In Gemeinschaftsschule arbeiten Schüler teils an unterschiedlichen Aufgaben Foto: dpa

In der Bildungspolitik hat der Wahlkampf längst begonnen. Am Mittwoch stritten sich die Abgeordneten im Landtag über ein internes Gutachten für eine Gemeinschaftsschule.

Stuttgart - Eigentlich schien alles gesagt: Mitten in den Sommerferien veröffentlichte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“(FAZ) in einem Artikel Auszüge aus einem internen Zwischenbericht für die Geschwister-Scholl-Gemeinschaftsschule in Tübingen. Die Autorin hatte daraus den Schluss gezogen, die Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg seien ein „schwäbisches Himmelfahrtskommando“ – also gescheitert – , und warf dem Kultusministerium vor, den Bericht „unter Verschluss“ zu halten.

Ein gefundenes Fressen für die Opposition im Landtag. Sie attackierte damals sogleich den Kultusminister und forderte, den Bericht offenzulegen. Minister Andreas Stoch (SPD) erklärte seinerzeit, dass er den internen Schulbericht weder habe noch haben dürfe und forderte von der FAZ eine Gegendarstellung und Richtigstellung. Die Gegendarstellung wurde vor kurzem gedruckt, eine Richtigstellung und Unterlassung will Stoch notfalls einklagen.

Für CDU und FDP im Landtag war das Thema damit aber nicht erledigt. Das sei „eine erschreckende Berichterstattung über die Arbeit an den Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg“, sagte der CDU-Abgeordnete Volker Schebesta am Mittwoch in der Aktuellen Debatte, die die CDU zum Thema „Gemeinschaftsschulgutachten unbekannt – Qualitätsmängel bekannt. Was nun, Herr Stoch?“ beantragt hatte. Es gehe nicht darum, über die Arbeit an der Tübinger Schule zu diskutieren, sondern über Probleme, die die CDU und andere schon mehrfach bemängelt hätten. „Dieser Bericht passt in das Bild, dass es Handlungsbedarf bei Ihrem Lieblingskind Gemeinschaftsschule gibt.“ Timm Kern (FDP) erklärte, Stoch wolle die für ihn unangenehmen Ergebnisse einfach nicht zur Kenntnis nehmen und kümmere sich nicht um Informationen.

Wissenschaftler legen Studie Anfang 2016 vor

Der Bericht sei nur für die Schule bestimmt gewesen, damit diese frühzeitig Probleme beheben könne, konterte Kultusminister Stoch. Die Opposition verbreite jedoch Zerrbilder, um die Gemeinschaftsschule in Misskredit zu bringen. Sie erwecke den Eindruck, dass es ein Gutachten über die Gemeinschaftsschulen im Land gebe. Die wissenschaftliche Begleitforschung sei aber noch gar nicht abgeschlossen, deshalb seien keine Aussagen über die Qualität der Schulen möglich. Das Kultus- und das Wissenschaftsministerium hatten mit den Wissenschaftlern 2012 vereinbart, dass die Schulen drei Jahre lang begleitet werden und der Abschlussbericht 2016 vorgelegt wird. Vereinbart wurde damals auch, dass die Wissenschaftler den Schulen Zwischenberichte zukommen lassen sollten, damit diese auf Fehlentwicklungen zügig reagieren können.

Genau das habe die Tübinger Schule auch getan, sagte der SPD-Abgeordnete Stefan Fulst-Blei. Wissenschaftler der Uni Tübingen hatten dort zwei Klassen über einen längeren Zeitraum beobachtet und dabei Mängel unter anderem bei der individuellen Förderung der Kinder festgestellt. Die Veröffentlichung des Zwischenberichts schade den Schulen, weil diese nun nicht mehr darauf vertrauten, dass Informationen geschützt würden, sagte Fulst-Blei. Die Wissenschaftler hatten der Schule höchste Vertraulichkeit zugesichert. Sie hatten nach Veröffentlichung des FAZ-Artikels erklärt, dass sie den Bericht ausschließlich der Schule, die unter dem Dach des Geschwister-Scholl-Gymnasiums angesiedelt ist, zugeleitet hätten. Nach Angaben des Kultusministeriums haben auch Mitarbeiter des Schulamts Tübingen Kenntnis davon.

Die Grünen-Abgeordnete Sandra Boser warf CDU und FDP in der Debatte vor, sie griffen nach jedem „Strohhalm“, um die Gemeinschaftsschule schlechtzureden, obwohl auch viele Gemeinden mit CDU-Mehrheit auf die neue Schulart setzten. Seit diesem Schuljahr gibt es 271 Gemeinschaftsschulen mit rund 35 000 Schülern.