Wahlkampf auf Saarländisch: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) regiert das Bundesland seit 2011 und tritt am 26. März wieder an. Foto: dpa

Der Wahlkampf im beschaulichen Saarland wird plötzlich interessant: Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU muss den Martin-Schulz-Effekt fürchten.

St. Wendel - Im Volk beliebte Politiker blenden manchmal die Realität aus und werden dann kalt erwischt von einer Niederlage. Zum Beispiel der einst populäre Ministerpräsident von Niedersachsen, David McAllister, der am Wahlabend im Januar 2013 konsterniert auf einer Bühne in Hannover stand und minutenlang keine Worte fand: Da die CDU massiv an die FDP Stimmen verloren hatte, löste ein unbekannter Sozialdemokrat namens Stephan Weil den Christdemokraten McAllister ab. Auch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erzielt in Umfragen derzeit hohe Popularitätswerte um die 75 Prozent, wogegen sich ihre Gegenkandidatin Anke Rehlinger (SPD), eine ehemalige Kugelstoßerin, nun Wirtschaftsministerin im Kabinett, an einer schwachen Beliebtheitsquote abarbeitet.

Aber Annegret Kramp-Karrenbauer (55) ist auf alles gefasst, wenn am 26. März der Landtag neu gewählt wird. Da sitzt sie mit einem Dutzend Journalisten im edlen Restaurant des Golfplatzes von St. Wendel – einst französisches Militärgelände, jetzt ein Fleckchen „des dynamischen Saarlandes“, wie Kramp-Karrenbauer es liebt – und beantwortet brav alle Fragen nach ihrem möglichen Absturz. Denn der Martin-Schulz-Effekt wirbelt auch die saarländische Politik auf. Laut Umfragen liegt die CDU zwar noch zehn Prozentpunkte vor der SPD, aber diese Umfragen sind alt, sie fanden alle vor der Kür von Schulz zum SPD-Kandidaten statt, es gibt keine neueren. Doch es gibt Stimmungsbilder. Bei kurzen Auftritten Anfang Februar im Saarland ist Schulz wie ein Star gefeiert worden, das Publikum sprengte einen Saal.

Nächsten Mittwoch wird er wieder kommen. „Er hat zwei Veranstaltungen, und die werden aus allen Nähten platzen“, heißt es bei der saarländischen SPD, die binnen weniger Wochen übrigens 220 neue Mitglieder gewonnen hat.

Vom Bündnis mit den Grünen hat sie die Nase voll

Annegret Kramp-Karrenbauer nippt an ihrem Mineralwasser und sagt, der Schulz-Effekt sei schwer einzuschätzen, er falle in den Ländern schwächer aus als im Bund, und ihr Wahlziel bleibe die Fortführung der Koalition mit der SPD. Von einem Bündnis mit Grünen und FDP hat AKK – wie sie parteiintern genannt wird – die Nase voll. Sie selbst hat so ein Bündnis 2012 wegen der Skandale in der FDP platzen lassen: „Die bei uns gescheiterte Jamaikakoalition hat Wunden und Narben hinterlassen, die noch nicht verheilt sind.“ Die Jamaika-Option sei nur „theoretischer“ Natur, mal abgesehen davon, dass Grüne und FDP darum kämpfen müssen, überhaupt über die Fünfprozenthürde zu kommen. Und wenn die SPD vor der CDU liegen sollte und mit der Linkspartei, die an der Saar mit ihrem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine relativ stark ist, sowie mit den Grünen gemeinsame Sache machen sollte? „Die stärkste politische Kraft wird die Koalitionsverhandlungen führen. Sollte das die SPD sein, würde ich als Landesvorsitzende an den Koalitionsverhandlungen beteiligt sein, aber auf weitere Funktionen im Parlament oder einer neuen Regierung verzichten.“ Der Verlust der Macht der CDU an der Saar – es wäre ein herber Schlag für Angela Merkel und die gesamte CDU, die damit nur noch in drei Ländern – Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt – den Ministerpräsidenten stellen würde.

Auch für Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach dem Politikstudium als Referentin bei der Saar-CDU anfing und seither im Politikbetrieb geblieben ist, wäre der Ämterverlust wohl ein Schlag. Da läuft die Mutter von drei Kindern, verheiratet mit einem Bergbauingenieur, über den Markt von St. Wendel, schlägt diesem oder jenem Bekannten auf die Schulter: „Alles klar?“, fragt sie, erkundigt sich bei jungen Leuten nach dem Abi-Stress und bei Senioren nach dem Wohlergehen. Die Begegnungen machen ihr sichtlich Spaß. Beim politischen Brunch (Büfett mit Rührei, fünf Euro) im überfüllten Hallenbadrestaurant der Gemeinde Tholey redet sie vor Vertretern aus Vereinen, viele Frauen sind dabei. Da stimmt sie ein in die Klagen über zu hohe Auflagen für freiwillige Feuerwehr und Vereine, schildert im Dialekt ihre Erfolge: die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs etwa, der in die Kassen des Saarlandes jährlich 500 Millionen Euro mehr spülen werde: „Das bringt uns mehr Spielraum. Ab 2020 haben wir mehr Geld. Dann können wir das Ehrenamt besser unterstützen.“

Die Regierungschefin wirkt authentisch

Kramp-Karrenbauer tritt in Jeans und einer Daunenjacke auf, die auch auf Wahlplakaten zu sehen ist, sie wirkt weniger als Regierungschefin, denn als Hausfrau auf dem Weg zum Einkauf. Und sie erinnert etwas an die Annegret Kramp-Karrenbauer vom Karneval, wo sie als „Putzfrau Gretel“ in die Bütt steigt. Die Regierungschefin sei bodenständig und authentisch, die gehe auf Leute zu, lobt ein Fußballvereinsmensch. Eine Frau meint, sie hätte sich die AKK nicht so zierlich und klein vorgestellt, im Fernsehen, komme die ganz anders rüber, und: „Wissen Sie, wir haben in St. Wendel doch eine heile Welt.“ Jobs gebe es genug, die Flüchtlingskrise sei nicht spürbar. Es wird CDU-Innenminister Klaus Bouillon zugeschrieben, dass es im Saarland kaum Proteste gab. Der habe schnell gehandelt, gute Unterkünfte geschaffen, es musste keine Turnhalle belegt werden. Die AfD liegt bei neun Prozent.

AKK steht dann vorn am Stehpult und deutet auf ein blaues Ringbuch, ihr Termin-, Notiz- und Sorgenbuch. „Wer noch was hat, kommt her. Das Buch wartet.“ Der Fußballmensch geht dann vor, wechselt mit der Ministerpräsidentin ein paar Worte, kommt strahlend zurück: „Wir sind drin. Sie macht die Schirmherrin für uns.“

Auch zu langhaarigen Musikern findet die Politikerin einen Draht

Im Wahlkampf vor fünf Jahren ging es noch um die Existenz des Saarlandes, eine Fusion des finanzklammen Eine-Million-Einwohner-Landes mit Rheinland-Pfalz– das ist jetzt vom Tisch. Heute wirbt die CDU mit dem Slogan „Zusammen. Weiter. Voran.“ Es geht um Schule, Sicherheit sowie die Industriepolitik. In der haben die Ministerpräsidentin und ihre Stellvertreterin Rehlinger von der SPD Schwierigkeiten, sich abzugrenzen: „Alles, was die Wirtschaftsministerin industriepolitisch macht, haben wir gemeinsam im Kabinett beschlossen“, betont Kramp-Karrenbauer. Die Saar-SPD sei in ihren Forderungen bis hin zur Tonalität im Übrigen „stark an den Gewerkschaften orientiert“, sagt sie über den Koalitionspartner. Die Saar-CDU vertrete auch die Arbeitnehmerinteressen – so habe sie sich selbst früh für einen Mindestlohn und eine Frauenquote in Aufsichtsräten eingesetzt, was ihr Ärger mit der Bundespartei bescherte: „Aber wir hören auch auf die Bedürfnisse der Wirtschaft.“

Die Ministerpräsidentin besucht mit Vorliebe Universitäten, Forschungsanstalten, IT-Firmen, Autozulieferer oder einen „Hidden Champion“ wie den Musikanlagenhersteller Stamer-Group in St. Wendel: Einst von zwei langhaarigen Musikern gegründet, heute ein 180-Mitarbeiter-Betrieb mit Exporten in 60 Ländern. AKK sitzt mit den Inhabern auf Lautsprecherboxen und moderiert auf ihre trockene und nüchterne Art („Was bietet Ihnen diese Region?“), die unwillkürlich an Angela Merkel erinnert. Die Leute von Stamer sagen, man werde hier als Existenzgründer ernst genommen, im Übrigen pflege man im Betrieb eine „Atmosphäre der entspannten Höchstleistung“. Das, sagt Kramp-Karrenbauer, gefalle ihr: „Das nehme ich mit ins Kabinett.“