Walter Schnee und seine Frau Nila sind oft an der Ostsee. In nicht allzu ferner Zukunft steht sogar der Umzug dorthin an. Foto: privat

Walter Schnee hat noch etwas vor: Nach einem Vierteljahrhundert hört der Mann aus Stuttgart-Plieningen in der Lokalpolitik auf. Für ihn ist dieser Abschied allerdings erst der Anfang für eine viel größere Veränderung.

Plieningen - Schwups, weg war er. Ein bisschen so wirkte es, als Walter Schnee kurz vor dem Ende der Bezirksbeiratssitzung tschüss sagte. Er höre auf, es sei jetzt genug. 25 Jahre war er dabei, als Sprecher der Grünen. Der Abschied mache ihm nichts aus, sagt Walter Schnee ein paar Wochen später. Es gebe zwei Möglichkeiten: entweder an den Dingen hängenbleiben oder Veränderungen zulassen. Mit Veränderungen hat Walter Schnee keine Probleme. Ansonsten wäre schwer zu erklären, was er vorhat.

Walter Schnee ist 61 Jahre alt. Der Ruhestand ist in Sicht. Und den will der Urplieninger nicht in Plieningen verbringen. Es zieht ihn an die Ostsee, zu einem Fleckchen Erde, das er schon vor langer Zeit zu seinem persönlichen Paradies erklärt hat. Die Rede ist vom Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft in der ehemaligen DDR. Seit Ende der 1980er Jahre ist Walter Schnee der Landschaft verfallen.

Bereits jetzt ist er fünfmal im Jahr dort oben

Bald hat er sich dort ein Haus mit Reetdach gekauft. Wie heruntergekommen es einmal war, sieht man ihm nicht mehr an. Walter Schnee und seine damalige Lebensgefährtin haben es herausgeputzt. Es ist heute Ferienhaus für Gäste und Rückzugsort für den Besitzer. Etwa fünfmal im Jahr ist er dort. Im Dorf hat er viele Bekannte. Was auch an seinem Ehrenamt liegt. Seit Jahren engagiert sich der Plieninger im Förderverein des Nationalparks. Er trommelt für Spenden und macht Reklame für die unberührte Natur. Die Wasserpfützen in den Dünen seien ein ideales Brutgebiet für Vögel. Zum Beispiel für Kraniche. „Das ist der größte Kranichrastplatz in Deutschland“, sagt Schnee. Etwa 600 000 von ihnen würden hier Jahr für Jahr ausruhen auf ihrem Flug nach Spanien. Wenn die Kraniche im Herbst an der Ostsee landen, ist Walter Schnee in der Regel auch da. Für Touristen haben sie Plätze gebaut, von denen sie die Tiere beobachten können. Bei ihm sitzen sie direkt hinter dem Haus, sagt er. „Ein Kranich ist ein einmaliges Tier. Ich bin ein richtiger Spezialist.“ So war er auch schon im Winterquartier der Vögel in der spanischen Extremadura und hat sich alles erklären lassen.

Letztlich waren es die Kraniche und die ganze Gegend an der Ostsee, weshalb Walter Schnee daheim in Plieningen bei den Grünen gelandet ist. Er als Handwerker. Das brachte ihm anfangs viel Spott und Häme von Kollegen ein. „Damit habe ich gerechnet“, sagt er.

Walter Schnee ist, obwohl sein Vater auch Malermeister war, in keinem konservativen Milieu aufgewachsen. Sein Vater war Sozialdemokrat. Und Walter Schnee kam als junger Mann recht leger daher. Er zeigt ein Foto von sich bei seiner ersten Hochzeit mit Mitte 20. Er, vollbärtig, trägt blaue Latzhosen, die Braut einen Blumenkranz im Haar.

Kein Grüner wie aus der Klischee-Schublade

Heute wirkt Walter Schnee bei Weitem gesetzter. Seine Kleider sind schick, vor der Tür steht ein Mercedes. Also kein Grüner wie aus der Klischee-Schublade. „Ich habe immer gesagt, dass ich kein hundertprozentiger Grüner bin“, sagt er. „Es ist nicht alles kompatibel.“ Es geht ihm um den Grundgedanken und um den Umweltschutz, und daran hält er fest.

Was sein Leben nach dem Ruhestand angeht, hat er sich indessen entschlossen, loszulassen. Sein Sohn bereitet sich zurzeit auf die Übernahme des Plieninger Maler-Betriebs vor. Und Walter Schnee sieht sich schon als Selbstversorger in seinem Reetdachhaus, zusammen mit seiner zweiten Frau Nila. Er will noch einmal etwas anderes sehen als Plieningen, sagt er. „Es ist ein neuer Lebensabschnitt.“ Und der hat mit dem Abschied aus dem Bezirksbeirat nach 25 Jahren begonnen.