Vor der Bundestagswahl im Februar spielt sich der Wahlkampf auch auf Stuttgarts Straßen ab. Wo platzieren die Parteien ihre Wahlplakate und warum? Stuttgarter Kreisverbände und das Amt für öffentliche Ordnung geben Einblicke.
Seit dem 12. Januar sind Stuttgarts Straßen wieder tapeziert mit ihnen – Wahlplakate mit großen Sprüchen und Gesichtern prangen an Masten und in Fußgängerzonen. Denn die Parteien befinden sich mitten im Wahlkampf. Am 23. Februar ist Bundestagswahl – bis dahin haben auch die Kreisverbände in Stuttgart noch alle Hände voll zu tun. Nicht nur bei Wahlkampf-Veranstaltungen online und vor Ort wird für die eigene Partei geworben – auch auf den Straßen sollen Plakate Wählerstimmen sichern. Wie kann das gelingen? Und von welchen Plakat-Standorten versprechen sich die Parteien den größten Erfolg?
Grundsätzlich gilt: Alle Parteien, die Wahlplakate im öffentlichen Raum anbringen, müssen sich an eine Genehmigungsrichtlinie des Stuttgarter Amts für öffentliche Ordnung halten, die sie nach einem Antrag zur Aufstellung von Werbeträgern im öffentlichen Verkehrsraum erhalten.
Strenge Regeln fürs Plakatieren
So ist beispielsweise das Plakatieren an mehreren Stuttgarter Großkreuzungen, wie etwa dem Charlottenplatz oder dem Pragsattel, verboten. Parteien dürfen nur eine bestimmte Anzahl an Plakaten hintereinander aufhängen, sie müssen zehn Meter Abstand vor und hinter Fußgängerüberwegen und Bahnübergängen lassen, an Pfosten von Verkehrszeichen sind Wahlplakate verboten, in der Königstraße dürfen maximal zwei Plakatträger aufgestellt werden und Bäume sollten generell verschont bleiben. Das sind nur einige Beispielauszüge aus dem langen Regel-Katalog, den die Stadt den Parteien vorgibt.
Beim Plakatieren nehmen Parteien dann bestimmte Bezirke in den Blick, in denen sie ihre Plakate aufhängen. Wichtig: Dabei muss zwischen Plakaten der Formate DIN A0 und DIN A1 und noch großflächigeren Plakaten unterschieden werden.
Das Los entscheidet
Denn: Kleinere Plakate können Parteien unter Berücksichtigung der Regeln nach Belieben in der Stadt verteilen. Bei der Vergabe der Standorte für großflächige Plakate für die Bundestagswahl 2025 sieht das anders aus. Diese werden durch ein Losverfahren vom Amt für öffentliche Ordnung vergeben. „Berücksichtigt wird bei der Berechnung der Großtafelstandorte pro Antragsteller das letzte Ergebnis der entsprechenden Wahl, sowie die aktuellen Wahlumfragen“, heißt es dazu seitens des Amts für öffentliche Ordnung der Stadt Stuttgart.
„Früher fand das Losungsverfahren mit allen Parteivertreterinnen- und Vertretern vor Ort statt, seit Corona übernimmt das Amt die Auslosung – so auch dieses Jahr, da es sich ja um einen Ad hoc-Wahlkampf handelt“, so Amelie Montigel, Vorsitzende des Grünen-Kreisverbands Stuttgart.
Bei der Plakatierung der Plakate im kleineren Format orientiert sich der Kreisverband der Grünen in Stuttgart an der Bevölkerungsdichte der jeweiligen Bezirke. „Als Stuttgarter Partei haben wir 19 Ortsverbände, die sich stark an den Stadtbezirken orientieren“, sagt Montigel. „In Bad Cannstatt und den Innenstadtbezirken gibt es daher automatisch mehr Plakate von uns. Überproportional viel mehr Plakate hängen wir in Stuttgart-Mitte auf, auch wenn dort die Bevölkerungsdichte nicht so groß ist, doch Mitte ist ein stark frequentierter Bereich.“
Der FDP Kreisverband Stuttgart setzt ebenfalls auf die Zahlen. „Wir verteilen die Plakate auf die 16 Stadtgruppen in Anlehnung an Einwohnerzahl und Fläche. Die Stadtgruppen entscheiden dann, wann und wo sie plakatieren“, erklärt Gabriele Reich-Gutjahr von der FDP Stuttgart. Die FDP-Plakate werden zudem vorrangig an Hauptstraße und Straßen mit vielen Fußgängern platziert.
Auch die SPD Stuttgart setzt auf Wahlplakate in frequentierten Bereichen der Stadt. So findet sich die Wahlwerbung der Partei etwa vermehrt in Stuttgart-Mitte, aber auch Stadtbahn-Haltestellen setzt die Partei in den Fokus. „Wir plakatieren beispielsweise vermehrt am ZOB in Degerloch und am Cannstatter Wilhelmsplatz, weil dort viele Leute vorbeigehen“, sagt Alexander Prinz, Kreisschatzmeister der SPD Stuttgart und Co.-Vorsitzender der SPD Ortsverein Stuttgart-Degerloch.
Hochburgen der letzten Wahlen im Blick
Shajeevan Thavakkumar von der CDU Stuttgart und Vorsitzender in Zuffenhausen nennt als Orientierung die Ergebnisse der letzten Kommunalwahlen. „Da sind Uhlbach oder Mühlhausen zum Beispiel klassische CDU-Hochburgen – generell haben wir die Außenbezirke im Blick.“
Insgesamt sollten die Plakate laut Thavakkumar aber möglichst über die gesamte Stadt verteilt sein. „Wir versuchen, möglichst in jedem Stadtbezirk sichtbar zu sein, denn überall sind Wähler“, sagt er. „Natürlich priorisieren wir bestimmte Gegenden – etwa Bereiche, an denen viele Leute mit dem Auto vorbeikommen oder Fußgängerzonen. Der Fokus liegt auf den Ortszentren und stark frequentierten Straßen, vereinzelt verteilen wir auch Plakate in den Wohngebieten.“
Bestimmte Gruppen gezielt ansprechen
Ähnlich geht auch der Kreisverband der Linken in Stuttgart vor. „Wir versuchen, vor allem an Orten zu plakatieren, die von Menschen hoch frequentiert sind – zum Beispiel vor Supermärkten, an öffentlichen Plätzen“ , erklärt Dennis Klora, Mitglied des Kreisvorstands der Linken in Stuttgart. Und: „Bei den Orten fokussieren wir uns auf die Gebiete, in denen wir aufgrund der vorherigen Wahlergebnisse sowie den sozioökonomischen Faktoren ein hohes Potenzial haben.“
Gleichzeitig will die Linke mit ihren Plakaten gezielt einzelne Gruppen ansprechen. „Wir plakatieren auch an Orten, an denen spezifische Gruppen unterwegs sind – beispielsweise bei Krankenhäusern, Schulen, Kitas, und nahe des Einzelhandels.“
Alle Verkehrsteilnehmer mitnehmen
Die Grünen wollen mit ihren Plakaten alle ansprechen, die in der Stadt unterwegs sind – egal wie. „Wir achten darauf, dass unsere Plakate nicht nur für Autofahrende, sondern insbesondere für Radfahrende und Fußgängerinnen und Fußgänger gut sichtbar sind, denn sie sind unser Kernklientel.“ Grünen-Plakate finden sich demnach auch in kleineren Straßen, im Bereich der Rad- und Fußwege.
Ein weiterer Punkt im Plakat-Wahlkampf der Grünen: A1-Plakate werden laut Amelie Montigel in der Regel von den Grünen-Mitgliedern selbst verteilt, für die Aufhängung großformatiger Wahlwerbung beantragen viele Parteien einen externen Dienstleister, so auch die Stuttgarter Grünen. Ein Viertel ihrer Plakate finden so ihren Weg in den Stadtraum. Auch die SPD beschäftigt für einen Teil ihrer Plakatierungen externe Dienstleister für diese Zwecke.
Doch nicht alle Parteien in Stuttgart haben diese Möglichkeit: „Im Gegensatz zu anderen Parteien haben wir kein großes Budget, um Plakate von externen Firmen bezahlt aufhängen zu lassen“, so Dennis Klora von der Linken Stuttgart. „Bei uns wird alles durch ehrenamtliche Helferinnen und Helfer geleistet.“
Wer zuerst kommt, malt zuerst – mit Ausnahmen
Die spezifischen Plätze für die Plakate im A1- oder A0-Format können die Parteien selbst auswählen. Hier gilt: Wer zuerst kommt, malt zuerst. „Absprachen mit den anderen Parteien gibt es da nicht“, das bestätigen Vertreterinnen und Vertreter der Grünen, Linken, der SPD, der FDP und der CDU.
Eine Art ungeschriebenes Gesetz unter den Parteivertretern gibt es häufig dennoch, wie Grünen-Vorsitzende Amelie Montigel erzählt. „Der Platz für ein Plakat ist auch Geschmacksache. Vor der Geschäftsstelle einer anderen Partei habe ich früher beim Plakatieren beispielsweise oft den Masten für deren eigenes Plakat freigelassen.“
Bei den Großflächenplakaten, die von der Stadt zugewiesen und ausgelost wurden, käme es hin und wieder „tatsächlich zu kleineren Absprachen zwischen den Parteien“, erklärt Alexander Prinz von der SPD in Stuttgart. „Gerade wenn ein Großflächenplakat vor der eigenen Parteizentrale an eine andere Partei vergeben wurde, wird dies meist untereinander getauscht.“
Parteizentralen sind tabu
Das bestätigt auch CDU-Politiker Shajeevan Thavakkumar. Bei einer früheren Wahl habe es schon die Bitte gegeben, die Fläche vor der SPD-Landesgeschäftsstelle am Wilhelmsplatz für das eigene Plakat freizuhalten.
Gleichzeitig kann es passieren, dass mehrere Plakate an einem Ort in eine Art Dialog treten. SPD-Mann Alexander Prinz etwa erinnert sich an eine gezielte Plakat-Aktion von Die Partei bei den vergangenen Kommunalwahlen, die mit Botschaften auf ihren Wahlplakaten gezielt auf die Plakate und Botschaften anderer Parteien angespielt haben.
„Es kann schon mal passieren, dass eines unserer Mitglieder beim Plakatieren das Plakat einer anderen Partei sieht und sich denkt: Das passt da jetzt witzig drunter“, sagt Amelie Montigel von den Grünen. „Gezielt und aus einer Strategie heraus machen wir das aber nicht.“