Der alte und der neue OB: Sebastian Wolf (rechts) nimmt beim Bürgertreff die Glückwünsche seines Vorgängers Andreas Hesky entgegen. Foto: Gottfried Stoppel

Auf seine offizielle Amtseinsetzung muss der im Frühjahr gewählte Sebastian Wolf noch verzichten, auf seine Familie nicht mehr. Beim Bürgertreff zum Jahresauftakt setzt der OB statt auf eine Rede auf ein ungewöhnliches, aber durchaus unterhaltsames Format.

Auf der Bühne spielte das Streichquartett der Sinfonietta Waiblingen zwar den Entertainer von Scott Joplin. Doch Programm war das heiter-beschwingte Stück beim Bürgertreff zum Jahresauftakt keineswegs. Die Rolle des Alleinunterhalters wollte Waiblingens neuer Rathauschef Sebastian Wolf bei seinem ersten Neujahrsempfang im fast komplett besetzten Ghibellinensaal des Bürgerzentrums nämlich nicht geben.

Ein Jahresauftakt in Interview-Form statt eines vorbereiteten Monologs

Statt eine wohlformulierte Rede über die Hoffnungen fürs Jahr 2023 und die kleinen und großen Herausforderungen der Zukunft zu halten, suchte der seinen Dienst nach wie vor nur als Amtsverweser tuende OB bewusst den Dialog. Der traditionelle Start ins neue Jahr fand am Sonntag in einer Interview-Form statt, bei der Wolf auf die Fragen des Journalisten Andreas Kölbl antwortete – und durchs ungewöhnliche Format auch auf den einen oder anderen Punkt zu sprechen kam, der in einer am Schreibtisch gereiften Rede womöglich keinen Platz gefunden hätte. Dass die Familie des im Frühjahr 2022 zum Oberbürgermeister gewählten Verwaltungschefs inzwischen ebenfalls in Waiblingen lebt, ist so ein Thema, das bei einem Monolog auf der Bühne wohl nicht erwähnt worden wäre. Dass es auf der als Standort für Windräder ausersehenen Buocher Höhe bereits Messungen der Windstärke gibt, wäre in einer Rede mutmaßlich ebenfalls unter den Tisch gefallen. Und dass es im Kampf gegen das Ladensterben in der Innenstadt im Rathaus keine Rezepte gibt, hätte Sebastian Wolf in einer sorgsam vorbereiteten Ansprache an die Bürgerschaft eventuell auch nicht so deutlich gesagt.

Auf der Buocher Höhe wird bereits die Windstärke gemessen

Tatsächlich aber ist die Zeit des Pendelns für den Oberbürgermeister vorbei, die bisher am alten Wirkungsort in Ehingen wohnende Ehefrau Tanja ist mit den Kindern über den Jahreswechsel ins neue Heim in Waiblingen gezogen. „Es ist einfach gut, wenn ein OB auch in der Stadt wohnt, in der er arbeitet“, sagte der in den ersten Monaten auf ein gemietetes Appartement angewiesene Wolf am Sonntag. Beim Thema Windkraft will die Stadt laut dem bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart über eine Klage gegen seine Wahl nicht offiziell ins Amt eingesetzten 41-Jährigen eine fundierte Datengrundlage haben, um ins Gespräch mit den Nachbarn in Korb und Remshalden zu gehen. Schließlich handelt es sich bei dem Projekt um eine millionenschwere Investition – falls es auf der Buocher Höhe zu wenig Wind für einen auskömmlichen Betrieb geben sollte, kann sich die Stadt nicht nur die finanzielle Ausgabe, sondern auch den Streit ums Landschaftsbild sparen.

Pförtnerampeln sollen den Schleichverkehr aus der Stadt bringen

Gemessen wird in Waiblingen auch, wie sich die neuen Pförtnerampeln an der B 14 auswirken werden – und ob sie den Schleichverkehr tatsächlich aus der Stadt verbannen. Auf die Frage nach dem Feierabendstau rund um den Postplatz tat der Oberbürgermeister kund, dass sich Waiblingen für das Förderprogramm „Urbane Räume“ des Landes beworben habe und lobte den öffentlichen Nahverkehr. Für den nach wie vor bestehenden Nachholbedarf bei der Mobilitätswende müssten die Menschen noch mehr motiviert werden, Bus und Bahn auch zu nutzen.

Ein Signal sieht der im Februar mit 96,4 Prozent der Stimmen gewählte Sebastian Wolf im 49-Euro-Ticket, womöglich könnten Arbeitgeber der Belegschaft den Umstieg auch finanziell schmackhaft machen. Gestreift wurden auch der Wohnungsbau und die Frage nach der Unterbringung der 1800 in Waiblingen lebenden Flüchtlinge. „Ich hätte mir meinen Start anders vorstellen können, aber ich bereue keinen einzigen Tag“, sagte der Waiblinger OB, bevor er den mit Wein gefüllten „Weiß’schen Becher“ leerte – zum Wohl auf die Stadt und ihrer Bürgerschaft und wieder ganz traditionell.