Millionengrab auf dem Kappelberg? Das seit 2012 leer stehende Waldschlössle erregt im Gemeinderat die Gemüter. Foto: Patricia Sigerist Foto:  

Die angekündigte Übernahme des Symbolorts auf dem Kappelberg löst bei einem Teil der Fellbacher Stadträte großen Ärger aus – zumal sich Investoren wie der Spargel-Landwirt Klaus Bauerle nun von Stadt und Kirche ausgebootet fühlen.

Fellbach - Beim Informationsfluss aus dem Rathaus sind Fellbachs Stadträte durchaus Kummer gewöhnt. Die Lektüre unserer Mittwochsausgabe hat bei einigen Bürgervertretern offenbar dennoch Schnappatmung ausgelöst. „Die Kirche verkauft das Waldschlössle an die Stadt“ stand da in großen Lettern zu lesen.

Für eine abgespeckte Renovierung sind über 2,1 Millionen Euro fällig

In dem auf ein Pressegespräch zurückgehenden Text wurde nicht nur erwähnt, dass das Fellbacher Waldheim spätestens im Sommer 2021 wieder auf dem Kappelberg stattfinden soll. Finanzbürgermeister Johannes Berner machte bei dem Termin auch eine erste Kostenkalkulation öffentlich. Neben einem auf Schnäppchenniveau liegenden Kaufpreis von 236 000 Euro geht es auch um die Sanierungskosten. Schon für eine abgespeckte Renovierung, bei der allenfalls Elektrik, Sanitär und Wasserrohre ausgetauscht werden, sind laut Berner über 2,1 Millionen Euro fällig.

Ausdrücklich erwähnt wurde in der Berichterstattung auch, dass Fellbachs Stadträte dem Kauf erst noch zustimmen müssen. Und das scheint für etliche Bürgervertreter nicht nur eine Formsache zu sein. Im Gegenteil: In der Lokalpolitik gibt es vor der Entscheidung am Dienstag durchaus Stimmen, die sich vehement wehren, den Waldschlössle-Deal einfach nur durchzuwinken – und das Thema für eine ausführliche Diskussion am liebsten von der Tagesordnung nehmen würden.

Das Konzept ist nicht ausgereift

„Ich bin schon ziemlich verärgert, dass das jetzt so schnell abgewickelt werden soll – und sich die Stadt ohne Not so ein Projekt an den Hals hängt“, sagt der CDU-Stadtrat Erich Theile. Er zweifelt offen an, dass die Kommune bei den Sanierungskosten schon die ganze Wahrheit weiß. Und rätselhaft ist für ihn auch die Frage, wie das Waldschlössle außerhalb der vier Waldheim-Wochen mit Leben gefüllt werden soll: „Was ist denn, wenn keine Sommerferien sind? Das Konzept ist doch nicht ausgereift!“

Mit dieser Sicht der Dinge steht der Goldschmiedemeister im Gemeinderat nicht allein. Auch sein Fraktionschef Hans-Ulrich Spieth – persönlich der Übernahme durchaus aufgeschlossen – räumt ein, dass das fehlende Konzept und der beim Vor-Ort-Termin angekündigte Kauf im Gremium für Befremden gesorgt haben. „Mancher Kollege fühlt sich wirklich veräppelt“, sagt Spieth. Er selbst sieht eine gastronomische Nutzung skeptisch und kann nachvollziehen, dass die Kirche endlich Nägel mit Köpfen machen will: „Vielleicht führt an der Übernahme durch die Stadt kein Weg vorbei“, sagt Spieth.

Die Kirche habe das Waldschlössle trotz aller Symbolkraft verlottern lassen

Ulrich Lenk spricht als Fraktionschef der FW/FD zwar von mangelndem Respekt vor dem Votum des Gemeinderats und bemängelt ebenfalls die ungeklärte Nutzung, hat sich zum Kauf selbst aber noch keine abschließende Meinung gebildet. Stadtrat Ingolf Sibert zieht dagegen kräftig vom Leder. „Es muss allen klar sein, dass sich die Stadt mit dem Objekt ein Millionengrab einkauft“, warnt er vor hohen Folgekosten. Die Kirche habe das Waldschlössle trotz aller Symbolkraft verlottern lassen, der Steuerzahler solle die Karre jetzt aus dem Dreck ziehen. „Mir schwillt da echt der Hals“, sagt der bei der Wahl auf der FW/FD-Liste stehende Kandidat.

Weniger Probleme mit dem Waldschlössle-Kauf haben SPD und Grüne. Für Stadtrat Andreas Möhlmann hat schon die sieben Jahre währende Hängepartie um die einst von Sternekoch Armin Karrer geplante Nobelherberge gezeigt, dass der freie Markt mit den vielfältigen Vorgaben von Ferienerholung bis Naturschutz nicht zurechtkommt. „Das Waldheim ist für uns das wichtigste“, kündigt der Stellvertreter von Sybille Mack die Unterstützung der Fraktion an. Grünen-Chefin Agata Ilmurzynska spricht von einer Riesen-Chance, die aus ihrer Sicht ergriffen werden sollte: „Ist das Waldschlössle in städtischer Hand, ist es gesichert – man kann dann in Ruhe ein Modell überlegen“, sagt sie.

Investoren wird nicht der rote Teppich ausgerollt

Zünglein an der Waage könnte für unentschlossene Stadträte am Dienstag freilich die Frage werden, inwieweit die Stadt mit ihrem Engagement private Investoren ausgebremst hat. Seit dem Abbruch der Gespräche mit Gastronom Karrer im Herbst 2018 haben schließlich etliche Interessenten den Finger für das Waldschlössle gehoben. Mit ihren Konzepten stießen sie bei der Kirche aber offenbar auf taube Ohren. „Wir wurden immer wieder vertröstet, man werde sich zu gegebener Zeit bei uns melden“, sagen zwei Geschäftspartner, die in Fellbach seit Jahren einen gut gehenden Betrieb führen und ihr Angebot auf dem Kappelberg gern mit Firmenfortbildungen und Erlebnispädagogik ausgebaut hätten. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichtet das Duo, auch im Rathaus nicht das Gefühl gehabt zu haben, dass Investoren in Fellbach der rote Teppich ausgerollt wird. „Wir wurden ziemlich abgefertigt – es war klar, die Stadt will sich das lieber selbst sichern als jemand anderes zum Zug kommen zu lassen“, erzählt der Geschäftsführer.

Geschäftsmann hat nach wie vor Interesse am Waldschlössle

Ähnliches berichtet Klaus Bauerle. Der auf Spargel und Erdbeeren spezialisierte Landwirt hatte bereits im Herbst ebenfalls Interesse am Waldschlössle angemeldet, dem er sich nach eigener Aussage seit CVJM-Zeiten verbunden fühlt. Ernsthaft gefragt fühlt sich Bauerle nicht: „Ich habe immer auf ein Gespräch gewartet – aber nie die Chance bekommen, dass man mal drüber redet“, gibt er auf Nachfrage zu Protokoll. Dass der als gewiefter Geschäftsmann geltende Spargelkönig nach wie vor Interesse am Waldschlössle bekundet, dürfte im Gemeinderat am Dienstag übrigens durchaus kritische Nachfragen auslösen. Die Stadtverwaltung hatte Bürgervertretern in Beratungen hinter verschlossener Türe dem Vernehmen nach eher den Eindruck vermittelt, dass das Interesse des Besenwirts erlahmt sei. Laut Bauerle ist das Gegenteil der Fall: „Das Waldschlössle liegt mir saumäßig am Herzen. Ich hätte das alles so gelassen wie es ist und höchstens die Hüttenwerke im Garten durch eine schöne Holzscheuer für den Waldkindergarten ersetzt“, sagt er. Auch die Nutzung für die vierwöchige Waldheim-Erholung im Sommer sei für ihn nie ein Problempunkt gewesen.

Waldschlössle-Deal soll ausführlich diskutiert werden

Dass sich Klaus Bauerle jetzt als ausgebooteter Kaufinteressent aus der Deckung wagt, könnte so manchen Stadtrat noch mehr ins Grübeln bringen. Denn eine Übernahme durch die Stadt war offenbar in mehreren internen Sitzungen als „alternativlos“ dargestellt worden. Schließlich habe die evangelische Kirche als Vorgabe gemacht, dass der Kaufpreis und die Renovierung finanziert werden müssen, das Waldheim gesichert ist und es durch Bauanträge oder Nutzungskonzepte keine weiteren Verzögerungen gibt. Der bisher für die Unabhängigen Bürger im Gremium vertretene Andreas Zimmer fordert deshalb, dass der Waldschlössle-Deal am Dienstag von der Tagesordnung kommt und ausführlich diskutiert wird: „Das wäre ja der Hammer: Die Stadt erhöht völlig grundlos die Gewerbesteuer. Und mit den Einnahmen macht sie dann ausgerechnet denen Konkurrenz, die einen guten Teil dieser Steuer zahlen.“