Wassilij Burgstaller sitzt seit zwei Monaten wegen falscher Vorwürfe in der Türkei fest. Jetzt soll eine Petition helfen – und die Politik auf höchster Ebene.
Ein Tag ist wie der andere für Wassilij Burgstaller. Seit über zwei Monaten dreht sich für den jungen Mann aus Waiblingen alles nur noch um eine Frage: Wann komme ich zurück nach Hause? Und bisher endet jeder Tag ohne eine Antwort.
Ende Juni war Burgstaller zu einem Wochenendtrip nach Istanbul gereist. Am 22. Juni befindet er sich gemeinsam mit vielen anderen Touristen auf der bekannten Galatabrücke. Er ist auf dem Weg zu einem Gewürzbasar, um einzukaufen, als ihn eine Polizeistreife anhält. Offenbar erscheint den Sicherheitskräften sein Aussehen verdächtig. Sie glauben, er will an einer verbotenen Pride-Parade der queeren Community teilnehmen. Von dieser Parade weiß Burgstaller nach eigener Aussage aber gar nichts – geschweige denn, dass er sich in deren Nähe befunden hätte.
Die Existenz ist gefährdet
Dennoch wird er festgenommen. Nach 24 Stunden wird er entlassen – und wartet seither in Istanbul auf seinen Prozess. Denn das Istanbuler Staatsanwaltschaftsbüro für Terrorverbrechen hat eine gerichtliche Ausreisesperre anordnen lassen. Der junge Mann sitzt in der Türkei fest, droht seinen Arbeitsplatz in der Jugendpflege in der Region Stuttgart zu verlieren. Seine gesamte Existenz steht auf dem Spiel.
Ein Einspruch gegen die Ausreisesperre ist inzwischen abgelehnt worden. Von den diplomatischen Bemühungen des Auswärtigen Amts und des Konsulats ist Burgstaller enttäuscht: „Ich werde fälschlicherweise beschuldigt, obwohl die Beweise meine Unschuld belegen. Seit Wochen wird mir versichert, man führe Gespräche, aber es ändert sich nichts“, sagt Burgstaller. Zuletzt sei ein neuerlicher Termin im Konsulat wieder „ernüchternd“ verlaufen.
Das Konsulat versichert ihm jetzt schriftlich, es bereite „weitere hochrangige Ansprachen“ des Falles gegenüber türkischen Stellen vor. Doch selbst die Unterstützung von Bundestags- und Europaabgeordneten hat bisher nichts gebracht – was bei ihnen ebenfalls Unverständnis auslöst. Der junge Waiblinger wird zunehmend zum Politikum.
Jetzt greifen Burgstaller und seine Familie zu einem neuen Mittel, um möglichst die Bundesregierung ins Boot zu holen. In einer Online-Petition bitten sie um Hilfe. Mehrere Hundert Menschen haben bereits unterschrieben. Sie richtet sich direkt an die „sehr geehrten Mitglieder der Bundesregierung“.
Darin heißt es: „Wir sind der festen Überzeugung, dass der deutsche Staat eine unbedingte Verpflichtung hat, unschuldigen Staatsbürgern im Ausland beizustehen.“ Es folgen diverse Forderungen, unter anderem, dass das Auswärtige Amt auf ministerieller Ebene mit dem türkischen Justizministerium in Kontakt treten solle. Gemeint ist also Außenminister Johann Wadephul (CDU). Falls es zum Prozess komme, müsse dieser in Abwesenheit Burgstallers geführt werden. Es brauche jetzt „eine schnelle und entschlossene Reaktion“.
Ob die kommt, ist weiter offen. „Ich bin verzweifelt“, sagt Burgstaller. Zumal die Justiz-Sommerpause in der Türkei erst in einigen Tagen endet. Wann dann überhaupt mit einer Anklage zu rechnen ist, steht in den Sternen. Genauso wie das Ende der Ausreisesperre.