Wiltraud Schulz (von links) und Dieter Kästle sichten mit dem Restaurator Marc Feller (rechts) Erinnerungsstücke aus der Firma ihres Großvaters. Foto: Horst Rudel

Julius Fuchs hat in Grunbach eine chemische Fabrik betrieben und dort Schuhcreme und das Bohnerwachs „Parkett-Biene“ produziert. Nun räumen seine Enkel die Gebäude. Damit endet ein Kapitel Remstäler Wirtschaftsgeschichte.

Remshalden - An ihren Großvater kann sich Wiltraud Schulz noch gut erinnern. „Er hat immer einen weißen Kittel getragen – und eine Baskenmütze.“ Zwei Kleidungsstücke, die den Menschen Julius Fuchs wohl gut widerspiegeln: Im Jahr 1875 geboren, hat er Chemie und Philosophie studiert, seine eigene chemische Fabrik gegründet – und nebenbei Gedichte verfasst. „Er war ein richtiger Schöngeist“, sagt seine Enkelin über den Mann, der in Remshalden und Umgebung als „Wichse-Fuchs“ bekannt war, weil er „Boden- und Linoleum-Wichse“ und Schuhcreme herstellte.

Von 1924 bis zum Jahr 2010 hat die Chemische Fabrik Dr. Julius Fuchs in der Grunbacher Bahnhofstraße Bohnerwachs und Schuhcreme sowie Reinigungs- und Spülmittel produziert, die sie im ganzen Ländle verkaufte. Handel und Hotels waren die Hauptabnehmer der Produkte mit Namen wie „Parkett-Biene“, „Jufu Bodenbeize“ oder „Trab-Trab“-Schuhcreme.

Das Wohnhaus wird leergeräumt

Dieser Tage sichten Wiltraud Schulz und Dieter Kästle, beide Enkel des Firmengründers, die Überbleibsel der insgesamt mehr als hundertjährigen Betriebsgeschichte. Die große Halle, in der die Mitarbeiter die Produkte in Dosen abfüllten und zum Versand verpackten, ist bereits abgerissen worden. Das dahinterliegende Wohnhaus aber steht noch – gefüllt mit Stücken, die an ein demnächst endgültig abgeschlossenes Kapitel Remstäler Wirtschaftsgeschichte erinnern.

Doppelwandige, mit Dampf beheizbare 200-Liter-Kessel, in denen zentnerweise Paraffin und Hartwachse erwärmt und verarbeitet wurden. Thermometer und Laborgläser, die einst Julius Fuchs in den Händen hielt und die – sorgfältig verpackt in Ausgaben der Stuttgarter Zeitung aus dem Jahr 1939 – unbeschadet die Jahrzehnte überstanden haben. Plakate und Emaille-Schilder, mit denen Fuchs in den 1920er-Jahren für das Bohnerwachs „Parkett-Biene“ warb. Lohnbücher und Buchhaltungsunterlagen der frühen Jahre. Eine altmodische Stechuhr, die ein Schild als „Zeit-Registrier-Apparat“ deklariert. Ein langer Holztisch, auf dem Julius Fuchs seine Erzeugnisse bei Messen präsentierte. Und jede Menge bunt bedruckte Blechdosen und Döschen, die als Verpackung für „Parkett-Biene“ und Co. dienten. Zudem Überbleibsel aus dem Haushalt – von Tischdecken über Schorndorfer Porzellan bis hin zu Uhren und Gemälden. „Vieles müsste eigentlich direkt ins Museum“, sagt Wiltraud Schulz.

Erste Erzeugnisse in der elterlichen Waschküche

Seine ersten Erzeugnisse hatte Julius Fuchs im Jahr 1904 in der Waschküche seiner Mutter in der Stuttgarter Friedrichstraße zusammengerührt und in Blechdosen abgefüllt. Doch die „Parkett-Biene“ und die Schuhcreme „Trab-Trab“, die Fuchs bald im großen Stil an das Deutsche Heer lieferte, waren so erfolgreich, dass der Geschäftsmann 1924 aus Platzgründen von Stuttgart ins Remstal übersiedelte. Dort arbeitete bald eine bis zu 35-köpfige Belegschaft für ihn. Während Julius Fuchs für die Produktion und das Austüfteln neuer Produkte zuständig war, kümmerte sich einer seiner Brüder um den kaufmännischen Bereich.

„Es wurde Bohnerwachs in allen möglichen Farben produziert. früher hatte man ja Holzböden in unterschiedlichen Farbtönen“, erzählt Wiltraud Schulz. Bevor das Wachs im Haushalt aufgetragen und der Boden dann mit einem schweren gusseisernen Blocker auf Hochglanz poliert wurde, musste die alte Schicht runter. „Dazu hat man Metallspäne auf dem Boden verteilt und das Wachs abgerubbelt“, erklärt Dieter Kästle: „Wir haben uns da als Kinder einen Spaß draus gemacht.“

Julius Fuchs arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 1955 in der Firma, entwickelte weitere Produkte wie etwa ein Steig- und Gleitwachs für Skier oder ein Eau de Cologne. Gestorben sei er bei einem Unfall kurz vor seinem 80. Geburtstag, erzählt Wiltraud Schulz: „Er ist vor dem Stuttgarter Staatstheater in ein Motorrad gelaufen und mit dem Kopf auf den Bordstein gestürzt.“

Die älteste Tochter übernimmt die Firma

Seine älteste Tochter übernahm die Firma. Im Jahr 1964 stieg auch deren Tochter Wiltraud nach ihrer Ausbildung zur Chemotechnikerin in den Betrieb ein. Bis in die jüngste Vergangenheit hat die nun auch schon 76-Jährige so allerlei zusammengerührt – nach Rezepten des Großvaters, aber auch eigene Kreationen, etwa das Spül- und Reinigungsmittel namens „Biene“.

Das fleißige Insekt auf dem Etikett hat Bruder Dieter mitgestaltet. Hauptberuflich hat er zwar ein Autohaus betrieben, aber nebenher gerne im Betrieb mitgemischt. Eines seiner erfolgreichen Produkte, erzählt der 80-Jährige, sei der „Anzünde-Teufel“ aus mit Wachs getränktem Fließpapier gewesen.

Je mehr versiegelte Böden in Mode kamen, desto weniger Bohnerwachs wurde gebraucht. Trotzdem hat die „Parkett-Biene“ bis heute ihre treuen Fans und wird nach wie vor hergestellt – seit dem Verkauf der Firma nicht mehr in Grunbach, aber in Ostfildern (Kreis Esslingen).

Am nächsten Samstag und Sonntag, 22. und 23. Juli, gibt es in der Bahnhofstraße 32 in Remshalden-Grunbach einen Hausflohmarkt, bei dem Mobiliar und auch Erinnerungsstücke der Firma Fuchs verkauft werden. Er findet jeweils von 10 bis 18 Uhr statt.