Bei der Wanderung zum Boiling Lake gibt es einige abenteuerliche Abschnitte, wie hier der Abstieg ins Valley of Desolation. Foto: Kiunke

Eine Wanderung zum zweitgrößten kochenden See der Erde auf der karibischen Insel Dominica ist eine abenteuerliche Herausforderung, die nass und vielleicht auch schöner macht.

Roseau - Der rechte Fuß wird als Erstes nass. Gut eine Stunde lang hatte man erfolgreich Pfützen umgangen, dann geht es über einen Bach, ein Ausrutscher und platsch, ergießt sich ein Schwall Wasser in den Wanderstiefel. Peter, der vom trockenen Ufer alles beobachtet, lässt das Missgeschick seines Schützlings völlig kalt. „What time is it?“, ruft der Wanderführer stattdessen und schiebt die Antwort gleich hinterher: „It’s hiking time“, Wanderzeit. Da darf man, bitte schön, wegen etwas Nässe nicht zimperlich sein. Peters Frage wird auf dieser Tour zur anfeuernden Parole werden, mit der er seine Gruppe für die Herausforderungen der Strecke motiviert: das steile, oft glitschige Gelände, der einsetzende Regen, die Überwindung des inneren Schweinehunds und einen Tag später nie gekannter Muskelkater.

Die Wanderung zum Boiling Lake, dem zweitgrößten kochenden See der Erde (der größte befindet sich in Neuseeland), gilt als eine der schwierigsten und anspruchsvollsten Touren auf der zwischen Guadeloupe und Martinique gelegenen Insel Dominica. Aber auch als eine der beliebtesten, weshalb die Strecke nach dem verheerenden Hurrikan Maria im September 2017 zu den ersten gehörte, die wieder freigeräumt wurde. Wanderführer Peter Green, der sich als „Peter, der Buschmann“ vorstellt, kennt buchstäblich jeden Baum und Stein auf dieser etwa 17 Kilometer langen Strecke. Bis zu fünfmal in der Woche wandert er in der Hauptsaison hier lang. Die angegebenen sechs Stunden sind knapp bemessen, da heißt es von Anfang an: Tempo, Tempo und keine langen Pausen. Vor Sonnenuntergang am frühen Abend muss man zurück sein, sonst könnte in dem feuchten Regenwald eine ungemütliche Nacht drohen. Und zurückschaffen muss man es, zur Not auch mit verstauchtem Knöchel, wie es Peter schon erlebte. It’s hiking time! Eben.

Dominica trägt den Beinamen „the nature island“

Aber der Mann mit den langen Kniestrümpfen in den Nationalfarben Dominicas Grün, Gelb, Schwarz, Rot hat Erfahrung genug, um die Kräfte seiner Pappenheimer einzuordnen und weiß zu motivieren. Unterwegs baut er immer wieder kleine, unterhaltsame, aber auch lehrreiche Pausen ein. Dann kann man sich wie Tarzan oder Jane an einer Liane über den Weg schwingen. Oder Verstecktes am Wegesrand erkunden: eine tiefe Schlucht, ungewöhnliche Zebra-Ameisen, gescheckte Riesenkrabben. Nirgendwo sonst in der Karibik findet sich so ein ursprünglicher Regenwald. Wegen ihrer vielfältigen Flora und Fauna trägt Dominica, von Großbritannien 1978 in die Selbstständigkeit entlassen, den Beinamen „The Nature Island“. Trotzdem kann man sich überall gefahrlos bewegen: Es gibt keine giftigen Tiere und Pflanzen.

Der erste Teil der Tour führt über ungezählte, mit Holzstämmen gesicherte Stufen meist bergauf, bis auf knapp 1000 Metern der höchste Punkt auf dem Morne Nicholls erreicht ist. Pause. Zeit, die Socken auszuwringen. Peter verteilt Bonbons und Regenumhänge, als es zum wiederholten Male anfängt zu tröpfeln. Der Blick geht über die bewaldeten Berge, in der Ferne ziehen Nebelschwaden über die Baumwipfel. „Da ist der Boiling Lake“, sagt Peter. Schaut nah aus.

Wer jetzt denkt, der anstrengendste und abenteuerlichste Teil liege hinter einem, wird schon gleich eines Besseren belehrt. Der Abstieg toppt alles bisher Erlebte. Es geht hinab ins Tal der Farben, wie man das Valley of Desolation ob seiner besonderen Eigenschaften auch nennen könnte. Wie ein Amphitheater liegt es zwischen den Bergen. Auf dem steinigen Boden brodelt, zischt und dampft es. Schlammtöpfe, heiße Quellen mit schwarzem und grauem Wasser, dampfende Fumarole, Bäche und Rinnsale durchziehen die karge Landschaft. Eine ganz andere Szenerie als im Regenwald.

Der Boden liefert das Material für die Maske

Hinunter geht es durch enge Felsspalten voller Wasser und Schlamm, an manchen Stellen muss über glatte Felsen geklettert werden. Den einzigen Halt bietet ein Seil. „Wäre es nicht besser umzukehren?“ Der Jüngste spricht aus, was auch die Älteren denken. Aber jetzt umkehren – das ist keine ernsthafte Option. „What time is it?“, ertönt es. Peter steht schon unten und streckt den über die Felsen Rutschenden seine Hand entgegen. Na also, geht doch, wenn auch auf dem Hosenboden.

Wie zur Belohnung hält Peter die nächste Überraschung bereit: Ab in die Maske, heißt es jetzt. Das Material liefert die Natur, genauer, der mineralienhaltige Untergrund des Tales, der Erde, Steine und Wasser färbt. Gelbe, braune, rote und graue Farbtöne sind zu erkennen. Bester Rohstoff für die Schönheit, versichert Peter, während er auf einem Felsen verschiedene Pasten mischt. „Die sind sehr gut für die Haut.“ Erst schmiert er sich die graue, dann darüber die braune Creme ins Gesicht. Dann vollzieht er die Schönheitsprozedur bei seinen Mitwanderern. Sie fühlt sich aber mehr wie eine Kriegsbemalung von Indianern an. Abwaschen? Keine Option, weiter geht’s.

Ohne Wanderführer wäre man hier verloren, denn der Weg führt kaum erkennbar über Geröll, teils durch, teils entlang eines Flusses durch das Tal. Dann geht es noch mal steil hoch, bevor das Ziel erreicht ist: der Boiling Lake. Wie ein sprudelnder Jacuzzi liegt er in einem Kessel, umgeben von Felswänden. In seinem Schlund brodelt und kocht es. Nebelschwaden ziehen hoch, verdichten sich, lösen sich wieder auf, so als würde ein unsichtbarer Choreograf einen Geistertanz dirigieren. So versunken und fasziniert von dem Schauspiel, sind alle Anstrengungen und Herausforderungen dieser Tour vergessen. Und Peters Parole „What time is it?“ klingt wie eine ernst gemeinte Frage. Völlig selbstverständlich schaut man auf die Armbanduhr und antwortet wahrheitsgemäß: „Na, 12.30 Uhr. Zeit für den Rückweg.“

Hinkommen, unterkommen, rumkommen,

Anreise

nreise
Nach Dominica reist man über Guadeloupe, Martinique oder Saint Martin an. Weiter mit der Fähre (www.express-des-iles.com) oder mit dem Flugzeug (www.airantilles.com).

Unterkunft

Unterkunft
Hotel Picard in Portsmouth: Anlage mit hübschen Holzhäusern direkt am Strand, ab 120 Euro ohne Frühstück: www.picardbeachcottages.dm Bestes Hotel der Insel, direkt am Meer, Fort Young Hotel in Roseau, DZ ab 175 Euro ohne Frühstück: www.fortyounghotel.com Charmant, tolle Lage: Tamarind Tree Hotel eines deutsch-schweizerischen Ehepaars, DZ ab 90 Euro mit Frühstück: www.tamarindtreedominica.com

Währung

1 Euro entspricht etwa 3 Ostkaribischen Dollars (ECD)

Allgemeine Informationen

Das Dominica Touristbüro für Deutschland sitzt in Stuttgart: Telefon 07 11 / 26 34 66 24. E-Mail: dominica@tropical-consult.deOffizielle Website des Landes: www.discoverdominica.com

Wandertouren

Wanderführer Peter Green kann über Facebook kontaktiert werden: www.facebook.com/petergreenthebushman