Wolfgang Wiedenhöfer aus Waiblingen hat einen Adventskalender verfasst. Foto: /Stoppel

Die Zeit der Raunächte war für die Altvorderen eine Zeit der Orakel, Rituale und Verbote. Der Waiblinger Wolfgang Wiedenhöfer hat Vergessenes wieder ausgegraben und in einem Adventskalender verpackt.

Wenn „dr Wode“, andernorts bekannt als Kriegsgott Wotan, in kalten Herbst- und Winternächten mit seinem Geisterheer, der „wilden Jagd“, unter viel Getöse über den Himmel raste, verschanzten sich unsere Altvorderen zu Hause und wagten sich nicht vor die Tür. Vorwitzigen, die es doch taten, blühte allerlei Unheil – davon waren die Menschen einst überzeugt. „In fast jedem Dorf gibt es eine Geschichte dazu, wie ein Bauer vom Wode gestreift oder sogar entführt wurde“, erzählt Wolfgang Wiedenhöfer, der sich seit vielen Jahren mit Brauchtum und Traditionen beschäftigt.

 

Nun hat der Waiblinger sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt und seinen Wissensschatz in einen immerwährenden Adventskalender gepackt. Er ist ein Wegbegleiter durch die ganz spezielle Jahreszeit, die am 30. November mit dem Andreastag beginnt und am 6. Januar, dem Tag der Sagengestalt Frau Perchta oder Frau Holle, endet. Hübsch verpackt in einer Box, verraten 42 Karten mit Texten von Wolfgang Wiedenhöfer und Illustrationen der Weinstädterin Gisela Pfohl Bräuche, Legenden, Gedichte, Spiele, Rezepte und Rituale, die einst ganz selbstverständlich praktiziert wurden. Für die Karten gibt es einen Ständer, den Beschäftigte der Holzwerkstatt der Paulinenpflege Winnenden angefertigt haben.

Andreasnacht: Erst die Stube kehren, dann vom Zukünftigen träumen

Manche der auf den Karten beschriebenen Bräuche sind bis heute verbreitet, zum Beispiel jener, am Barbaratag, dem 4. Dezember, Zweige von Obstbäumen in eine Vase zu stellen, sodass diese an Weihnachten blühen. Doch welche heiratswillige Frau fegt heutzutage am Andreastag das Zimmer mit einem neuen Besen und springt dann, Sprüche zitierend, ins frisch bezogene Bett, um im Traum zu erfahren, wen sie heiraten wird? Früher sei das gang und gäbe gewesen, erklärt Wolfgang Wiedenhöfer. Denn die Andreasnacht gehörte zu den sogenannten Losnächten. Laut Volksglauben bieten diese die Möglichkeit, in die Zukunft zu schauen und beispielsweise zu erfahren, wie das Wetter oder das Liebesleben im kommenden Jahr aussehen wird.

Wolfgang Wiedenhöfer hat im Jahr 2008 zum ersten Mal eine Stadtführung durch Waiblingen zum Thema Raunächte angeboten. Diese ist bis heute die beliebteste unter den Führungen, die er anbietet. Im Lauf der Jahre hat der Waiblinger sich immer mehr Wissen über das hiesige Brauchtum angeeignet. Erste wissenschaftliche Forschungen dazu habe es in Württemberg bereits im 19. Jahrhundert gegeben, sagt er: „Das Königliche Statistische Landesamt hat schon damals Pfarrhaushalte angeschrieben und befragt, welche Bräuche es in ihrem Bezirk gibt.“ Die Antworten der Pfarrer wurden ausgewertet, schriftlich festgehalten und im Jahr 1904 erstmals unter dem Titel „Volkstümliche Überlieferungen in Württemberg“ veröffentlicht.

Wäschewaschen war in dieser Zeit streng verboten

In der Sammlung taucht der wilde Wode, der es Wolfgang Wiedenhöfer besonders angetan hat, ebenso auf wie spezielle Rituale und Verbote, die für die Zeit der Raunächte um Weihnachten galten. Wäsche waschen oder aufhängen? Beides war strengstens verboten. Auch das Schneiden von Haaren und Nägeln war tabu. Wer diese Regeln ignorierte, musste mit schlimmen Folgen im neuen Jahr rechnen.

Das Wetter des neuen Jahres sei zu einer Zeit, als viele Menschen von der Landwirtschaft lebten, von besonderer Bedeutung gewesen sagt Wolfgang Wiedenhöfer. Das Zwiebelorakel sollte über die Wetteraussichten des neuen Jahres Auskunft geben. Dabei wurde jeweils ein Teelöffel Salz in zwölf Zwiebelhäute gefüllt und über Nacht stehen gelassen. War das Salz in einer Zwiebelhaut morgens trocken, galt das auch für den Monat. Hatte sich Feuchtigkeit gesammelt, so ging man davon aus, dass dieser Monat ein nasser werden würde.

Der immerwährende Adventskalender ist im Iris Förster Verlag erschienen und zum Preis von 16 Euro im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich: www.verlag-iris-foerster.de.