Pro Waldheimabschnitt kommen etwa 350 Kinder auf das Gelände an der Waldburgstraße. Darunter sind immer auch ein paar Mädchen und Jungen mit Behinderung. Foto: privat

Seit 25 Jahren machen Kinder mit Behinderung beim Ferienwaldheim in Stuttgart-Vaihingen mit. In diesem Jahr sind zum dritten Mal auch unter den Mitarbeitern Menschen mit Handicap. Das Engagement lohnt sich.

Vaihingen - Bunt ist ein Ferienwaldheim sowieso. Auf dem Gelände der evangelischen Kirchengemeinde Vaihingen am Ende der Waldburgstraße tummeln sich in den Sommerferien wieder 700 Kinder, 350 im ersten Waldheimabschnitt und noch einmal 350 im zweiten. Hinzu kommen jeweils etwa 65 pädagogische Mitarbeiter und 25 bis 30 Küchenmitarbeiter.

Im evangelischen Waldheim Vaihingen ist aber alles noch ein bisschen bunter. Denn seit 25 Jahren gibt es eine Kooperation mit dem Behindertenzentrum (BHZ) Stuttgart. Jedes Jahr sind unter den Waldheimkindern fünf bis acht Mädchen und Jungen mit einer Behinderung. Für Mareike Boltjes ist das eine Selbstverständlichkeit. Die Sonderschullehrerin arbeitet seit zwölf Jahren im Waldheim mit; seit vier Jahren ist sie im Leitungsteam und mittlerweile für das Inklusionsprojekt „Kunterbunt“ verantwortlich. „Für die Kinder sind die Waldheimferien immer etwas ganz Besonderes. Und wer als Kind im Waldheim war, will später oft auch als Mitarbeiter dabei sein“, sagt die 28-Jährige. Das wolle sie auch den Mädchen und Jungen mit Behinderung ermöglichen. So entstand die Idee für das „Waldheim kunterbunt“.

2015 halfen zum ersten Mal Menschen mit Behinderung in der Waldheimküche. Im vergangenen Jahr waren es drei Frauen und Männer. Ein 17-Jähriger arbeitete sogar im pädagogischen Bereich mit. „Wir haben geschaut, was geht, wo seine Stärken liegen“, sagt Boltjes. Und vieles sei gegangen. „Natürlich hat nicht immer alles geklappt. Das ist aber bei Menschen ohne Behinderung genauso“, sagt Boltjes und ergänzt: „Für die Kinder war das kein Problem. Sie haben den Waldheimmitarbeiter akzeptiert, wie er ist.“

Waldheimteam gewinnt Stuttgarter Bürgerpreis

Die Mitarbeiter ohne Behinderung werden für das Thema sensibilisiert. Einige lassen sich zu Mentoren für die Mitarbeiter mit Behinderung schulen. Sie sind dann während den Freizeiten Ansprechpartner für die Menschen mit Behinderung und geben ihnen Sicherheit. Die offene Atmosphäre im Waldheim biete ideale Voraussetzungen für Inklusion, findet Boltjes und fügt hinzu: „Das zentrale Motiv für das Projekt sehen wir in unser aller Auftrag, Inklusion als selbstverständlich zu etablieren. Und zwar dort, wo die Voraussetzungen dafür da sind oder geschaffen werden können.“ Das Ferienwaldheim könne für Menschen – unabhängig von ihren persönlichen Voraussetzungen – ein Ort der Teilhabe, der Anerkennung, der sozialen Gerechtigkeit und der persönlichen Beziehungen sein.

Vor Kurzem bekam das Waldheimteam für sein Inklusionsprojekt „Kunterbunt“ den Stuttgarter Bürgerpreis im Bereich Innovation. Nun geht es für den Deutschen Engagementpreis 2017 ins Rennen. „Wir sind sehr stolz und freuen uns riesig, nach dem Stuttgarter Bürgerpreis nun eine Nominierung für den Deutschen Engagementpreis erhalten zu haben. Das ist eine große Bestätigung für alle Mitarbeiter des Ferienwaldheims für die viele Arbeit und Leidenschaft, die jedes Jahr zu vier unvergesslichen Wochen Ferienwaldheim führt“, sagt Mareike Boltjes.

Investition in ein rollstuhlgerechtes Trampolin?

Das Bündnis für Gemeinnützigkeit vergibt den Deutschen Engagementpreis in fünf Kategorien: Chancen schaffen, Leben bewahren, Generationen verbinden, Grenzen überwinden und Demokratie stärken. Eine Jury kürt die Sieger. Diese bekommen je 5000 Euro. Über den mit 10 000 Euro dotierten Publikumspreis stimmen im Herbst die Bürger im Internet ab. Die Preisverleihung ist am 5. Dezember in der Bundeshauptstadt Berlin.

Boltjes hat schon eine Vorstellung davon, was sie mit dem Preisgeld kaufen könnte. „Es soll auf jeden Fall etwas Nachhaltiges sein – etwas, das den inklusiven Charakter widerspiegelt“, sagt die Vaihingerin. Sie denkt zum Beispiel an eine Kletterinstallation beziehungsweise einen Spielturm, der auch mit dem Rollstuhl befahrbar ist, oder ein rollstuhlgerechtes, in den Boden eingelassenes Trampolin. Und wenn man mit Menschen mit Behinderung zusammenarbeite, dann ergebe es sich immer mal, dass spontan ein bestimmtes Hilfsmittel gebraucht werde. „Für so etwas hätten wir dann ein bisschen Geld in der Hinterhand“, sagt Boltjes und ergänzt: „Auf jeden Fall würde das Preisgeld zu 100 Prozent dem Waldheim zugute kommen.“