Über den südlichen Burggraben betritt man die Ruine Reußenstein. Foto: Horst Rudel

Obstbäume, moosige Felsen und gewundene Pfade: Eine Wanderung zum Reußenstein im Kreis Esslingen hat Romantikpotenzial. Die Ruine über einem der schönsten Seitentäler der Schwäbischen Alb ist ein echter Geheimtipp – noch.

Neidlingen - Romantik geht immer – und zwar immer zu Fuß. Wer die Seele der Schwäbischen Alb sucht, wird sie in Neidlingen im Kreis Esslingen finden. Zehntausende Obstbäume stehen rund um das Lindachtal, über moosige Felsen stürzt sich der Neidlinger Wasserfall, gewundene Pfade führen zur Ruine Reußenstein. Auf den Mauern oder in den Fensternischen sitzen dort die Besucher und lassen die Beine baumeln. Man kann den Milanen und Bussarden nachsehen oder im Unterholz nach seltenen Pflanzen spüren. Lust bekommen? Dann ran an den Kleiderschrank.

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Welche Ausrüstung braucht man?

Das Ziel der Reise ist die Schwäbische Alb, ein Mittelgebirge mit Betonung auf Gebirge. Jedes Jahr rückt die Bergwacht mehrmals aus, um unvorsichtige Spaziergänger, Kletterer und Mountainbiker zu bergen. Manche Unfälle verlaufen auch tödlich. Tückisch ist der Lehm, der bei Regenwetter sofort die Sohlen zusetzt, und wie in jedem Gebirge regnen sich die Wolken am liebsten am Hang ab. Deswegen: Gute Schuhe anziehen und für den Trampelpfad zum Neidlinger Wasserfall Gehstöcke mitnehmen. Regenkleidung sowieso. Und bei Gewitter im Tal bleiben, da ist es auch schön.

Das blaue Dreieck weist den Weg

Mit einem Rucksackvesper und genügend Wasser versehen, steigt man ins Auto oder reist mit der S-Bahn nach Kirchheim/Teck und dann mit dem Bus zum Neidlinger Schlossgärtle. Man folgt in Neidlingen der Kirchstraße bis zum Wanderparkplatz Braike. Der Wanderweg verläuft südwestlich des Lindachtals, biegt dann am Grillplatz links ab. Man steigt durch die Wiesen zum Neidlinger Wasserfall, dem blauen Dreieck folgend. Ein schmaler Trampelpfad führt an den Fuß des Wasserfalls. Jetzt geht es steil nach oben, bis zu einer Aussichtsbrücke. Die überquert man und geht rechts am Wasserfall auf geschottertem Weg hoch. Die Markierung ist hier ziemlich versteckt. Dann geht es nach rechts weiter zum Bahnhöfle, einem Wanderparkplatz auf der Albhochfläche. Von da an wendet man sich zurück. Es geht erst an der Straße, dann über Wald und Wiesen zur Ruine Reußenstein. Der normale Wanderweg ist zurzeit wegen Steinschlags gesperrt. Von Zeit zu Zeit kann man ruhig einmal stehen bleiben und den Ausblick genießen.

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In den Höfen der Ruine kann man rasten

Die Ruine betritt man durch ein natürliches Felsentor, dann gibt es drei terrassenartig übereinander liegende Höfe, auf denen man rasten kann. Zurück geht es auf einer anderen Route. Vor der Burg die Staffel nach unten, dem blauen Ypsilon folgen und dann rechts halten bis zum Wanderparkplatz neben der Straße von Neidlingen nach Wiesensteig (L 1200). Von dort nach links auf geschottertem und dann asphaltiertem Weg steil nach unten ins Lindachtal durch die Streuobstwiesen, wo Minze und Schafgarbe wachsen und Grünspechte fliegen. Im Lindachtal wandert man zurück zur Braike. Dann hat man etwa acht Kilometer zurückgelegt und vielleicht 700 Höhenmeter bewältigt. In vier Stunden müsste die Tour gemütlich zu schaffen sein.

Für wen ist die Wanderung geeignet?

Die ganze Familie samt Hund kann mit auf die Strecke. Die Kinder beweisen sich gern in den Steillagen und erkunden die Burg, die Eltern freuen sich an der Natur und dem grandiosen Fernblick: Vom oberen Burghof kann man bis zum Welzheimer Wald gucken. Extrem geeignet ist die Strecke für Leute mit schmalem Geldbeutel: Man kann unterwegs nirgends einkehren. Wer der durchaus nachvollziehbaren Ansicht ist, dass er sich nach der traumhaft schönen Tour auch ein traumhaft schönes Essen verdient hat, der findet in Neidlingen mehrere Wirtshäuser wie die Alte Kassoder das Lamm.

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Neidlinger Mambele – süß oder salzig?

Neidlingen ist berühmt für seine Kirschen und Zwetschgen. Schnaps, Obst und Gelees kann man oft an Ständen entlang der Straße im Ort kaufen. Nicht nur weil es überaus mühsam ist, die mächtigen Bäume zu pflegen und die Kirschen zu ernten, sollte es für den Wanderer selbstverständlich sein, keine Kirschen zu stehlen. Der Neidlinger Zwetschgenmarkt ist berühmt in der ganzen Umgebung, nur dort gibt es die Neidlinger Mambele – ein beliebtes Salzgebäck.

Der letzte Luchs starb an der Ruine

Unterhalb des Reußensteins wurde einst der letzte Luchs von Württemberg geschossen, der Jäger hatte ihn bei Nacht für einen Wolf gehalten. Heute ist die scheue Großkatze wieder in Baden-Württemberg heimisch, nachdem sie aus der Schweiz eingewandert ist. Der Reußenstein wurde um 1270 von der Herrschaft Teck erbaut und kam nach wechselvoller Geschichte in den Besitz des Hauses Württemberg. Der Sage nach hat ein Riese das Schloss erbauen lassen. 2012 wurde die Ruine zum letzten Mal saniert.

Neidlingen und seine Kirschblüte

Im Frühling bietet Neidlingen ein unvergleichliches Naturschauspiel, wenn rund 20 000 Kirschbäume an den Hängen der Alb ihr weißes Kleid anziehen und blühen. Besuchen kann man auch die Kugelmühle, die als eine der letzten ihrer Art in Europa mit Wasserkraft steinerne Murmeln herstellt.