Die aktuellen Streiks in Kitas bringen Mütter und Väter an ihre Grenzen. Waiblinger Eltern haben nun eine Petition gestartet und appellieren an die Verhandlungspartner, sich zu einigen. Was sagt der Oberbürgermeister dazu?
Insbesondere Eltern dürften die dritte Runde der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst an diesem Freitag mit Spannung und Sorge verfolgen. In Waiblingen ist der Verhandlungstag gleichzeitig der bereits achte Streiktag – mit allen nervigen Folgen für Kinder und Eltern.
Christian Henicke vom Gesamtelternbeirat der Waiblinger Kindertageseinrichtungen kennt diese nur zu gut, schließlich sind beide Kinder der Familie im Kindergartenalter. „Ich arbeite 35 Stunden, meine Frau 30 Stunden“, sagt der zweifache Vater, dessen Kinder, anderthalb und fünf Jahre alt, die Einrichtung Obsthalde in Waiblingen-Beinstein besuchen. Streiks der Erzieherinnen und Erzieher gehören seit Jahren dazu, aber: „Dieses Mal dauert der Streik schon ziemlich lang. Vier Tage hatte unsere Kita bisher komplett zu.“ Zum Glück habe es eine Notbetreuung gegeben, die aber nicht von allen städtischen Kitas angeboten werde.
Besonders gravierend sei die Situation für Alleinerziehende, die es ohnehin schwer genug hätten, sagt der Waiblinger. Die Erkältungszeit Anfang des Jahres bringe ja sowieso immer Fehlzeiten mit sich. „Wenn sie ihren Arbeitgeber nun schon wieder um freie Tage bitten müssen, wird es für manche schwierig.“
Fast 500 Menschen haben die Petition unterzeichnet
Aus diesem Grund hat der Elternbeirat der Kita Obsthalde eine Petition auf der Internetplattform www.change.org gestartet, die inzwischen fast 500 Menschen unterzeichnet haben. Die Eltern wollen damit ein Zeichen setzen. In dem Appell heißt es: „Wir appellieren eindringlich an die Verantwortlichen, sich mit aller Kraft für eine schnelle und gerechte Lösung des Tarifkonflikts einzusetzen.“ Auch an den Waiblinger Oberbürgermeister Sebastian Wolf haben die Eltern sich gewandt – mit der Bitte, sich für eine rasche Einigung einzusetzen.
In der Petition äußern die Eltern Verständnis für die Streiks, die in ihren Augen zeigen, dass die Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern dringend verbessert werden müssen. Allerdings machen sie auch darauf aufmerksam, dass der Streik vor allem zulasten der Familien geht. „Das größte Problem ist, dass der Streik in den Kitas komplett auf dem Rücken der Eltern ausgetragen wird“, sagt Christian Henicke.
Kita-Gebühren nicht zurückgezahlt
„Ich arbeite bei Mercedes. Wenn dort gestreikt wird, merkt es der Arbeitgeber, weil weniger Autos produziert werden. Beim Kita-Streik ist es anders, der tut nur den Eltern weh. Und die Stadt spart sogar Geld, denn die Eltern müssen trotzdem die Gebühren bezahlen. Man bekommt nichts zurückerstattet.“ Ob die Petition etwas bewirken kann? „Ich bin gespannt“, sagt Christian Henicke. Die Gewerkschaft Verdi hat auf den Appell rasch mit einem Schreiben reagiert und betont, von ihrer Seite fehle es nicht an Verhandlungsbereitschaft. „Bisher liegt jedoch kein Angebot seitens der Arbeitgeber auf dem Tisch, über das verhandelt werden könnte.“ Daher sei nichts anderes übrig geblieben, als die Warnstreiks auszuweiten.
„Unterstützen Sie uns bitte auch weiterhin“, heißt es in der Antwort der Gewerkschaft: „Am besten, indem Sie Ihren Ärger über die streikbedingt fehlende Betreuung gegenüber denen äußern, deren Einigungswille aufgrund eines fehlenden Angebots fraglich ist“ – gemeint sind Bürgermeister, Oberbürgermeister und der kommunale Arbeitgeberverband.
OB Wolf zu Kitastreik: „Immenser Aufwand für Notbetreuung“
Der Waiblinger Oberbürgermeister Sebastian Wolf sagt dazu, als tarifgebundene Kommune und Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband habe die Stadt Waiblingen als einzelne Kommune keine direkten Einflussmöglichkeiten auf die Verhandlungen. „An den Stellen, an denen es möglich ist, erinnern wir aber alle Beteiligten daran, dass sie die Verantwortung haben, nach sinnvollen Kompromisslösungen zu suchen. Dies gilt auch insbesondere für die Gewerkschaften, die in dieser Verhandlungsrunde zu außergewöhnlich vielen und sehr kurzfristigen Warnstreiks aufgerufen haben.“
Streikrecht sei ein hohes Gut
Das Streikrecht sei in Deutschland ein hohes Gut, betont Wolf, fügt aber hinzu: „Streiks führen zu einer hohen Belastung für alle Beteiligten. In den Kindergärten gilt dies zuvorderst für die Kinder und Eltern. Auch als Träger sind wir sehr bemüht, eine Notbetreuung zu ermöglichen, was zum Teil mit einem immensen Aufwand verbunden ist.“ Deshalb müsse es das gemeinsame Ziel aller Beteiligten sein, bei Tarifauseinandersetzungen möglichst schnell zu einer fairen und guten Lösung zu kommen.
Sebastian Wolf sagt, er baue darauf, dass eine Lösung gefunden werde, „die sowohl die berechtigten Interessen der Beschäftigten berücksichtigt, aber auch gleichzeitig die enormen finanziellen Schwierigkeiten der Kommunen nicht aus den Augen verliert“. Die Stadt Waiblingen biete Beschäftigten im pädagogischen Bereich „hervorragende Rahmenbedingungen“, die schon heute zu einem laufenden Defizit von knapp 25 Millionen Euro pro Jahr führten.
Den Unterzeichnern der Petition heißt es an diesem Freitag zunächst mal Daumen drücken, dass Gewerkschaft und Arbeitgeber in der dritten Verhandlungsrunde einer Lösung näher kommen. Sonst droht Eltern in Waiblingen bald der neunte Streiktag.