Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl und der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart. Foto: dpa

Die CDU-Fraktion im Landtag bleibt hart: Ihr Nein zu einer Änderung des Wahlrechts steht. Die Regierungsmitglieder sollen die Haltung jetzt nach außen mittragen. Ist das das Ende des parteiinternen Streits – oder nur die nächste Stufe der Eskalation?

Stuttgart - Ein wenig erinnerte die Ansage eines Sprechers der CDU-Landtagsfraktion an Klaus Augenthaler vor einer legendären Pressekonferenz, als dieser noch Trainer des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg war. Damals stellte der frühere Nationalspieler die Fragen sich selbst, die er dann gleich beantwortete. Möglichkeiten zur Nachfrage gab es nicht. Auch der Fraktionssprecher bedeutete den auf den Fluren wartenden Journalisten vor dem Fraktionssaal in der dritten Etage im Haus der Abgeordneten, dass es nach einem gemeinsamen Statement des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Reinhart und des Landesvorsitzenden Thomas Strobl zum parteiinternen Streit über eine Änderung des Landtagswahlrechts keine Gelegenheit geben werde, Fragen zu stellen.

Mehr als vier Stunden hatten die CDU-Abgeordneten zuvor in einer Krisensitzung die Gründe dargelegt, warum sie entgegen der Vereinbarung im grün-schwarzen Koalitionsvertrag eine Reform des Wahlrechts ablehnen. Der Beschluss aus der vorigen Woche hatte die Koalition und auch die CDU in eine Krise gestürzt.

Dann traten Reinhart und Strobl gemeinsam vor die Mikrofone und versuchten, im parteiinternen Streit Einigkeit zu demonstrieren. Reinhart kündigte an, die Gespräche mit allen Fraktionen über eine mögliche Wahlrechtsreform wieder aufnehmen zu wollen. Die Fraktion bleibe aber bei ihrem Beschluss und erwarte, dass die Regierungsmitglieder seiner Partei die Haltung der Fraktion nach außen vertreten. An diesem Mittwoch befasst sich der Landtag auf Antrag der SPD-Fraktion mit dem umstrittenen Thema in der aktuellen Debatte.

Strobl zeigt sich zufrieden in Bezug auf die Ergebnisse

Strobl wiederum, der sich immer für eine Änderung des Wahlrechts ausgesprochen hatte, betonte, dass er mit den Ergebnissen „sehr zufrieden“ sei. Es habe auch ein klares Votum gegeben, dass man die erfolgreiche Arbeit mit dem grünen Koalitionspartner fortsetzen und die Gespräche mit ihm intensivieren werde. Weil der Fraktionsbeschluss in der Öffentlichkeit auch als Niederlage für ihn interpretiert wurde, räumte der CDU-Landesvorsitzende und Innenminister ein, dass er jetzt „ein Stück weit auch erleichtert sei“. Die Fraktion habe deutlich gemacht, „dass es ihr um eine Sachentscheidung ging – um nicht mehr und um nicht weniger“.

Ist der parteiinterne Konflikt über die Wahlrechtsänderung und das umstrittene Vorgehen der Fraktion damit beigelegt? So recht glauben will das niemand. Die Machtfrage innerhalb der Südwest-CDU schwelt weiter, die Diskussionen über eine Reform scheinen nicht beendet. Auch, weil die Frauen-Union und andere Frauenverbände weiter dafür trommeln. Sie erhoffen sich durch ein Wahlrecht mit Parteilisten einen höheren Frauenanteil im Landtag. Derzeit liegt dieser bei 25 Prozent. Die CDU-Fraktion hingegen spricht sich dafür aus, Kandidatinnen in den Wahlkreisen stärker zu fördern.

Strobl und Reinhart vereinbaren gemeinsame Vesperrunden

Dass die Fraktion das Wahlrecht so belassen will, wie es ist, scheint für viele in der Landes-CDU auch gar kein Problem zu sein. Sie fürchten durch die einseitige Verletzung des grün-schwarzen Koalitionsvertrags jedoch einen erheblichen Imageverlust für die CDU, die für Verlässlichkeit stehen will.

Wie mehrere Teilnehmer einer Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums unserer Zeitung berichteten, hatte sich die überwiegende Mehrheit vor allem über Reinharts Strategie empört, mit dem Beschluss Fakten zu schaffen, ohne die Parteioberen und den Koalitionspartner einzubeziehen. So bleibe in der öffentlichen Wahrnehmung der Schwarze Peter an der CDU haften, kritisierten sie. Der neue Landesvorsitzende der Jungen Union (JU), Philipp Bürkle, warf deshalb sogar die Frage auf, ob „Herrn Reinhart das Hemd des Fraktionsvorsitzenden doch ein Stück zu groß“ sei.

Um den Streit beizulegen und die interne Kommunikation zwischen Fraktion und Strobl zu verbessern, vereinbarten Reinhart und Strobl gemeinsame Vesperrunden. Er sei zuversichtlich, dass man fortan an einem Strang ziehen werde, sagte der Fraktionschef. Auch Strobl räumte ein: „Nichts ist so gut, als dass es jeden Tag nicht noch ein bisschen besser werden kann.“

Der grüne Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz sah aufseiten der CDU-Fraktion jedoch keinen Fortschritt. Was die CDU besprochen habe, sei „enttäuschend“, sagte er. Verlässlichkeit, Vertrauen und Vertragstreue seien für die Koalition sehr wichtig.