Jens Spahn gehört – wie hier auf dem Essener Parteitag im Dezember vorigen Jahres – zu den Wortführern des konservativen Flügels der CDU Foto: dpa

Jens Spahn, Präsidiumsmitglied der CDU, warnt die Union vor zu großen Steuersenkungen – und noch höheren Sozialausgaben.

Stuttgart - Die Sozialdemokraten ringen noch um ein Steuerkonzept, mit dem sie in den Bundestagswahlkampf ziehen wollen. Aber auch die Unionsparteien lassen bei diesem Thema bislang Klarheit vermissen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hatte zunächst „die größten Steuersenkungen aller Zeiten“ versprechen wollen. Inzwischen redet er, deutlich vorsichtiger formulierend, von einer „großen, wuchtigen Steuerreform“. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ist noch zurückhaltender. Obwohl aus ihrer Partei Forderungen nach einem Steuersenkungsvolumen bis zu 30 Milliarden Euro kommen, will Merkel bei 15 Milliarden Euro Stopp sagen.

Jens Spahn, CDU-Präsidiumsmitglied und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, warnt die Union vor zu viel Großzügigkeit. „Wir wollen Steuern senken, ohne neue Schulden zu machen“, sagte Spahn unserer Zeitung. „Wir können 15 Milliarden Euro bei der Einkommensteuer entlasten und darüber hinaus den Solidaritätszuschlag schrittweise bis 2030 abschaffen.“ In der Diskussion von CDU und CSU über ein gemeinsames Wahlprogramm ist die Steuerfrage nur einer der strittigen Punkte. Horst Seehofer beharrt immer noch auf einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme, dies lehnt Merkel strikt ab. Auch bei der Frage, ob es Volksentscheide auch auf Bundesebene geben sollte, liegen die beiden Parteien auseinander: Die CSU sagt Ja, die CDU Nein.

Die Schwesterparteien streiten über die Mütterrente

Besonders heikel aber ist die Mütterrente. Die CSU will die Erziehungsleistungen von Müttern unabhängig vom Geburtsjahr der Eltern voll auf die Rente anrechnen und das Geld dafür aus dem Staatshaushalt nehmen. Die CDU ist skeptisch. „In den letzten Jahren wurden die Sozialausgaben ständig erhöht“, sagt Jens Spahn. „Heute wird jeder zweite Euro in unserem Staatshaushalt für Soziales ausgegeben. Weiter sollten wir da nicht gehen.“

Im vergangenen Jahr hatte es zwischen CDU und CSU heftigen Streit über den richtigen Kurs in der Flüchtlingsfrage gegeben, auch in den Sicherheitsdebatten wurden unterschiedliche Akzente gesetzt. „Heute verstehen wir uns gut“, sagt Spahn. „Wir haben in vielen Punkten eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Schwerpunkte gefunden – von der Wirtschaft über die Sicherheit bis hin zu Einwanderung und Leitkultur.“

Für Einschränkungen beim Doppelpass

Spahn selbst hatte als einer der Wortführer des konservativen Flügels mit dafür gesorgt, dass die CDU inzwischen einen härteren Kurs bei vielen dieser Themen fährt – auch beim Doppelpass. Auf dem Essener Parteitag im Dezember vorigen Jahres hatten sich die CDU-Delegierten gegen den Willen Merkels dafür ausgesprochen, die geltende Regelung zur doppelten Staatsbürgerschaft enger zu fassen. „Ab wann fühlt sich jemand, der hier geboren wurde, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, eigentlich als Deutscher?“, fragt Spahn. „Spätestens nach der dritten Generation sollte das der Fall sein.“ Das werde aber „sicher nicht ein Hauptpunkt unserer Wahlkampagne“.

Es gehe beim Doppelpass wie auch bei der Leitkultur um die Erwartungen, die Deutschland an die Einwanderer richte. „Es muss niemand Goethe auswendig gelernt haben, aber ein bisschen Interesse für die Kultur und die Geschichte dieses Landes wäre schon schön, wenn jemand dauerhaft hier leben will“, so Spahn. „Er sollte auch darüber nachdenken, wo er in dieser Gesellschaft mit anpacken kann – und nicht als Erstes fragen, wie man am besten die Anträge auf dem Sozialamt ausfüllt.“

Insgesamt nimmt Spahn in Deutschland eine deutliche Politisierung wahr. „Es wird wieder mehr über Politik geredet – auch in den Familien.“ Dafür seien mehrere Faktoren verantwortlich: von der Flüchtlingsfrage über den Schulz-Hype bis hin zu Donald Trump. Gleichzeitig gebe es eine gesellschaftliche Strömung, die insbesondere Angela Merkel zugutekomme: „Es gibt ein wachsendes Bedürfnis nach einer erfahrenen, ruhigen und verlässlichen politischen Führung.“