Sie kümmern sich um Bereiche wie Arbeit, Bildung und Teilhabe: Anne Schuberth, Ramazan Altintas und Tiba Hijazi (v.l.). Foto: C. Barner

Vor rund zwei Jahren war das größte Problem die schnelle Unterbringung der vielen geflüchteten Menschen. Nun gibt es neue Herausforderungen: Die drei Integrationsmanager von Waldenbuch im Kreis Böblingen berichten.

Waldenbuch - Sie stehen schon lange leer, die beiden Leichtbauhallen am Waldenbucher Stadion und am Hallenbad. Der Landkreis will die Zelte demnächst abbauen. Sie sind die letzten sichtbaren Zeugen der dramatischen Wochen rund um den Jahreswechsel 2015/2016, als sich wegen des großen Flüchtlingszustroms auch in der Schönbuchstadt alles um diese eine Frage drehte: Wohin mit den vielen Menschen?

Die Situation hat sich beruhigt. Nur noch etwa 30 neue Flüchtlinge werden im Landkreis Böblingen derzeit monatlich registriert. Die Stadt Waldenbuch muss 2018 fünf Personen aufnehmen. Aus der schnellen Hilfe vor Ort ist ein Langzeitprojekt geworden. Wer schon da ist und bleiben darf, benötigt Unterstützung. In der 8700 Einwohner zählenden Schönbuchstadt sind das rund 200 Menschen, die begleitet und gefördert werden müssen. „Die Aufgaben haben sich verändert, aber sie sind nicht weniger geworden“, sagt Anne Schuberth.

180 Menschen sind aktiv als Helfer unterwegs

Gemeinsam mit Ramazan Altintas und Tiba Hijazi ist sie bei der Stadt Waldenbuch als sogenannte Integrationsmanagerin angestellt. „Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Bildung, gesellschaftliche Teilhabe – es gibt einen Riesenbedarf an Hilfen“, stellt das Trio fest. Einmal pro Woche treffen sie sich zur Besprechung. Die Aufgaben sind klar verteilt. Anne Schuberth ist als Ehrenamtskoordinatorin Ansprechpartnerin für die rund 180 aktiven Helfer, die im Freundeskreis für Flüchtlinge organisiert sind. Der Sozialarbeiter Ramazan Altintas hat ein Büro im Rathaus und eines in der städtischen Gemeinschaftsunterunterkunft im Aichgrund.

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ergänzt Tiba Hijazi, die libanesische Wurzeln hat und Arabisch spricht, das Team und kümmert sich um die Flüchtlinge im Containerbau auf dem Stadionparkplatz, den die Stadt für die Anschlussunterbringung vom Landkreis übernommen hat. „Das ist eine ganz besondere Herausforderung. Die Unterkunft wurde komplett neu belegt. Die Leute wurden nun schon zum wiederholten Mal aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen“, berichtet die 37-Jährige.

Manche Flüchtlinge sprechen deutlich lauter

Kontinuität, Verlässlichkeit, Respekt und Verständnis, aber auch klare Ansagen sind der Mix, von dem sich die Waldenbucher Integrationsmanager die größten Erfolge versprechen. „Ich versuche außerdem, den Flüchtlingen die deutsche Kultur zu vermitteln. Es ist ein großer Vorteil, wenn man die Gepflogenheiten in ihrem Heimatland kennt und weiß, wie die Verhaltensweisen einzuordnen sind“, sagt Tiba Hijazi. Dazu gehören so einfache Dinge, wie die Lautstärke der Stimme. „Was hier als Schreien empfunden wird, ist für viele ein ganz normaler Umgangston“, erklärt sie.

Das ist nur eine kleine Facette von vielen, die zeigt, wie vielschichtig die Schwierigkeiten sind. „Thema Nummer eins ist nach wie vor die Sprache“, stellt Ramazan Altintas fest. Das sei vor allem bei der Arbeitssuche ein Problem. Erst kürzlich habe er einem Mann eine Stelle als Gabelstaplerfahrer bei Ritter Sport vermittelt. „Bei der Prüfung zum Stapler-Führerschein habe ich übersetzt. Anders wäre es nicht gegangen“, berichtet der städtische Sozialarbeiter. Sprachkurse gebe es inzwischen zwar genug, aber das brauche einfach seine Zeit. Zumal die Neuankömmlinge zum großen Teil Analphabeten seien. „Nicht in allen Herkunftsländern ist es selbstverständlich, dass Kinder durchgängig in die Schule gehen“, ergänzt Tiba Hijazi.

Vermieter wollen nicht an Flüchtlinge vermieten

Eine weitere große Hürde ist die Wohnungssuche. Anne Schuberth hat die Aufgabe übernommen, nach Annoncen zu suchen oder Vermieter direkt anzusprechen. „Ich weiß schon gar nicht mehr, wie ich das formulieren soll. Sobald man das Wort Flüchtling sagt, kommt sofort die Ablehnung“, berichtet sie. Da helfe auch der Hinweis nicht weiter, dass sich die Stadt auf Wunsch als verlässlicher Mieten-Zahler dazwischen schalte und die Betreuung garantiere.

Beim nächsten Treffen der Integrationsmanager mit den neuen Mitbürgern kann hinter das Thema Wohnungssuche dann wieder einmal kein Haken gesetzt werden. Denn: Die Hilfen des Integrations-Teams folgen einem festen Schema. „Wir erstellen für jede Person einen individuellen Plan in dem ihre Ziele definiert werden. Beide Seiten unterschreiben das Dokument. Alle drei Monate wird gemeinsam Bilanz gezogen“, erklärt Anne Schuberth. Somit könne man auf Fehlentwicklungen schnell reagieren.

Sie ist seit 2016 im Dienst der Stadt und kennt mittlerweile auch die Schwachstellen staatlicher Integrationsbemühungen. „In Kindergärten und Schulen könnte man noch viel mehr tun“, betont sie. Jedes Kind, auch wenn es kognitiv bestens aufgestellt sei, brauche Unterstützung und Hausaufgabenhilfe. In Waldenbuch gebe es dafür nun wieder einen Bundesfreiwilligendienstleistenden (Bufdi). Auch bei der Aufarbeitung der Traumata liegt nach den Erfahrungen von Anne Schuberth vieles im Argen. „Es gibt zu wenig Angebote. Die Menschen stecken in einem Tunnel fest. Einzelne sind so darin gefangen, dass sie keine Möglichkeit haben, sich gedanklich neu zu orientieren.“

Paten für Familien werden dringend gesucht

Doch die Weichen dafür werden nicht auf kommunaler Ebene gestellt. Dort, wo sie selbst etwas bewegen können, wünschen sich die Waldenbucher Integrationsmanager vor allem zusätzliche Unterstützung aus der Bevölkerung. „Wir haben ein unglaubliches Netzwerk der Hilfen, aber wir brauchen immer noch Paten, die bereit sind, die Familien persönlich zu begleiten“, sagt Anne Schubert. Sie hat festgestellt: „Der Kontakt von Mensch zu Mensch bedient das Herz. Da wird vieles aufgefangen, bevor es zum Problem wird.“

Doch auch dieser Mosaikstein ist lediglich ein Teil in einem großen Bild, das sich nur langsam zusammenfügt. Die Menschen mal eben schnell in die Gesellschaft einsortieren – aus diesem Wunschtraum wird wohl nichts. Ramazan Altintas kommt aufgrund seiner Erfahrungen zu dem Schluss: „Integration kann man nicht zeitlich limitieren. Das ist ein langer Prozess, der von vielen Faktoren abhängt. Dazu gehört die Bereitschaft der Flüchtlinge, sich einzubringen. Dazu gehört aber auch der Wille der Gesellschaft, sich zu öffnen und die entsprechenden Hilfen zu bieten. Das ist ein Projekt, das Generationen dauern kann.“