Foto: Uli Regenscheit

Einen Hansdampf auf dem Landratssessel haben sie Horst Lässing genannt. Am Dienstag wird er 75.

Waiblingen - Früher bin ich gern gegen den Wind gesegelt.“ Wenn einer wie Horst Lässing so einen Satz sagt, dann wird kaum einer derer, die ihn einst in seinen rund 28 Landratsjahren im Rems-Murr-Kreis erlebt haben, ernsthaft widersprechen. Einen Hansdampf auf dem Landratssessel haben sie ihn genannt, einen Kreishäuptling, der bei Dingen, die ihm wichtig waren, keinerlei Verwandtschaft gekannt hat. Ein Mordskerle, einer mit Ecken und Kanten und vor allem mit erheblichem Unterhaltungswert, sagten die einen. Einer, der im Kreishaus oder auch im Kreistag Angst und Schrecken verbreitet hat – bisweilen auch lautstark und vernichtend – wenn ihm was gegen den Strich ging, sagen die anderen. Legendär sind seine Verbalduelle mit dem Regierungspräsidenten Manfred Bulling, oder die Art, wie er sogar seine vermeintlichen Parteifreunde aus der CDU so richtig alttestamentarisch abmeiern konnte, wenn er zu viel politisches Bedenkenträgertum witterte.

Viel Feind, viel Ehr – für einen wie „Hotte“ Lässing war das im Kampf um den Vorteil des Landkreises quasi Pflicht. Und der Unterhaltungsfaktor ist auch nicht zu kurz gekommen. Zumindest in den frühen Landratsjahren, als nächtliche Gesangseinlagen unter Trollingereinfluss, testweises Alarmieren von Feuerwehren oder hüllenloses Schwimmen im Schulhallenbad den Landrat gar in die Titelzeilen der überregionalen Presse gehievt haben.

In ein paar Tage wird Horst Lässing 75 und blickt auf ein Jahrzehnt im Ruhestand zurück. Und da hat die Feststellung vom einstigen Schwimmen gegen Strömungen eine ganz eigene persönliche Bedeutung. Denn als Gegenentwurf zum einstigen rastlosen Sein im persönlichen Traumjob als weltumkrempelnder Landrat, hat der zielorientierte Polterer mit dem Abschied aus dem politischen Leben auch die eigene Zielrichtung völlig neu definiert. Die „heitere Gelassenheit“ sei nunmehr das, was er für sich selbst anstrebe, hat der einstige Inbegriff für bissige Daueranspannung damals schon verkündet. Zur großen Überraschung derer, die sich absolut sicher waren , dass der Machtmensch Lässing im Ruhestand todsicher in ein tiefes Loch der gefühlten Bedeutungslosigkeit fallen werde.

Pfeifendeckel, grinst heute darüber der neugeborene Schöngeist mit seinen lebensfüllenden Hobbys Meditieren, Lesen, Malen und Reisen. Und er präsentiert nicht nur seine Kunstwerke in diversen Ausstellungen, sondern kann auch recht überzeugend von den neuen Werten im Leben erzählen: Die Balance zwischen Körper, Geist und Seele ist es, die der einstige Poilitpoltergeist beim in sich selbst Hineinhören sucht und findet. „Man braucht nicht mehr die Äußerlichkeiten, Glücksgefühle stellen sich über viele Kleinigkeiten her.“