Das Marktdreieck in Waiblingen ist Thema eines Vortrags am 13. April Foto: Stoppel

Wirtschaftswunder, NS-Zeit, umstrittene Bauwerke: In der historischen Bohlenstube des Waiblinger Stadtmuseums sprechen Fachleute jeden Monat über interessante Ereignisse vor Ort.

Waiblingen - Das Waiblinger Stadtarchiv ist eine Schatzgrube. „Man entdeckt bei der Verzeichnung oft Spannendes“, sagt Tanja Wolf. Sie leitet seit September die Abteilung Stadtgeschichte, zu der sowohl das Archiv als auch das Museum gehören. Weil nicht jeder interessante Fund zu einer Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte verarbeitet werden kann, aber dennoch Erzählstoff über die lokale Geschichte bietet, haben Tanja Wolf und der Stadthistoriker Hans Schultheiß eine Veranstaltungsreihe konzipiert, die von April an fast jeden Monat ein Augenmerk auf ein Kapitel der Stadtgeschichte richtet.

Beisammensein in der Bohlenstube

Unter dem Titel „Schlaglichter“ erwarten die Besucher Vorträge und Präsentationen, etwa zur Industrialisierung, zu Banken, Wirtschaft und Wirtschaftswunder im Raum Waiblingen, oder zur Geschichte des einst heftig umstrittenen Marktdreiecks. Die Veranstaltungen finden überwiegend im kleinen, feinen Rahmen statt, nämlich in der historischen Bohlenstube des Stadtmuseums, die maximal 25 Zuhörern Platz bietet und mit ihren Butzenscheiben selbst ein Exponat des Museums ist.

Ein Ziel, das die Macher der Reihe verfolgen, ist es, Nichthistorikern einen leichteren Zugang zur Stadthistorie zu ermöglichen. „Wir wollen Geschichte näherbringen und erlebbar machen“, erklärt Tanja Wolf. Den Anfang macht Hans Schultheiß am Gründonnerstag, 13. April: Von 19 Uhr an dreht sich bei seiner Präsentation alles um einen Bau, der von so manchem als „Schandfleck“ gesehen wurde und wird, aber inzwischen unter Denkmalschutz steht: das Marktdreieck, das in den 1970er-Jahren in die Altstadt gebaut wurde. Lange zuvor hat auch die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts das Aussehen der Stadt verändert. Wie sie begann, welche Auswirkungen sie hatte und welche Triebkräfte am Werk waren, erläutert Klaus Scheiner, ein fachkundiger Stadtführer, am 4. Mai.

Mit Geldgeschäften und dem Wirtschaftswunder in den 1950er- und 1960er-Jahren kennt sich der stellvertretende Kreisarchivar Simon Gonser bestens aus – er hat eine Doktorarbeit dazu verfasst. Am 1. Juni hält er von 19 Uhr an einen Vortrag mit dem Titel „Der Kapitalismus entdeckt das Volk“, der die Wirtschaftswunderzeit wieder lebendig werden lässt. Noch ein bisschen weiter zurück in die Geschichte geht es am 20. Juli. Da wird die Bohlenstube wieder zur guten Stube des alten Fachwerkhauses aus dem 16. Jahrhundert, in der getrunken, geredet und musiziert wurde. Von 19.30 Uhr an bietet das Ensemble „A vox Dulcinea“ Melodien aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, der Weinsommelier Oliver Kost kredenzt dazu gute Tropfen. Für diese Veranstaltung wie auch für jene mit dem Titel „Purcell in the Pub – Musik und Whisky“ am 26. Oktober muss man sich anmelden (0 71 51/50 01 17 17).

Hinaus ins Städtle und zu Schauplätzen historischer Ereignisse in der Zeit von 1933 bis 1945 führt eine Stadterkundung am 7. September: Tanja Wolf, Klaus Scheiner und Hans Schultheiß zeigen von 17 Uhr an Orte in Waiblingen, die während der Zeit des Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielten. Sei es der Alte Postplatz, der für einige Zeit Adolf-Hitler-Platz hieß, sei es das Beinsteiner Tor mit einem Kriegerbildnis in Kratztechnik, oder der Rathausplatz, an dem im April 1945 mehrere hundert Frauen lautstark gegen eine Verteidigung der Stadt gegen die heranrückenden alliierten Truppen protestierten.

Wolfram Pyta kommt zum Vortrag

Am 2. November ist der Historiker und Direktor der Forschungsstelle Ludwigsburg zur NS-Verbrechensgeschichte, Wolfram Pyta, in Waiblingen zu Gast. Sein Vortrag mit dem Titel „Viermal 9. November – ein Datum der deutschen Geschichte“ beginnt um 19.30 Uhr und findet aus Platzgründen im Kulturhaus Schwanen statt.

Den Schlusspunkt setzt Tanja Wolf am 7.  Dezember mit ihrem Vortrag „Unterwegs in die Zukunft“. Dabei räumt sie mit der falschen Vorstellung über rückständige und verstaubte Archive auf, die in der Realität längst nicht mehr existieren. Der Schlusspunkt sei allerdings nur ein vorläufiger, versichert Tanja Wolf – die Reihe werde fortgesetzt: „Die Waiblinger Stadtgeschichte ist derart reichhaltig, da geht uns der Stoff über Jahrzehnte nicht aus.“