Der Wald speichert nicht mehr so viel Kohlenstoff – im Südwesten ist die Trendumkehr noch nicht so dramatisch wie im gesamten deutschen Wald. Foto: dapd/Jens Schlueter

Der Forst ist eine Quelle für Kohlendioxid geworden, was eine dramatische Trendumkehr bedeutet. Wie aber sieht es in den Wäldern des Südwestens aus? Und warum nutzt Minister Peter Hauk (CDU) den Klimaschutz, um weiter gegen den Nationalpark zu wettern?

Es war ein Paukenschlag, den Bundesforstminister Cem Özdemir (Grüne) vor wenigen Tagen verkündet hat: Der deutsche Wald habe seine Rolle als Speicher von Kohlenstoff und damit seine bedeutende Funktion im Klimaschutz verloren, sagte er. Bäume nehmen grundsätzlich Kohlendioxid auf und speichern es als Kohlenstoff. Aber diese Menge sei seit 2017 um drei Prozent gesunken. Diese Trendumkehr ist eine Folge des Klimawandels, weil mehr Bäume durch Stürme, Borkenkäfer und Dürren kaputt gehen würden. In Sachsen-Anhalt etwa gingen seit 2012 drei Viertel der Fichten verloren, in Hessen die Hälfte.

 

Aber wie viel sind eigentlich drei Prozent? Und wie sieht es in Baden-Württemberg aus? In den deutschen Wäldern sind laut der ganz aktuellen Bundeswaldinventur 2,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den Bäumen selbst, aber auch im Laubstreu und im Boden gebunden. Im Jahr 2023 hat ganz Deutschland 674 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Das bedeutet, dass der Wald mehr als drei Mal so viel Kohlenstoff speichert als das ganze Land jährlich an CO2 emittiert. Gäbe es keinen Wald mehr, hätte das also dramatische Konsequenzen. Nebenbei: In Mooren ist ungefähr gleich viel Kohlenstoff wie in den Wäldern gespeichert, obwohl sie nur etwa vier Prozent der Fläche bedecken, Wälder aber 30 Prozent. Der Rückgang der Speicherfähigkeit um drei Prozent erhöht den CO2-Ausstoß in Deutschland damit um jährlich knapp zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid.

Dagegen sind in Baden-Württemberg trotz der heißen Sommer die ganz großen Fichten-Kahlflächen bislang ausgeblieben, sodass der Holzbestand und damit die Kohlenstoffwerte nicht in die Knie gegangen sind. Das liegt daran, dass viele Fichtenreinbestände bei uns in höheren Lagen wachsen und dass das Land früh mit dem Waldumbau begonnen hat. Aber dennoch: Auch im Südwesten ist die gebundene Kohlenstoffmenge stagniert, bei 281 Millionen Tonnen. Ulrich Schraml, der Leiter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg, muss einräumen, dass dies erstmals seit der ersten Bestandsaufnahme im Jahr 1987 der Fall sei, bisher seien die Werte immer gewachsen.

Er erklärt die schlechteren Zahlen mit zwei Gründen. Erstens wolle man zugunsten des Artenschutzes mehr alte Bäume und auch mehr Totholz im Wald, die aber weniger Kohlenstoff speichern könnten oder ihn sogar wieder freigeben. Zudem gehe man immer stärker weg von schnell wachsenden Baumarten wie der Fichte. Sie hat im Südwesten noch einen Anteil von 31 Prozent; 1987 waren es noch 44 Prozent.

Im Übrigen betonte Ulrich Schraml, dass das Kohlendioxid gar nicht unbedingt frei geworden sei, wenn weniger Holz im Wald stünde: Wenn man Möbel daraus gemacht habe, bleibe der Kohlenstoff womöglich auf Jahrzehnte hinaus gebunden. „Die Sache ist komplex“, so Schramls Fazit.

Baden-Württembergs Forstminister Peter Hauk (CDU) hält deshalb an seiner Position fest, dass man nur mit einem bewirtschafteten Wald das Klima schützen könne. Dieser Tage nutzte er die Vorstellung des neuen Waldschadensberichts zu einer erneuten Tirade gegen den Nationalpark: „Die Vergrößerung des Parks ist ein komplett verfehlter Weg“, meinte er und fügte an: Wenn es nach ihm ginge, würde er gar nichts machen. Er schoss damit wieder einmal auch gegen seine eigene Partei und gegen den CDU-Fraktionsvorsitzenden Manuel Hagel, der die Fusion der beiden Parkteile vor wenigen Wochen zusammen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) abgesegnet hatte.

Im Nationalpark gingen viele Bäume kaputt, Kohlendioxid würde frei, so argumentiert Hauk, der sich zumindest in der Frage des Nationalparks immer als leidenschaftlicher Klimaschützer zeigt. Doch es gehe dort vor allem um den Artenschutz, hatte Kretschmann vor kurzem gekontert. Nun ließ Hauk auch daran kaum ein gutes Haar. Im Wirtschaftswald werde fast genau so viel für den Artenschutz getan und zwar auf einer viel größeren Fläche. So habe man schon vor 20 Jahre begonnen, alte und tote Bäume zu fördern, damit sich mehr Pilze und Insekten ansiedeln können. Für Auerhuhn oder Gelbbauchunke habe man eigene Schutzprogramme. „Diese Art des Nationalparks ist eigentlich überflüssig“, so Hauk.

Die Gegenrede der Naturschutzverbände erfolgte prompt und heftig. Nabu-Landeschef Johannes Enssle sagte: „Es ist wirklich sehr bedauerlich, dass Minister Hauk immer wieder so einen Quatsch erzählt und damit offenbart, dass er entweder keine Ahnung von Waldökologie hat oder bewusst Falschinformationen verbreitet. Es gibt mehr als 100 Studien, die genau das Gegenteil beweisen.“ Auch beim Klimaschutz hätten Schutzflächen längerfristig eine gute Bilanz da, sie würden in den kommenden Jahrzehnten eine Nettosenke für Kohlendioxid. Es verwundere ihn nicht, so Enssle weiter, dass Hauk jetzt auch den Waldnaturschutz kaputtsparen wolle – für eine entsprechende neue Konzeption ist bisher kein Geld in den Haushaltsberatungen eingestellt.

Martin Bachhofer ist ebenfalls einigermaßen fassungslos. „Nur in Prozessschutzgebieten entstehen Lebensräume, die für unzählige Tier-, Pflanzen- und Pilzarten unverzichtbar sind und in bewirtschafteten Wäldern fehlen“, meinte der Landesgeschäftsführer des BUND.