Barack Obama gewann die Wahl im November 2008 auch im Web - wie sieht es in Deutschland aus? Wie erfolgreich sind Merkel, Steinmeier und Co. beim Stimmenfang 2.0?

Berlin - Obama gewann die Wahl auch im Web - seine innovative Internetstrategie brachte ihm ein Heer wertvoller Unterstützer. Wie sieht es in Deutschland aus? Wie erfolgreich sind Merkel, Steinmeier und Co. beim Stimmenfang 2.0?

Auch hierzulande wird das Internet künftig wahlentscheidend sein - so das Ergebnis einer am Mittwoch präsentierten Bitkom-Studie. "Und die politische Netz-Kommunikation boomt schon jetzt", erklären Netz-Forscher. Doch noch seien viele Volksvertreter unsicher im Umgang mit den neuen Möglichkeiten. Zudem sei das Verhältnis zu den Netizen, den Bewohnern des digitalen Raums, gespannt bis vergiftet.

"Bis Obama ist es noch ein weiter Weg", meint etwa der Kommunikationsforscher Patrick Brauckmann. Für seine Doktorarbeit beobachtet er, wie die Parteien im Internet um Stimmen kämpfen - und sich an die dortigen Sitten anpassen: "Das eigentlich Spannende ist, dass die politischen Akteure ihre Kommunikation ändern."

Früher hätten Kandidaten oft versucht, dem Internet bloße Partei-PR in Form vorgefertigter Phrasen überzustülpen. "Jetzt schaffen es viele Kandidaten, individuell und personalisiert zu kommunizieren."

"Und die Wahlkampfstrategen in den Parteizentralen lassen es zu", lobt Brauckmann. Dies zahle sich aus: "Ein paar Prozentpunkte kann man im Netz erbeuten, da bin ich mir ganz sicher." Ob Twitter, Facebook oder You Tube - seit einigen Wochen werden die Tools des interaktiven Web 2.0 auch in Politiker-Kreisen immer beliebter. "Fast alle Politiker haben im Vorfeld der Wahl zumindest ihre Websites überarbeitet, viele haben Twitter-Accounts angelegt und sind bei Xing, StudiVZ und so weiter eingestiegen. Die SPD bietet sogar eine iPhone-Applikation - insofern hat der Wahlkampf im Internet kräftig an Tempo zugelegt." Mit ihrer Netz-Offensive folgen die Wahlkämpfer offensichtlich den Erwartungen eines Großteils der Bürger: "Ein guter Politiker muss heute auch im Internet präsent sein", finden 80 Prozent der von Forsa befragten Wahlberechtigten.

Dass Wahlen ohne den Einsatz des Internets nicht mehr zu gewinnen sind, glauben bisher allerdings nur 44 Prozent der Bundesbürger - noch ist es also eine Minderheit. "Vermutlich wäre ein Wahlsieg ohne ausgereifte Online-Strategie gerade noch so möglich", meint auch Christoph Bieber, Politikwissenschaftler am Zentrum für Medien und Interaktivität der Uni Gießen. Es sei nicht so, "dass man im Netz schon heute sehr viele Stimmen einsammeln könnte". Ein Ignorieren des Internets könne dem Image eines Bewerbers aber schweren Schaden zufügen: "Insofern kann man niemandem raten, nicht auch im Netz anzutreten." Diese Ansicht stützen die neuen Forsa-Zahlen: Demnach ist das Internet bei den 18- bis 29-Jährigen inzwischen das wichtigste Informationsmedium, wenn es um politische Themen geht - 77 Prozent informieren sich hier. Zum Vergleich: Zu Tageszeitungen greifen dafür nur 54 Prozent.

Und noch etwas ist neu: Das Thema Netzpolitik - sonst eher stiefmütterlich behandelt - ist 2009 erstmals ein Wahlkampfthema. Dass sich Union und SPD für die Sperrung kinderpornografischer Seiten starkmachten, brachte die Internet-Aktivisten auf die Barrikaden, "Zensursula" von der Leyen viele Feinde und der Piraten-Partei immerhin 0,9 Prozent bei der Europawahl.

Die etablierten Parteien dürften nun alle Hände voll damit zu tun haben, den tiefen "digitalen Graben" zu den - oftmals bissigen bis hämischen - Netz-Bewohnern wieder zuzuschütten. "Die Nutzung sozialer Netzwerke kann dabei helfen", meint Bieber.

Allerdings werde die Web-Performance von Politikern argwöhnisch beäugt, allzu schnell wurden nach der letzten Bundestagswahl die meisten Politik-Weblogs und -Podcasts eingestampft." Deshalb regierten viele Netznutzer jetzt mit Misstrauen: "Es könnte ja wieder nur ein Strohfeuer sein - mit einem sehr durchsichtigen Zweck." Andererseits sollten die Netzbürger nicht zu streng mit Web-2.0-Neulingen ins Gericht gehen: "Man muss den Politikern einfach zugestehen, dass sie noch üben müssen. Es gibt nun einmal keine Bedienungsanleitung für cooles Twittern."