Der CDU-Landtagsabgeordnete Paul Nemeth (Mitte) ist geschockt. Foto: factum/Granville

Die Landesvorsitzende der Grünen, Thekla Walker, zieht völlig überraschend direkt in den Landtag ein. Paul Nemeth (CDU) verliert zwar, doch erhält er ein Zweitmandat.

Böblingen - Sensation im traditionell schwarzen Wahlkreis 5: Thekla Walker gewinnt das Direktmandat. Die grüne Landesvorsitzende erhält 27,66 der Stimmen und liegt denkbar knapp vor ihrem Kontrahenten Paul Nemeth (CDU), der 27,62 Prozent erhielt, 13,5 Prozent weniger als vor fünf Jahren. Neben den Christdemokraten

sind die Genossen die großen Verlierer des Urnengangs. Florian Wahl landet mit 13,8 Prozent sogar noch hinter der rechtspopulistischen AfD, die 16,5 Prozent erzielt. Die FDP macht gegenüber der vorigen Landtagswahl mit Andreas Knapp wieder Boden gut und kann 8,9 Prozent verbuchen, während Die Linke (2,4 Prozent) ein schlechteres Ergebnis erzielt als vor fünf Jahren. Knapp 71 Prozent der Berechtigten gingen zur Wahl, drei Prozent mehr als vor fünf Jahren.

Kurz vor 18 Uhr im Neuberts am See: das Lokal in der Böblinger Kongresshalle hat sich die CDU als Ort für ihre Wahlparty ausgewählt. Paul Nemeth steht die Anspannung deutlich ins Gesicht geschrieben. Was weiß er schon kurz vor Schließung der Wahllokale? „Nicht mehr, als im Internet steht. Die Grünen werden wohl stärkste Fraktion im Land.“ Wenige Minuten später bestätigt sich diese Prognose. Ein Raunen geht durch die Reihen der Christdemokraten, die sich vor dem Bildschirm versammelt haben, als die erste Hochrechnung das CDU-Ergebnis mit 27,3 Prozent angibt. Mit so wenig hat keiner gerechnet. Erneutes Raunen beim Ergebnis der Grünen.

Zweitmandat für Paul Nemeth (CDU)

Als der Sender jubelnde Grüne in Stuttgart zeigt, dreht Nemeth den Bildschirm ab. „Das will ich nicht sehen. Das ist ja Radio Eriwan.“ Er dankt den Parteimitgliedern für den „super Wahlkampf“, erklärt die Gründe für das schlechte Abschneiden: „Zwei Mühlsteine hatten wir: die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel und einen populären Ministerpräsidenten Kretschmann.“ Noch hofft Nemeth auf ein deutlich besseres persönliches Ergebnis. Doch diese Hoffnung geht im Laufe des Abends verloren. Bis zuletzt liefert er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Grünen Walker, das er am Ende dann verliert. Er muss sogar um das Zweitmandat zittern, das er dann aber doch erhält.

Ein paar Hundert Meter weiter bei den Sozialdemokraten herrscht ebenfalls Katerstimmung. Bereits um 18.15 Uhr verlassen die ersten Gäste das SPD-Lokal. Einzig der Noch-Abgeordnete Florian Wahl gibt sich gelassen. „Ich bin mit mir im Reinen. Ich habe alles getan, was möglich ist, und hatte großartige Unterstützung durch die Partei.“ Bis zur letzten Sekunde haben Wahl und seine Genossen gekämpft – immerhin ist sein Ergebnis im Wahlkreis Böblingen-Sindelfingen auch leicht besser als im Landesdurchschnitt. Für ein Zweitmandat reicht es aber aller Voraussicht nach nicht.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen war nicht vorhersehbar

Die Grünen feiern in Herrenberg mit dem Wahlsieger des Wahlkreises Leonberg-Herrenberg, Bernd Murschel. Die Böblinger Gewinnerin Thekla Walker ist nicht dabei. Die Landesvorsitzende der Grünen wird in Stuttgart gebraucht. „Wir haben durch unsere grün-rote Regierungspolitik punkten können“, freut sie sich am Telefon. Sie habe nicht erwartet, dass es ein Kopf-und-Kopf-Rennen zwischen ihr und dem CDU-Kandidaten geben würde. Die letzten Wahlprognosen habe auch den Grünen im Kreis Rückenwind beschert. „Es war unglaublich spannend für mich.“

Auch die Liberalen sind guter Stimmung. Als die erste Hochrechnung aus dem Land über den Fernsehschirm flimmert, brechen sie bei ihrer Wahlparty im Böblinger Sportzentrum Paladion in Jubel aus. Acht Prozent werden angezeigt. „Wenn ich in meinem Wahlkreis zwei Prozent mehr bekomme, habe ich gute Chancen auf ein Zweitmandat“, sagt Andreas Knapp. Ernüchterung kehrt bei ihm allerdings ein, als er die ersten Ergebnisse aus seinem Wahlkreis erfährt. Für einen Sitz reicht das wohl nicht. Spannend ist für ihn nun die Frage der Koalitionsbildung. Eine Ampel komme nicht in Frage, schon eher aber Schwarz-Rot-Gelb.

Eitel Freude bei der AfD

Eitel Freude herrscht angesichts des Kreiswahlergebnisses bei Markus Widenmeyer (AfD), der zunächst auf den Einzug in das Landesparlament hofft. Seine Ergebnisse, die in einigen Gemeinden sogar über der 20-Prozent-Marke liegen, kommentiert der Rechtspopulist so: „Das ist besser als erwartet, ein Sieg für die Demokratie.“ Ein Zweitmandat wird er wohl nicht bekommen.

Ernüchtert ist hingegen Reinhard Stübner von den Linken. Weniger als drei Prozent fährt er ein. Zwischen der CDU und den Grünen sei die Linke zerrieben worden, sagen Stübner und der Bundestagsabgeordnete und Sindelfinger Stadtrat Richard Pitterle enttäuscht.