Macron hat den Unmut vieler Bürgerinnen und Bürger auf sich gezogen mit seiner jüngsten Provokation. Foto: AFP/Ludovic Marin

Mit einem vulgären Spruch lässt Frankreichs Präsident den Wahlkampf offenbar gezielt ausarten.

Paris - Ein Wort hallt durch den französischen Präsidentschaftswahlkampf: „emmerder“. Es bedeutet etwa so viel wie „auf den Wecker gehen, drangsalieren“. Einem wohlerzogenen Bürger sollte derlei nicht über die Lippen kommen, einem Staatspräsidenten noch weniger. Und doch sagte Emmanuel Macron dieser Tage über die ungeimpften Landsleute, er wolle sie „emmerder“ – so lange nerven, bis sie sich piksen lassen.

„Du kannst mich mal“

Der Eliteschulabsolvent hat nicht einmal die Entschuldigung, er habe volksnah mit vulgär verwechselt: Den Spruch tat Macron sehr bewusst in der autorisierten Schriftfassung eines Interviews. Vermutlich wollte er damit die konservative, in der Impffrage lavierende Gegenspielerin Valérie Pécresse in die Zwickmühle bringen. Doch der Schuss geht nach hinten los. In der Kritik steht nun Macron. Der Bürgermeister des südwestfranzösischen Dorfes Lavaurette schickte das Porträtbild des Staatspräsidenten, das in Frankreich in jedem Rathaus hängt, an den Absender zurück. „Heute, da Bürger beschimpft werden von einem, der ihnen eigentlich dienen sollte, schicken wir das Porträt zurück, damit Sie es in den Latrinen der Republik recyceln können“, erklärte Nils Passedat. Die Ungeimpften bringt Macron indes nicht in die Impfzentren, sondern auf die Straße: Am Samstag demonstrierten landesweit 105 000 „emmerdés“, wie sie sich nun nennen – viel mehr als in den Wochen zuvor. Als der Präsident jüngst in ein unwettergeschädigtes Tal im Hinterland von Nizza reiste, zeigten die TV-Kameras vor allem eine Frau, die Macron ihre beiden Handflächen entgegenhielt. Darauf stand: „Je t’emmerde“ – zu deutsch: „Du kannst mich mal“.

Macron gibt sich nun wieder staatsmännisch

„Nur Mut“, sagte Macron gefasst. „Schützen Sie sich und auch die anderen.“ Damit hob er sich auch von seinem rechten Widersacher Eric Zemmour ab, der in Marseille mit einem „Stinkefinger“ reagiert hatte, als ihm eine Frau zuvor dieselbe Geste zeigte. Dass sich Macron nach seiner umstrittenen Äußerung nun wieder staatsmännisch gibt, wirkt auf viele Franzosen wie Schauspielerei. Auch Impfbefürworter goutieren es nicht: Laut einer Umfrage ist zwar eine Mehrheit dafür, Druck auf Ungeimpfte auszuüben – aber nicht mit beleidigenden Sprüchen in einer politisch gespannten Lage.