Sehnsuchtsort zwischen Wald und Reben: Das Waldschlössle auf dem Fellbacher Kappelberg wird an die Stadt verkauft. Foto: Patricia Sigerist

Die Ferienerholung der evangelischen Kirche könnte ab 2021 wieder auf dem Kappelberg stattfinden – weil die Stadt Fellbach das geschichtsträchtige Objekt unter ihre Fittiche nimmt. Für Natursport und Waldkindergarten gibt es große Pläne.

Fellbach - Was lange währt, wird endlich Wirklichkeit: Nach zweimaliger Verschiebung der Entscheidung haben Fellbachs Stadträte am Dienstag dem Kauf des Waldschlössle auf dem Kappelberg mit einer großen Mehrheit zugestimmt. Hintergrund der Verzögerung war eine Überarbeitung des künftigen Nutzungskonzepts. Die für viele Bürger als Sehnsuchtsort aus Kindertagen geltende Immobilie wechselt aus dem Besitz der evangelischen Kirche ins Grundstücks-Portfolio der Stadt, als Kaufpreis sind 236 000 Euro vereinbart.

Ein zweites Sanierungspaket mit der Erneuerung von Fassade, Fenstern und Dachhaut ist erst in einigen Jahren geplant

Deutlich mehr Geld als die Übernahme wird die Renovierung des seit Jahren leerstehenden und in vielen Bereichen stark baufälligen Ausflugslokals verschlingen. Schon für eine Teilsanierung mit dem Austausch von Elektrik, Wasserleitungen und Sanitäranlagen, der Aufrüstung der Dachdämmung sowie dem Einbau eines Aufzugs wird mit Kosten von knapp drei Millionen Euro gerechnet. Ein zweites Sanierungspaket mit der Erneuerung von Fassade, Fenstern und Dachhaut ist erst in einigen Jahren geplant, aber bereits mit mindestens 750 000 Euro veranschlagt. Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull sprach am Dienstag von einer mit Blick auf andere drängende Aufgaben nicht einfachen Investition, bezeichnete den Kaufpreis aber als „angemessenen“. Mit berücksichtigt ist das Recht der Kirchengemeinde, das Areal auf dem Kappelberg in den kommenden fünf Jahrzehnten mietfrei für das vierwöchige Waldheim in den Sommerferien zu nutzen. Im Jahr 2021 könnte die aktuell auf den Oeffinger Tennwengert ausgelagerte Ferienerholung für Kinder und Jugendliche erstmals wieder auf dem Kappelberg stattfinden. Laut der Rathauschefin besteht „berechtigte Hoffnung, aber noch keine verbindliche Gewissheit“, dass es mit den Sanierungsarbeiten bis zu diesem Termin klappt.

Bereits fest mit im Boot der Waldschlössle-Nutzer ist auch der evangelische Verein

Zu dem im Landschaftsschutzgebiet liegenden Waldschlössle gehört ein Waldstück mit mehr als einem Hektar Fläche. Laut dem in den vergangenen Wochen überarbeiteten Nutzungskonzept soll das Areal künftig zum einen vom SV Fellbach für Sportangebote in der Natur genutzt werden. Neben Boule, Basketball oder auch Badminton ist auf den bereits terrassierten Flächen an die Installation von Fitnessgeräten und Parcours gedacht. Außerdem denkt der Klub mittelfristig über Naturpädagogik nach: Ein gemeinsam mit den Stadtwerken realisierter Energielehrpfad ist ebenso im Gespräch wie mit Förster, Naturschutzbund und Jägern erarbeitete Rundgänge zur Tierwelt oder eine Kooperation mit Weinbau und Gartenfreunden zu gesunder Ernährung. Bereits fest mit im Boot der Waldschlössle-Nutzer ist auch der evangelische Verein. Der Sozialträger will das Areal nutzen, um seinen Waldkindergarten um eine zweite Gruppe auf 40 Sprösslinge aufzustocken. Um bei Schlechtwetter einen Unterschlupf zu bieten, wird die bisherige Pächterwohnung zurückgebaut und künftig als Schutzraum genutzt.

Direktor Jens Mohrmann bekommt eine weitere Aufgabe mit auf den Schreibtisch

Ob die Nutzung für die Kinderbetreuung parallele Angebote einschränkt oder gar verhindert, muss die Stadt allerdings noch klären. Außerdem will die Stadt mit einem Interessenbekundungsverfahren herausfinden, ob weitere Vereine oder Gruppen bei der Nutzung des Außenbereichs noch den Finger heben. Noch nicht beendet sind die Gespräche über die Verpachtung des Ausflugslokals und des 200 Besucher fassenden Saals für den Wochenendbetrieb. Fest steht bisher nur, dass sich die Stadt auf die Suche nach einem Profi macht – und gastronomisch interessierte Vereine schon aus Haftungsgründen keine Chance haben. Abgewickelt werden sollen Sanierung und Betrieb übrigens einmal mehr übers Team der Schwabenlandhalle – Direktor Jens Mohrmann bekommt eine weitere Aufgabe mit auf den Schreibtisch.

Freude über den Beschluss war auch aus dem Lager der Waldheim-Mitarbeiter zu hören

Die Entscheidung zum Kauf war im Fellbacher Gemeinderat am Dienstag nur noch Formsache. Für die FW/FD-Fraktion sagte Ulrich Lenk, es habe sich gelohnt, sich für das Nutzungskonzept die nötige Zeit zu nehmen, jetzt gebe es für die Waldheim-Zukunft eine tragfähige Grundlage. CDU-Rat Hans-Ulrich Spieth nannte Kauf und Nutzung „sinnvoll und nachvollziehbar“ und sprach von guten Partnern für einen dauerhaften Betrieb. Ein gutes Gesamtpaket sah Andreas Möhlmann (SPD), der richtig findet, „dass das Waldheim wieder in den Wald kommt“. Grünen-Sprecher Karl Würz sagte, dass ihm mit dem Kauf-Beschluss „ein großer Stein vom Herzen“ falle. Nur CDU-Rat Richard Kauffmann stimmte gegen die Über-nahme: Aus seiner Sicht wird das Waldschlössle unter städtischer Regie schlichtweg zu teuer. Freude über den Beschluss war auch aus dem Lager der Waldheim-Mitarbeiter zu hören – auch wenn sich das Team ursprünglich gewünscht hatte, schon im kommenden Sommer auf den Kappelberg zurückkehren zu können. „Wir waren optimistisch, dass es klappt. Jetzt haben wir endlich Gewissheit“, sagt Julian Deifel. Der logistische Aufwand auf dem Tennwengert ist so hoch, dass bei der Sommererholung bisher draufgelegt wird – allein in diesem Sommer 20 000 Euro.