Autos kommen nicht durch bei diesem inoffiziellen Wanderweg. Radfahrer scheinen sich eher nicht an das Verbot zu halten. Foto: Armin Friedl

Im Streit um das Wander im Naturdenkmal zwischen Musberg und Schmellbachtal gibt es Bewegung: Der Abstand zwischen den Begrenzungssteinen wurde so vergrößert, dass Autos nach wie vor nicht durchkommen, Erholungssuchende aber schon.

Natürlich wird bevorzugt dort gewandert, wo man sich ein intensives Naturerlebnis verspricht. Das ist etwa im Mahdenbachtal der Fall oder im Gebiet Glemswald und Stuttgarter Bucht. Beide genießen einen Schutzstatus: Ersteres ist als Naturdenkmal ausgewiesen, das andere als Flora-Fauna-Habitat, es hat also den FFH-Status. Das ist mit Auflagen verbunden sowohl für die Eigentümer wie für Pächter und Bewirtschafter, wann dort was gemacht werden kann und was nicht. Das Ziel ist klar: Es geht darum, den Bestand dieser artenreichen Blühwiesen langfristig zu sichern.

 

Das macht das Gebiet freilich auch für Wandernde attraktiv. So hat sich im Laufe der Jahre ein Wanderweg zwischen Musberg und Schmellbachtal entwickelt. Luftbilder aus dem Jahr 1999 zeigen, dass dort damals noch ein schmaler Trampelpfad war, jetzt ist daraus ein regelrechter Weg geworden. Corona hat sicherlich einen Teil dazu beigetragen, als die Bürger quasi zuhause bleiben mussten. Und seitdem hat der Weg an Attraktivität nicht eingebüßt, im Gegenteil. Um Einhalt zu gebieten, wurden im Dezember bei Musberg vier grob behauene größere Steine in den Weg gelegt, was für Furore sorgte: Fußgänger und Radfahrer können hindurch, für andere ist der Weg definitiv zu Ende.

Mehr Abstand zwischen Begrenzungssteinen

Das hat Theo Stäbler besorgt, CDU-Mitglied im Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen. Er ist zwar nicht der Eigentümer dieser insgesamt fünf Flurstücke, aber Pächter und Bewirtschafter, der die Naturschutz-Auflagen zu erfüllen hat. Stäbler: „Die Steine sollten lediglich den Pkw- und Quadverkehr zum Erliegen bringen. Es war nicht beabsichtigt, Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Rollatoren und Kinderwagen zu behindern“. Und er hat die Konsequenzen gezogen: „Selbstverständlich werden die Steine mit mehr Abstand abgelegt“.

Was ihm wichtig ist: „Die Maßnahme wurde von mir mit der Eigentümerin und der Stadt besprochen.“ Dabei erinnert er daran, dass die Stadt selbst vor einigen Jahren ein Schild mit Durchfahrtsverbot für Fahrräder angebracht hat. Das beschäftigt Stäbler vor allem: „Das größte Problem sind nicht die erholungssuchenden Spaziergänger. Es sind manche Menschen, die sich trotz Verbotstafeln das Recht nehmen, diesen Weg regelmäßig mit dem Auto oder dem Quad zu befahren, um an ihr Waldgrundstück zu kommen“. Dafür gebe eine offizielle Zufahrt, die nur unwesentlich länger sei. „Durch dieses Befahren wurde der Weg deutlich breiter quer durch das Naturdenkmal.“ Für Stäbler hat das unter anderem die Konsequenz, „dass mein großer Schlag zusätzlich in zwei kleine Teilschläge aufgeteilt wurde, die kleiner als zehn Ar sind. Damit sind sie nicht mehr förderfähig“.

Besucher müssen gelenkt werden

Ein Wegerecht für Wandernde gibt es hier nicht, das stellen sowohl Stäbler wie Benjamin Dihm fest, Erster Bürgermeister in Leinfelden-Echterdingen. Dihm erkennt aber auch: „Die Nutzung durch Spaziergänger vollständig auszuschließen, wird nicht realisierbar sein und ist auch nicht Ziel der Stadtverwaltung. Es braucht jedoch eine klare Besucherlenkung“. Stäbler sieht das ähnlich: „Es ist wichtig, ein gutes Miteinander von Naturdenkmal und Erholungssuchenden zu finden. Hier appelliere ich an Letztgenannte, sich an Regeln und Wege zu halten, keine Hunde frei laufen zu lassen und nicht querfeldein neue Wege zu bahnen.“

Für letzteres sieht er bereits einen Ansatz: „Auf der linken Naturdenkmalwiese zeichnet sich jetzt schon ein schmaler Trampelpfad entlang des Waldrands ab. Die Bevölkerung, die doch ein großes Interesse am Schutz der Natur hat, sollte dies unterlassen und auf den befestigten und ausgewiesenen Wegen bleiben.“ Stäblers Vorschlag für den seit Jahrzehnten bestehenden Wanderweg: „Der Weg sollte komplett an den Waldrand verlegt werden. Das geschädigte Naturdenkmal wird dann mit speziellen Grassamen wieder hergestellt. Dann sollen nur noch Spaziergänger den Weg nutzen, Radfahrer müssen sich an die seit Jahren aufgestellte Verbotstafel halten. Auto und Quad sind absolut untersagt.“ Dazu soll es vorübergehende Absperrmaßnahmen geben, „bis sich das frisch eingesäte Naturdenkmal erholt hat und die Naherholungssuchenden die Änderung akzeptiert haben“, so Stäbler. In dieser Hinsicht sei er sowohl mit der Stadt wie mit dem Landratsamt im Gespräch.

Viele Verantwortliche für die Blühwiese

Die Interessenlage ist ja auch vielschichtig: Da gibt es die Eigentümer dieser Flurstücke. Und dann gibt es die Stadt, die für den Schutz des Naturdenkmals verantwortlich ist. Die untere Naturschutzbehörde des Landratsamts Esslingen wiederum ist für den Schutz des FFH-Gebiets zuständig. Dann gibt es die Erholungssuchenden. Und es gibt Stäbler, der als Pächter und Bewirtschafter die Auflagen umsetzen muss, die für solche Gebiete gelten. So ist die Stadt laut Dihm um eine „zeitnahe Lösung“ bemüht. Aber da das bei dieser komplexen Konstellation erfahrungsgemäß auch noch eine ganze Weile dauern kann, macht er darauf aufmerksam, dass die Stadt auch alternative Wege zum Wandern ausgewiesen hat.

Das Naturdenkmal Mahdenbachtal

Naturdenkmal
Die Blühwiesen im Mahdenbachtal zeichnen ich aus durch einen sehr hohe Artenreichtum. Sie gehören zu den so genannten Offen-Land-Arten, die sich langfristig wieder zu einem Waldgebiet entwickeln würden, wenn da nicht regelmäßig gepflegt und gemäht wird. Dazu gibt es einen Managementplan, also einen Vertrag über die Richtlinien zur Landschaftspflege, den Stäbler als Bewirtschafter mit dem Landratsamt Esslingen abgeschlossen hat. Vorrang hat da der Naturschutz.

Landschaftspflegevertrag
Es dürfen hier unter anderem weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Festgelegt sind auch unter anderem eine zweimalige Mahd, gegebenenfalls auch als Mulch, hinzu kommen festgelegte Schnittzeitpunkte. Seit 2003 ist die linke sowie die rechte Wiese Naturdenkmal, seit 2010 haben sie den FFH-Status. Seit dem 1. Juli 2024 führt der Sohn Stefan den landwirtschaftlichen Betrieb Stäbler mit allen Rechten und Pflichten.

Internet
Des Einen Freud, des anderen Leid: Hinweise auf Spazierwege wie diesen findet man auch im Internet. Das sind freilich Einträge von Privatpersonen. Auch wenn diese im Rahmen einer Plattform erscheinen, gibt es da keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit der Angaben. Da gibt es auch keine Adresse etwa für Rückfragen oder Beschwerde. Wenn dort Kartenmaterial veröffentlicht wird, dann solches, das jeder nach Belieben bearbeiten kann. Bürgermeister Dihm: „In der Praxis ist da das Problem, dass hier kaum Regulierungen greifen und so Wege als vermeintlich „öffentlich“ in den Karten auftauchen. Leider ist es kaum möglich, diese nachträglich wieder zu entfernen, da man hier auf die Unterstützung der jeweiligen Programme angewiesen ist und häufig nach kurzer Zeit wieder neue Höhepunkte und ähnliches durch die Anwender solcher Programme erstellt werden.“