstreik Stadt Stuttgart in Stuttgart und ihren Eigenbetrieben (mit AWS, ohne SSB), sowie das Klinikum Stuttgart,