Wie soll der Stuttgarter Wald bewirtschaftet werden? Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Wie soll die Stadt künftig mit ihrem Wald forstwirtschaftlich umgehen? Der Waldbeirat sollte dafür eine Strategie entwickeln. Doch was ist daraus geworden? Eine Bürgerinitiative übt massive Kritik.

Stuttgart - War der Waldbeirat eine mehr als zwei Jahre dauernde Alibiveranstaltung? Glaubt man den Worten der Bürgerinitiative Zukunft Stuttgarter Wald, drängt sich der Eindruck auf.

Seit knapp zweieinhalb Jahren tagt der Waldbeirat, der Mitte 2019 eingerichtet wurde, um für den Stuttgarter Stadtwald eine neue Waldstrategie für die kommenden zehn Jahre zu erarbeiten. Also eine Art Leitfaden, wie die Stadt mit ihrem Wald in Zukunft forstwirtschaftlich umgehen sollte. Jetzt, auf der Zielgeraden, ist bei einigen Mitgliedern des Beirats die Ernüchterung groß: „Eine ergebnisoffene Diskussion hat dort nie stattgefunden“, sagt Jörg Noetzel, Sprecher der Bürgerinitiative Zukunft Stuttgarter Wald. Der Waldbeirat habe deshalb sein ursprüngliches Ziel verfehlt, der Prozess sei gescheitert.

Beirat unterstützt naturnahe Waldwirtschaft

Was den Mediziner Noetzel und andere Mitglieder des Beirats, die für eine eher extensive und naturnahe Waldwirtschaft eintreten, besonders ärgert: „Unterschiedliche Meinungen bezüglich der künftigen Waldstrategie wurden erst gar nicht ernsthaft von der Forstverwaltung angehört“, kritisiert Noetzel. Demnach seien in den vergangenen zwei Jahren häufig Fachreferenten ins Gremium eingeladen worden, die „eher konservative Lehrmeinungen“ in der Forstwirtschaft vertreten. In Person des Forstwirts Lutz Fähser, so Noetzel, aber nur ein einziges Mal ein Vertreter einer naturnahen Waldnutzung. Dazu passt, dass bereits vergangene Woche Greenpeace vor dem Landwirtschaftsministerium in Stuttgart für mehr Waldschutz demonstriert und darauf aufmerksam gemacht hat, dass im Land zu viel Holz eingeschlagen werde.

Großräumigen Fällungen waren Anlass für Einrichtung des Beirats

Eingerichtet wurde der Waldbeirat, in dem Vertreter aus der Bürgerschaft, aus der Kommunalpolitik sowie aus der Verwaltung Sitz und Stimmrecht haben, nachdem es 2018 im Anschluss an großräumige Fällungen im Stadtwald zu massiven Bürgerprotesten gekommen war. Neben der Erkenntnis, dass es in Zukunft eines Gremiums bedarf, das in Sachen Waldnutzung die Mitsprache der Bürger ermöglicht, war die Folge auch ein Baumernte-Moratorium. In den letzten zwei Jahren seien in Stuttgart nur noch Bäume zur Verkehrssicherung gefällt worden, erklärt dazu die Forstverwaltung.

Für Noetzel und die Vertreter einer naturnäheren Waldwirtschaft wie es beispielsweise das sogenannte Lübecker Modell propagiert und in zahlreichen Städten bereits umgesetzt wird, steht der Waldbeirat vor der entscheidenden Phase seiner Arbeit: Am Dienstag wird in der ersten Sitzung dieses Jahres die „Beschlussvorlage Zielsetzung Forsteinrichtung 2023-2032 inklusive Leitbild“ aufgerufen, die Grundlage für die kommende Waldstrategie ist.

Keine ausreichende Diskussion stattgefunden

Für den 58-jährigen Klinikmanager ein Unding: Denn der nun von der Forstverwaltung aufgestellte Zielkatalog wurde nach Ansicht des Beiratsmitglieds nie ausreichend diskutiert. Die darin aufgeführten einzelnen Zielmarken, sagt Noetzel, waren zuvor in einem „Hauruck-Verfahren“ zu Abstimmung gekommen. „Und auch der Wunsch, eine öffentliche Podiumsdiskussion zu dem Thema durchzuführen, bevor der Waldbeirat Empfehlungen an den Gemeinderat und die zuständigen Ausschüsse ausspricht, wurde abgelehnt.“ Wie Noetzel betont auch Beiratsmitglied Michael Horlacher, dass über das nun zur Abstimmung vorgelegte Papier zuerst noch einmal intensiv debattiert werden müsste.

Verwaltung berät sich quasi selbst

Nicht auszuschließen ist, dass der Waldbeirat an einem grundsätzlichen Konstruktionsfehler krankt: Denn in dem Gremium, das eigentlich ein breites Spektrum der Bürgermeinung darstellen soll, stimmt die Verwaltung über ihre eigene Arbeitsweise im Forst mit ab, berät sich quasi selbst. Noetzel betont, dass dies bei der Gründung des Beirats niemand bemängelt hatte. Man sei damals froh gewesen, überhaupt mitsprechen zu dürfen.

Wie die Stadtverwaltung erklärt, habe sich der Waldbeirat intensiv mit der Forsteinrichtungserneuerung auseinandergesetzt. Für 2022 seien zwei weitere Sitzungen sowie eine Waldbegehung geplant. An einer dieser Sitzungstermine werde auch über die Zukunft des Gremiums gesprochen.