Kristina Kraemer Foto: Gottfried Stoppel/Gottfried Stoppel

Die Museumswissenschaftlerin Kristina Kraemer arbeitet seit Kurzem im Waiblinger Haus der Stadtgeschichte – sie hat einige Pläne für innovative Projekte in petto.

Kultur - Unter ihrem Büro tobt das Leben: Wenn Kristina Kraemer an ihrem Schreibtisch im Dachgeschoss des Hauses der Stadtgeschichte Waiblingen sitzt, bekommt sie mit, wie Besucher durch das Museum schlendern und die Ausstellung kommentieren. Hört, wenn sich Liebespaare in der prächtigen Bohlenstube, sozusagen einer Außenstelle des Standesamtes, das Jawort geben. Und immer wieder steigt sie die Treppen hinunter, um einem oder einer Geschichtsinteressierten eine Frage zu beantworten.

Dass sie bei ihrem Job, den sie im vergangenen Jahr als Nachfolgerin des langjährigen Stadthistorikers Hans Schultheiß angetreten hat, nicht im stillen Kämmerlein sitzt, dass sie viel Kontakt zu allen möglichen Menschen hat, ist ganz nach dem Geschmack der 29-jährigen Museumswissenschaftlerin. Sie sagt: „Ich versuche, mindestens zweimal am Tag durchs Haus zu gehen.“

Im Elfenbeinturm war es zu ruhig

Auch in einem ruhigen Zimmer im Elfenbeinturm, sprich: der Uni Paderborn, hat Kristina Kraemer mal einige Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin verbracht – und recht schnell beschlossen, dass das auf Dauer kein Ort für sie ist: „Es macht mir so viel Spaß, mit Leuten zu arbeiten, das hat mir an der Uni gefehlt.“

Nach dem Abitur hatte die Tochter einer Schwäbin und eines Berliners zunächst in Tübingen Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Kindheitsstationen waren die Stadt Camberley südöstlich von London, wohin Kristina Kraemer als Siebenjährige mit ihren Eltern zog, danach lebte die Familie einige Zeit in Gießen, später ging es nach Nürtingen. Schon während ihres Studiums in Tübingen hat Kristina Kraemer nebenbei für einen Rennsportveranstalter gearbeitet. Büro, Organisation, Eventmanagement – „Es gab ständig neue Herausforderungen“, sagt sie. Und sie habe sich zunächst durchaus vorstellen können, dort dauerhaft zu bleiben. „Aber nach etwa einem Jahr hat mir der Kulturbereich doch gefehlt.“

Master in Weltkulturerbe-Studien

So ist sie also noch mal abgebogen in Richtung Wissenschaft, hat sich auf die Suche gemacht und schließlich einen Aufbaustudiengang gefunden, der genügend Praxis mit sich brachte. In Paderborn hat Kristina Kraemer ihren Master in Weltkulturerbe-Studien gemacht. Das Studium sei eine Mischung aus Museums- und Kulturwissenschaften, sagt sie, die in dieser Zeit viel Erfahrung im Pauken von Paragrafen und Wissen in den Bereichen Denkmalschutz, Museen und Stiftungsarbeit gesammelt hat.

Das Masterzeugnis in der Tasche, ist Kristina Kraemer im Jahr 2015 zusammen mit ihrem Partner in die Türkei gezogen. Zwei Jahre lebte sie in Istanbul, arbeitete als wissenschaftliche Honorarkraft und erlebte eine Zeit des Terrors mit zahlreichen Anschlägen, Verletzten und Toten. Im Jahr 2017 kehrte sie dann wieder zurück nach Deutschland, wo sie in Lüdenscheid im Zuge eines zweijährigen wissenschaftlichen Volontariats eine neue Dauerausstellung für das dortige Museum mit vorbereitete.

Museumsaktivitäten in leer stehenden Läden

In Lüdenscheid hat sie die Stellenausschreibung für Waiblingen entdeckt und sich beworben. „Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass ich die Stelle bekomme“, sagt Kristina Kraemer. Einen Schreck bekommen hat sie angesichts des lediglich kleinen Raums, der im Waiblinger Stadtmuseum für Wechselausstellungen zur Verfügung steht. Doch sie hat die Herausforderung angenommen und quasi aus dieser Not eine Tugend gemacht: Ihr innovatives Konzept, mit dem sie sich in Waiblingen bewarb und das überzeugte, schlug vor, „mit dem Museum vor die Tür zu gehen“. Kristina Kraemer kann sich beispielsweise gut vorstellen, nach dem Muster der temporären Pop-up-Läden leer stehende Räume in der Kernstadt oder den Ortschaften mit Ausstellungen auf Zeit zu bestücken.

Das Interesse an Kultur sei groß in Waiblingen, findet Kraemer – Ausstellungseröffnungen und Vorträge zögen viele Interessierte an. „Die Stadt atmet an jeder Ecke Geschichte“, schwärmt die 29-Jährige, die „ein bisschen Understatement“ an der Rems festgestellt hat, „aber das macht es interessant, weil es viel zu entdecken gibt“.

Ihre erste eigene Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte mit dem Arbeitstitel „Neigschmeckt“ wird sich mit dem Thema Essen und Trinken beschäftigen. „Eine Idee ist, dass ein Kochbuch mit Waiblinger Leibspeisen daraus hervorgeht“, sagt Kristina Kraemer. „Nebenbei“, in ihrer Freizeit, schreibt sie derzeit fleißig an einer Doktorarbeit zum Thema Stadt- und Heimatmuseen. „Es geht um deren Wandel und wie sie zur Demokratiebildung beitragen können“, sagt Kristina Kraemer, die davon überzeugt ist, dass nicht nur die Rückschau, sondern auch die Zukunft ins Museum gehört, etwa in Bezug darauf, „wie wir morgen miteinander leben wollen“. Das Stadtmuseum in Waiblingen wünscht sie sich als einen offenen Ort für alle, an dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen – einen Ort, an dem das Leben tobt.