Steht auch im eigenen Ministerium in der Kritik: Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer Foto: dpa

Kritik an Bildungspolitik und am Führungsstil von Gabriele Warminski-Leitheußer spitzt sich zu.

Stuttgart - In der kommenden Woche will Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer bekanntgeben, welche Schulen im Herbst als Gemeinschaftschulen starten können. Dort sollen Schüler auch nach der vierten Klasse weiter gemeinsam lernen, individuell gefördert werden und schließlich den Schulabschluss machen, der ihren Leistungsmöglichkeiten entspricht – vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur.

Wenn die hochgewachsene Frau aus dem Ruhrgebiet bei Veranstaltungen oder in ausgewählten Schulen erklärt, dass der Bildungsweg nicht von der Herkunft abhängen dürfe und dass Gemeinschaftsschulen bessere Ergebnisse und mehr Chancengerechtigkeit bringen, erntet sie meist Beifall. Doch längst nicht mehr alle Befürworter klatschen. Vielen ist immer noch nicht klar, wie das größte bildungspolitische Reformprojekt der grün-roten Landesregierung umgesetzt werden soll. Möglicherweise nicht einmal den dafür Verantwortlichen, argwöhnen manche.

So hatte etwa die Handwerkskammer Region Stuttgart Mitte November zu einer Fachtagung eingeladen. Das Programm versprach Informationen darüber, wie die neue Gemeinschaftsschule funktionieren soll. Doch weder die Kultusministerin noch ihre Amtschefin Margret Ruep hätten sich detailliert zum Thema geäußert, klagten Teilnehmer. Vielmehr hätten sie wortreich von individueller Förderung geschwärmt. Ähnlich erging es vielen Bürgermeistern und Gemeinderäten, die sich bei einer Tagung des Gemeindetags in Denkendorf kundig machen wollten. Ebenso Schulleitern, Lehrern und Kommunalpolitikern, die zur offiziellen Auftaktveranstaltung des Ministeriums nach Ludwigsburg fuhren, um sich zu informieren: Visionen, aber wenig Genaues.

Weiteres Beispiel für chaotische Bildungspolitik

Schon seit Monaten kursieren Gerüchte, dass die Amtsspitze im Kultusministerium überfordert sei. Jetzt hat das auch ein Abteilungsleiter im Kultusministerium so formuliert. In seinem alljährlichen Weihnachtsbrief kritisierte Manfred Hahl, früher Präsident des Oberschulamts Stuttgart, dass der Ministerwechsel von vielen Mitarbeitern „weniger als Aufbruch als vielmehr als Abbruch“ wahrgenommen werde. Dabei hätten die Abteilungen von Anfang an bekundet, sie wollten „loyal und engagiert mit der neuen Führung zusammenarbeiten“. Doch eine „bis ins Mark misstrauische Amtsleitung zog es von Anfang an vor, gegenüber den Abteilungsleitern Distanz zu wahren“. So etwas habe es weder in früheren Zeiten gegeben, noch gebe es dies in anderen Ministerien. „Eine verlässliche Kommunikation und Arbeitsweise“ werde immer „unwahrscheinlicher“. Seitdem das interne Schreiben in die Öffentlichkeit geraten, ist es mit dem Hausfrieden im Ministerium vorbei. Die Kultusministerin hat den Unruhestifter zum Gespräch gebeten. Öffentlich will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Die Mitarbeiter hätten in den vergangenen Monaten „bei einem engen Zeitplan sehr viel geleistet“, sagte ihr Sprecher. Binnen weniger Monate seien drei Änderungen des Schulgesetzes ins Kabinett gebracht, der Modellversuch für das neunjährige Gymnasium erarbeitet, der Haushalt mit gutem Ergebnis für das Ministerium gestemmt und eine Vielzahl weiterer Aufgaben erledigt worden. Das zeige, wie sehr sich die Mitarbeiter engagierten und wie leistungsfähig das Haus sei.

Doch die Ergebnisse stellen nicht alle zufrieden. So präsentierte die Ministerin nach vielen Verschiebungen Mitte Dezember endlich den Gesetzentwurf für die Gemeinschaftsschule. Anders als von der Opposition und dem Philologenverband behauptet und von manchen Eltern befürchtet, sind die Privilegien für die neue Schulart recht bescheiden. Die maximale Klassengröße beträgt 28 statt 30 Schüler. Die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung entspricht der von Haupt- und Realschullehrern: 27 Stunden pro Woche. Für Gymnasiallehrer, die ebenfalls an den Gemeinschaftsschulen unterrichten, bedeutet das zwei Stunden mehr pro Woche. Dass sie damit erfahrene Gymnasiallehrer von einem Wechsel zur Gemeinschaftsschule abhalten könnte, befürchtet die Ministerin nicht. Dort seien die Einstellungschancen für junge Gymnasiallehrer besser als an den Gymnasien, sagt sie. An denen fällt nämlich ein ganzer Schülerjahrgang weg, deshalb werden nicht alle ausscheidenden Lehrer ersetzt. „Dabei bräuchten wir für die Gemeinschaftsschule erfahrene Gymnasiallehrer“, sagen Kritiker der Kultusministerin.

Für sie ist es ein weiteres Beispiel für chaotische Bildungspolitik und ein fehlendes Gesamtkonzept. Kürzlich bemängelte der Städtetag Baden-Württemberg, dass es künftig im Südwesten nicht weniger, sondern noch mehr weiterführende Schularten gebe – und das bei sinkender Schülerzahl. Dass im Herbst wieder neunjährige Gymnasialzüge eingeführt und auch weitere sechsjährige berufliche Gymnasien genehmigt würden, sei nicht nachvollziehbar.

In seinem Brief formuliert Hahl, was viele im Ministerium beklagen: das Misstrauen der Neuen gegenüber den Mitarbeitern – dabei sind unter ihnen etliche, die für einen Wechsel stimmten. Nicht nur der Amtschef wurde ausgetauscht – wie in anderen Ministerien auch. Vielmehr brachte Warminski-Leitheußer gleich einen neuen Stab mit, der die Gemeinschaftsschule umsetzen sollte. Dies lasse sich mit den bisherigen Mitarbeitern nicht verwirklichen, so die Begründung. Dafür wurden neue Stellen genehmigt. „Die Amtsspitze hat im Übrigen von vornherein größten Wert auf eine offene Kommunikation und Transparenz bei der Arbeit im Haus gelegt“, sagt hingegen der Sprecher. Zudem seien die Mitarbeiter von der Ministerin mehrfach aufgefordert worden, Kritik und Verbesserungsvorschläge offen und direkt zu äußern. „Die Amtsspitze wird diesen Weg der offenen Kommunikation weiter ausbauen.“